Sonntag, 26. Oktober 2014

Und dann auf einmal nehm ich alles anders wahr.

Der Blick in den Spiegel. Hm. Hm?

In der Früh sitz ich am Boden. Kram in braunen Schachteln herum. Eyeliner! Und dann beug ich mich vor. Momentan muss das Licht schon angeknipst werden. Viel zu dunkel. Viel zu früh. Eigentlich bin ich ja für die Einführung von Wach- und Schlafens- anstatt Winter- und Sommerzeit. Ich meine, okay, gestern hat es mich schon gefreut, eine Stunde länger fort gehen zu können, aber manchmal empfinde ich es einfach als weniger sinnvoll, sich aus dem Bett quälen zu müssen, während sogar die Sonne noch schläft. Naja.

Ich bepinsel mein Gesicht. Bepudere. Betupfe. Male mich an.
Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass es für mich auch seine kreativen Aspekte hat, wenn ich ein paar Minuten länger vorm Schrank stehe und mir überlege, was denn am besten zusammen und vor allem zu meiner heutigen Laune passen würde und wenn ich dann wertvolle Zeit in der Früh fürs Schminken verschenke. Ist halt eine andere Form von Ausdruck. Gehört aber ganz bestimmt dazu. Also, für mich gesprochen.

Auf jeden Fall entdeckt man immer wieder Neues am Morgen. Die ungezupften Augenbrauen zum Beispiel. Oder aber die Ringe unter den Augen, die sich langsam immer dünkler färben. Tja, gestern musste halt zu Austrian Apparell getanzt werden. Da freu ich mich auf einen Kaffee! Mir fällt aber auch auf, dass meine Wimpern, wenn sie richtig geformt werden, gar nicht mal so kurz sind. Und ich endlich diesen blöden Pickel losgeworden bin. Nahaufnahme halt. Man klebt richtig am eigenen Spiegelbild, muss schließlich mit spitzen Stiften im Gesicht herumfuhrwerken.
Und wenn ich dann zu meinem Kasten gehe, der sich ganz zufällig genau auf der anderen Seite vom fast quadratischen Zimmer befindet, kann ich mich im Ganzen sehen.

Und ich stutze. 

Komisch.

Langsam hab ich einfach bemerkt, dass meine Wahrnehmung nicht immer ganz der Realität entsprechen muss. Oder, sagen wirs besser so, manchmal ist mir das bewusst. In den guten Stunden. Vielleicht nehme ich auch nur alles oder das meiste anders wahr, intensiver oder mit einem anderen Schwerpunkt. Als die anderen. Keine Ahnung. Was ist schon Wirklichkeit? Wir alle haben doch irgendwo unsere kleinen Blasen. Wir alle formen uns unsere Welt. Wir alle denken ein bisschen anders und die Neuronen in unserem Gehirn sind auf andere Weise miteinander verknüpft. Also, wenn ich jetzt schreibe, dass meine Wahrnehmung nicht der Realität entspricht, ist das eigentlich komplett hinfällig. Nicht? Das ist wie in der Physik. Man muss erstmal das Inertialsystem festlegen. Von welcher Wirklichkeit gehe ich überhaupt aus? Meine ist nun mal so. Und doch - irgendwie ist sie verzerrt.

Nichtsdestotrotz fallen mir auf einmal Hügel auf meiner Haut auf. Da steht was raus. Da ist etwas ungeschützt. Und es gefällt mir nicht. Es gefällt mir einfach nicht. Ich will bitte keine Knochen mehr sehen.
Vielleicht habe ich schon wieder ein wenig abgenommen.
Das Gewicht schwankt doch sowieso immer bei allen ein bisschen.

Oder vielleicht wird mir erst jetzt bewusst, wie ich denn ausschaue.

Und ich find es so komisch. Eigentlich hab ich das doch hinter mir gelassen! Eigentlich ist der Gürtel doch eng anliegend.

Was nehme ich also jetzt wirklich wahr? Was davon ist wahr?

Aber. Keine Ahnung. Wenn ich ein bisschen weiter denke, dann könnte es doch vielleicht schon stimmen. Schließlich hat die Regel schon wieder zwei Monate ausgesetzt. Schließlich fehlt es mir manchmal schlicht und ergreifend an Energie und ich habe keine Lust. Wobei, das mit der Lust oder der Motivation kann auch am Wetter liegen. Das beeinflusst mich doch sehr. Ja, wer weiß das schon?


Ich hab mir jetzt aber etwas vorgenommen.

Ich möchte auf meinen Körper hören. Und ich meine, wenn ich Lust habe, um halb elf nochmal Cornflakes zu essen, dann mach ich mir noch welche. Auch wenn der Magen jetzt nicht unbedingt knurrt. Ich hab Lust darauf. Mein Körper wird mir damit doch irgendwas sagen wollen. Denk ich mir.
Und so möchte ich einmal schauen, wie sich alles verändert. Weil eigentlich esse ich ja ziemlich viel, hab ich so das Gefühl. Und trotzdem spüre ich beim über meine eigene Seite mit der Hand fahren Erhebungen und Einkerbungen. Das muss doch nicht sein.

Und trotzdem. Es ist doch komisch, genau jetzt bekomme ich für meine Figur von meinen Mitstudentinnen immer wieder Komplimente. Dass ich doch öfter eine enge Hose anziehen soll. So schöne Beine. Daweil mag ich die gerade am wenigsten. Ich fahr ja überall mit meiner Chayenne hin. Und Radfahren hat es so an sich, dass man dadurch trainierte Oberschenkel bekommt. Eh cool. Aber dann gehen sie halt auch in die Breite.
Aber besser trainiert als gar nicht vorhanden!

Hm.

Es ist komisch. Und dann gibt es mal wieder den wunderbaren Teil in meinem Kopf, der das wundervoll findet. Der noch mehr Knochen sehen möchte.
Und dann schaue ich mich in einen anderen Spiegel, oder sehe meine Reflexion auf einem Schaufenster an und gebe diesem Teil recht. Ich weiß nicht, vielleicht zieht der Spiegel bei mir im Zimmer auch ein bisschen in die Länge. Vielleicht ist es wirklich nicht so. Vielleicht sollte ich mal wieder meine Bauchmuskelübungen machen. Für die nehme ich mir nämlich gerade echt keine Zeit. Es gibt doch so Vieles zu tun!
Vielleicht geht das sich-selbst-gut-wahrnehmen auch nur an bestimmten Orten. In Räumen, in denen ich mich wohlfühlen kann. Unbeobachtet vielleicht. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.


Die ganze Geschichte mit der Wahrnehmung ist doch überhaupt absurd. Wann hat das denn überhaupt angefangen? Man kann sich doch sowieso nie sicher sein, dass etwas genauso ist, wie man es sich denkt. Da fällt mir schon wieder die Physik ein. Relativitätstheorie, nicht? Ach, ich merke es schon, wie mein Biotechnologie-Studium meine Denkweise mitgestaltet. Und damit meine Realität. Alles was ich tue, verändert meine Sichtweise. Alles was ich denke, verändert mich.

Ich weiß vielleicht nicht viel, aber bei einer Sache bin ich mir sehr sicher. Abnehmen ist einfach keine Option mehr für mich. Das reicht mir langsam schon und ewig Gedanken daran zu verschwenden, hat genauso wenig Sinn.

Und eins weiß ich noch. Ich weiß, dass ich das nur manchmal weiß. Ich weiß es jetzt. Ich weiß es vielleicht morgen in der Früh noch und am Nachmittag. Ich weiß es vielleicht aber nicht mehr, wenn es ums Abendessen geht. Da kann sich schon wieder alles in mir auf den Kopf gestellt haben und das ganze schlechte Gewissen, was sich so in meinem Hinterkopf zusammengesammelt hat, platzt plötzlich hervor.
Das kann passieren. Aber wissen tu ichs nicht.

Dienstag, 21. Oktober 2014

schlechte Tage und schlechte Zeiten

Manchmal ist es besonders schwierig. Da kann von draußen die Sonne noch so freundlich herein scheinen. Da kann die Morning Show auf FM4 noch so viele Lieblingslieder spielen. Da ist einfach jeder Schritt schwer. Kostet Überwindung. Braucht extra viel Kraft. Und dann haben eben solche Tage noch meist die Angewohnheit, mit ganz viel Missgeschicken und Unglücken einher zu gehen. Die Hose reist. Der Kühlschrank ist leer. Der Rucksack besonders schwer. Das Fahrradlicht geht ein. Die Haare haben entschieden, genau heute besonders komisch wegzustehen und überhaupt keine Form zu haben. Alles fällt zu Boden und da ist es egal, dass ich gelernt habe, dass G=m*g ist und somit zu beschreiben weiß, warum das passiert und genau dieser Vorgang eigentlich so unglaublich ist und dann noch dazu so eine einfache Form annimmt. Da kann man sich nicht in den Spiegel sehen. Jedes Wort, das an mich gerichtet ist, hört sich gemein an und am liebsten, ja, am liebsten würd' ich doch einfach nur gerne im Bett bleiben. Und dann laufe ich an einem Schaufenster vorbei und erschrecke. Würde so gerne wieder einmal das essen verweigern. So kann das doch nicht weiter gehen!

Genau.
Manchmal gibt es solche Stunden.

Die können sich auch gut und gerne auf Tage ausdehnen. Ab und an vielleicht auch noch länger. Da fällt das Lächeln einfach so schwer.

Der Sonntag-Nachmittag hat da vielleicht dazu gehört. Wahrscheinlich.

Und dann kann ich nicht mehr unterscheiden, ob ich einen schlechten Tag habe, oder wieder versinke.
In Selbsthass. In Melancholie. In Selbstmitleid.

Wenn ich dann von besonders tollen Menschen höre, dass sie gerade wieder eine schwierige Zeit durch machen oder auch schon hinter sich haben, und es ihnen langsam wieder besser zu gehen scheint. Die Wolken Anstalten mich, um sich aus dem Weg und endlich wieder Platz für Sonnenschein zu machen. Dann ist es so schwer, eine passende Antwort, einen treffenden Kommentar, aufmunternde Worte zu finden. Weil ich dann schon wieder an mich und meinen Seelenzustand denke. Oder besser gesagt, universell an instabile Launen. Weil mir irgendwo klar ist, dass das schlecht drauf sein, dazu gehört, sich ein bisschen eingegraben hat in die Psyche. Von manchen zumindest.

 Und dann - so komisch das jetzt auch klingen mag - geh ich auf die Internet-Plattform tumblr. und finde so einen passenden Post. Ein einleuchtendes Bild mit dicker Schrift drauf. Eigentlich ganz schrecklich und ganz schrecklich klischeehaft. Aber, warum auch immer, es regt zum Nachdenken, zum Überdenken an. Ähnlich wie das Tagebuchschreiben für mich. Vielleicht ein bisschen direkter, weil so muss ich selbst ja auf nichts drauf kommen, so bekomme ich die Antwort sozusagen schon in den Mund gelegt.
Weil, so sehr ich auch weiß, dass es keinen Sinn hat, die schlechten Gedanken sich ausbreiten zu lassen. So sehr mir auch bewusst ist, dass das Verhalten auch kontraproduktiv und destruktiv ist. So sehr mir klar ist, dass das so nicht in Ordnung ist. Manchmal gehts nicht anders.

Und langsam weiß ich das auch.

Ich weiß, dass schlechte Tage vorüber gehen.

Auch, wenn man gerade Angst hat, davor, dass am nächsten Tag wieder so viele Stunden zu überwinden sind, bis man wieder schlafen gehen kann.

Hört auch irgendwann auf. Irgendwie.

Was mir auch immer klarer wird, ist, dass ich mir dieses Bewusstsein noch viel mehr festigen muss. Ich muss mir wirklich sicher sein. Ich muss ganz betont merken, dass es mir gut geht, wenn es mir gut geht. Dass eigentlich alles passt und noch darüber hinaus. Und dann, wenn meine Stimmung wieder abrutscht, dann muss ich versuchen, sie festzuhalten. Ganz bewusst. Ganz bestimmt. Und wenn es auch irgendwie leichter ist, wenn man schlecht drauf sein kann. Gute Laune erfordert so viel Mühe. So viel Disziplin und so viel Anstrengung. Man hat keine Entschuldigung mehr, kann sich nicht mehr auf etwas rausreden. Weder vor anderen noch vor sich selbst. Egal. Egal!
Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich schon zum Verdrängen anfange. Vielleicht bin ich auch einfach nur vergesslich geworden. Kann ja auch sein, bin ja schließlich schon alt. Oder so. Und dann sind solche schlechten Zeiten wieder ein guter Weckruf.
He! So soll das bitte nicht sein. Das kenn ich doch, das will ich nicht. Dafür habe ich jetzt keinen Platz mehr.
Dann kann ich die guten Stunden vielleicht auch viel mehr schätzen. Weiß, wie schön es ist, wenn ich auf den Stufen der Uni in der Augasse sitze, das Herbstlicht auf mein Gesicht und auf meine Hände fällt, dort hinten, unten, sich noch eine letzte Tomate beschließe, doch noch rot zu werden und neben mir meine ganzen unglaublich lieben, tollen Studikolleginnen und -kollegen über chemisches Gleichgewicht und die sexuelle Orientierung von irgendwem philosophieren. Dann passt das auch. Dann kann ich spüren, wie fein es nicht sein kann. Und wenn ich dann am Wochenende wieder deprimiert herumlungere, mir besonders arm vorkomme, ist das eben nicht so schlimm. Das ist nur temporär. Bald geht es eh wieder bergauf. Spätestens dienstags immer - da darf ich nämlich auf den Berg auf die Türkenschanze radln. Ach, ich und meine Wortwitze und bildlichen Vergleiche immer - ein Wahnsinn! Das kann ich dann gut genießen. Und die blöden Stunden werden weniger. Ganz von allein. Naja, mit ein bisschen Anschubsen zumindest.

Aber das ist ganz wichtig.

Man muss sich bewusst sein, dass schlechte Tage vergehen. Und wenn diese Tage zu Monaten ausufern. Das geht nämlich. Wirklich. Ich weiß das, ich bin mir so sicher. Das muss so sein.

Und dann gibt es wieder Tage, da ist es nichts von beiden. Nicht wundervoll, nicht furchtbar. Das Leben ist nämlich irgendwie doch facettenreich. Da gibt es so viel mehr Nuancen als bloß schwarz und weiß. Rot nämlich. Und blau. Und grün. Und violett. Und lila. Und türkis. Und grau. Und rosa. Und noch so viel mehr. Ich bin ja leider ganz schlecht in Farben benennen. Aber immerhin weiß ich, dass es zwischen rot und rot Unterschiede gibt. Aber ob das jetzt magenta, oder doch zinoberrot ist, ja, da bin ich dann doch überfragt. Ich kann nicht alles in Worte fassen. Spüren geht. Und das wird immer leichter. Immer akkurater. Präziser. Man muss halt üben. Und ganz genau hinschauen. Horchen, fühlen, schmecken, tasten. Und was die Sinne sonst noch so hergeben wollen. Manchmal bin ich blau. Manchmal hab ich einen lila Tag. Und dann schlägt der Zeiger am Farbkreis plötzlich auf die Komplementärfarbe. Ohne Vorwarnung. Vielleicht ist etwas vorgefallen. Vielleicht auch nicht. Das muss auch nicht unbedingt eine Verschlechterung, oder auch keine Verbesserung sein. Es ist halt anders.

Und dasselbe gilt auch im Kleinen.

Kein schlechter Tag ist wie der andere.
Da sind es dann vielleicht gedeckte Farben. Oder Grauschattierungen.

Und dann auf einmal gelb. Sonne.

 Manchmal weiß ich nicht, ob ich wieder ins Negative kippe. Meistens weiß ich aber, dass das nicht passieren wird.

Montag, 20. Oktober 2014

Über Regelmäßigkeiten

Ich weiß auch nicht, was schon wieder los ist. Gestern bin ich noch ganz lange auf gewesen. Das mag wohl zum Einen daran liegen, dass ich circa bis um zwölf Uhr Mittags geschlafen habe. Aber vor allem, weil sich mein Kopf nicht abschalten ließ. Eigentlich wollte ich lernen. Und irgendwas tun. Aber das ging einfach nicht. Keine Kraft dafür, keine Lust.
Gestern hab ich nur gefrühstückt und es hat einfach an Energie gefehlt.

Und als ich dann so in meiner Melancholie versunken in meinem wunderbaren neuen Hochbett gelegen bin, und mein Tagebuch aufgeschlagen habe, strömten ein paar Wörter aus meinen Fingern auf die leeren linierten Seiten. Zuerst den ganzen Blödsinn. Weltschmerz und schlechtes Gewissen.
Aber das Schöne am Tagebuch schreiben ist ja, finde ich, dass man schreibt. Und dadurch auf so Vieles kommt. Man muss sich irgendwo ganz bewusst mit dem Tag oder den letzten Stunden, Wochen, was auch immer, befassen und möchte ja detailliert wiedergeben, was so passiert ist, was so im Kopf herum geistert. Bei mir ist das zumindest so. Und ich merke auch sehr, wie viel besser es mir geht, wenn ich öfter das schwarze Büchlein aufschlage und aufschreibe. Es wird einiges klarer durch dieses eingehende Beschäftigen mit irgendeinem Thema. Die Probleme werden relativiert oder aber auch aufgezeigt. Deswegen hab ich wahrscheinlich letztes Jahr nie geschrieben. Weil ich nicht auf das alles draufkommen wollte.

Ich schreibe also weiter. Und dann wird mir bewusst, wie dumm das nicht war. Also das nicht essen. Zu allererst ist das alles andere als gesund. Essen und essen ist gesund. Punkt. Und außerdem hat es ja keinen Sinn. Ich denke immer, mir würde es um einiges besser gehen, wenn ich das Abendessen weglasse, wenn ich weniger esse. Aber das stimmt einfach nicht. Meinem Seelenheil, um es einmal ein wenig schmierig auszudrücken, tut das alles andere als gut. Die Kraft fehlt. Die Motivation fehlt. Nahrung ist Lebensqualität. Und es macht wenig Unterschied, ob ich jetzt nichts esse oder den ganzen Tag nur Scheiß in mich rein stopfe, irgendwie hat das Auswirkungen auf die Freude. Natürlich macht Süßes auch Spaß. Und den gewinne ich nach und nach wieder. Ist auch ganz wichtig, das ab und an mal zu sich zu nehmen. Seelennahrung, stimmts? Brauch ich auch! Aber halt nicht nur.

Und nichts essen ist keine Option. Nicht mehr.

Ich weiß doch viel zu gut, dass es so viel bringt, Nahrung zu sich zu nehmen. Ich möchte ja auch Dinge machen. Dafür braucht man nun mal Kraft. Und das mit dem Körper und dem Selbstbild sollte langsam mal egal werden.

So. Und jetzt noch einmal zurück zu meinen Tagebuchschreiberkenntnissen. Ich bin vor schon ein bisschen längerer Zeit drauf gekommen, dass für mich das Regelmäßige ganz, ganz wichtig ist. Vor allem jetzt, wo doch alles so anders ist. Alleine leben. Studium. Keine Zeiten, die jeden Tag komplett gleich sind. Mal beginnt die Uni um zwölf, mal um acht und am nächsten Tag dann wieder erst um zwei. In der Schule war das schon ein bisschen anders. Natürlich gab es Tage, da war man länger in der besagten Anstalt. Aber prinzipiell war alles sehr ähnlich aufgebaut. Es hat zumindest immer zur gleichen Zeit begonnen. Genauso wie das Essen. Frühstück, Jause, Mittagessen. So war das bei den meisten.

Und ich merke langsam, wie wichtig mir Struktur ist. War es eigentlich auch schon immer. Ich brauch meine Listen, meine Tabellen und meine rationalen Antworten. Deswegen studiere ich auch in gewisser Weise etwas Naturwissenschaftliches. Kunst ist wundervoll. Genauso wie Kreativität und Spontaneität. Das brauch ich genauso. Aber nur davon kann ich nicht leben. Ein bisschen Konstanz ist für meinen Alltag schrecklich vonnöten. Und das Ungewisse und eben Spontane an Kunst geht für mich nicht auf Dauer. Musik ist immer anders. Wenn Schapka den Küchenschabenrap performt, dann klingt er immer ein klein wenig anders. ln(e) ist immer eins. Und ich brauch das. Ich muss mir sicher sein können, dass etwas ähnlich abläuft. Und so gerne, wie ich kreativ bin - oder es eher gerne wäre haha - so froh bin ich um die Struktur, die ich von meinem Tag heraus gewinne. Natürlich nicht immer. Nicht zwanghaft. Aber wenn ich schon zwei Dinge regelmäßiger gestalten kann, bin ich ein bisschen glücklicher. Und dann wird das nicht rationale Denken für mich auch einfacher gemacht.

Das muss ich mir immer mal wieder vor Augen führen.
Deswegen wars vielleicht auch gar nicht so schlecht, dass ich gestern wieder einen kleinen Rückfall, oder wie man das sonst benennen möchte, hatte. Hat mir eben auch gezeigt, wie schlecht es mir gehen kann. Wie schlecht ich mich selbst machen kann. Weil es ist ja alles selbstverantwortlich. Ich habe ja entschieden, nichts mehr zu essen. Irgendwie. Zumindest ein Teil von mir.
So. Und das soll bitte nicht so sein! Das weiß ich, ich möchte ja gut drauf sein und Freude und Motivation und gute Laune spüren. Und daran muss man, daran muss ich, arbeiten. Ich arbeite jetzt am regelmäßig Essen zu mir nehmen. Auch wenn es Zeit beansprucht. Macht ja nichts. Kochen ist auch irgendwie Kreativität. Mein Kunstlehrer in der Schule hat ja auch immer malen mit kochen verglichen. Und ich will ja kreativ sein. Und ich will gut drauf sein. Und Spaß haben. Und meinen Alltag meistern. Und überhaupt.

Ich weiß nicht, wie das für andere ist. Wie das andere machen. Ich kann nur für mich sprechen. Und vielleicht darauf hinweisen, dass das hilft. Helfen kann. Vielleicht ist es für die meisten einfach selbstverständlich, genug zu essen. Wahrscheinlich ist das so. Und ich sehe es ja, dass zum Beispiel meine Mitbewohnenden irgendwann in der Nacht Essen bestellen können. Weil sie halt hungrig sind. Da gibt es keine Essensdeadline.
Aber ich glaube, so weit bin einfach ich noch nicht. Und da möchte ich mir auch keinen Stress, keinen Zwang machen. Ich möchte ja in der Früh mein Müsli essen.
Und mich verwirrt das noch viel zu viel.

Wenn es irgendwann zur Regelmäßigkeit wird, dann verselbstständigt sich das wohl sowieso von selbst. Momentan ist das halt alles noch sehr bewusst. Aber auf der anderen Seite, für mich sind meine Mahlzeiten immer irgendwo besonders bewusst.

Heute hab ich dafür mehr gefrühstückt.
Aufholbedarf oder so. Auf jeden Fall musste ich gleich nach dem Aufstehen was zu mir nehmen. Mein Körper ist eh nicht so dumm. Der sagt mir recht viel. Heute war ich halt sehr hungrig. Und dann hab ich mir etwas zum Essen für die Uni gemacht. Hat um elf begonnen und endet erst um sieben. Da brauch ich was. Ich mach das regelmäßig jetzt. Das ist mein neues Projekt. Hab ich mir vorgenommen. Und zum Glück gibt es ja in der Hauptstadt an jeder Ecke irgendwas zum kaufen. Da macht es auch mal nichts, wenn ich mir nichts vorher zubereite. Kostet halt nur ein bisschen mehr ;).

Sonntag, 19. Oktober 2014

Der Kuchen nach dem Konzert

Gestern hatte Schapka (ohja! Ich habe das gerade mit unserer Facebook-Like-Seite verlinkt - kann man etwas blau unterlegen, fühlt es sich gleich noch cooler an ) einen Auftritt. Kuchenkino war. Das ist eine kleine Veranstaltungsreihe, die es noch nicht so lange gibt und ca. jeden Monat einen Film zeigt. Im Preis inbegriffen ist veganer Kuchen. Und am Samstag durfte Schapka nach dem gezeigten russischen Horrorfilm aus den 1960er Jahren ein paar Lieder klimpern. 

Schapka ist mein Band-Projekt. 
Es geht ganz viel um Spaß. Feminismus. Selbstironie. Es ist eine Ebene, eine Plattform, auf der wir uns ausdrücken können. Politik und Gesellschaftskritik stehen im Focus. Und Gitarrenverzerrer. Und der Micro-Korg, der es immer wieder schafft, ein Lied unglaublich aufzuwerten und den so speziellen Schapkasound tatkräftig mitgestaltet. Es wird geschrien und auf die Stand-Tom geschlagen. Wie gesagt, Selbstironie nicht vergessen! 
Bei der Vorstellungsrunde gestern hat zum Beispiel Marie ins Mikrophon gebrüllt, dass Laura die ganze Zeit nur auf ihr Handy schaut. Laura schaut die ganze Zeit nur auf ihr Handy. Laura ist die ganze Zeit nur auf Tinder. Laura erzählt uns die ganze Zeit nur über ihre Tinder-Dates. Und Marie hat nie Bob der Baumeister geschaut. Weil Marie war immer nur auf der Waldorfschule. Und Marie hat nie englischsprachiges Radio hören dürfen. Marie hat nie englischsprachiges Radio hören dürfen. Und Lili isst immer nur Agavendicksaft. Und Lili is(s)t immer nur vegan. Manchmal isst Lili aber auch Eier. Lili isst aber nur dann Eier, wenn sie den Bauern und die Bäurin und die Hühner kennt und die Hühner gestreichelt hat, dann isst Lili manchmal auch Eier.
Wir tragen Hauben und Marie cycled aus alten Pullovern welche mit ihrer Nähmaschine up (ob man diesen Anglizismus überhaupt so trennen darf?) und Jutebeutel gibt es auch schon. Da steht dann in kyrillischer Schrift "Schapka" drauf. Und Schapka auf kyrillisch schreibt sich so: Шапка. Erinnert ein bisschen an ein anderes Wort aus der englischen Sprache, nicht? Und es gibt eine Kassette. Mit Downloadlink. Und Online-Stream. Sie ist übrigens türkis. 



Ja. 
Gestern haben wir gespielt und auf die Instrumente geschlagen.

Mir ist das Projekt schon sehr ans Herz gewachsen und ich finde es wirklich fein, wie sich alles entwickelt. 

Aber so viel dazu. 


Eigentlich wollte ich ja auf etwas anderes hinaus.

Ich hab gestern zwei Stück unglaublich guten Kürbis-Kuchen gegessen. 

Und eigentlich kommt mir ja immer alles so absurd vor. Wieso habe ich denn wegen den paar Bissen dieses riesen Bedürfnis, das jetzt aufzuschreiben und in die Welt zu posten? Wieso muss mich denn das jetzt immer noch beschäftigen? Wann hört das bitte endlich auf?
Ich weiß es leider wirklich nicht. 

Das war doch eh schon gestern. Vergangen. Darüber braucht man sich ja keine Gedanken mehr zu machen.
Und heute Abend sitze ich hier, auf meinem Cajon, vor meinem Schreibtisch und meiner CD-Sammlung und grüble darüber nach. 

Es ist irgendwie immer noch ein so präsentes Thema. Auch, wenn es stetig besser wird und mir der Kontakt mit Menschen, die sich nicht unbedingt zwanghaft gesund ernähren müssen, sicherlich gut tut. Es verbessert sich eben. Langsam. 
Ich versuche dann immer wieder alles zu relativieren. Ein veganer Kuchen. Mit Kürbis. So süß war er auch nicht. Außerdem bin ich schon beinahe geübt im mir selbst sagen, dass ich doch den ganzen Tag zu Fuß oder Rad unterwegs bin, Schlagzeug spiele und überhaupt - so ein Konzert strengt an. Energie. Oder so. Manchmal funktioniert dieses Überreden. Manchmal. 
Energie! Ich weiß ja, wie es ist, nichts davon zu haben. 

Am Liebsten würde ich abschalten können. Einfach durch den Alltag gleiten. Nicht zu viel über das nachdenken. Nicht zu viel nachdenken. Prinzipiell. Einfach machen. Einfach die Dinge angreifen, die sich gerade richtig anfühlen. Und tun. Meine Kamera auspacken und die am Donaukanal sitzenden Menschen fotografieren. Auf der Schaukel sitzen und mit lieben Leuten reden. Ohne mich zusammenreißen zu müssen. Ohne dann auch noch an das Weißbrot zu denken. 

Also. Was ist zu tun? 

Ich bin mir schon wieder so unsicher. Über alles. 
Mein Bauch nimmt zu viel Platz ein. Im T-Shirt. Und in meinen Gedanken. 

Eigentlich finde ich es ja super, dass ich gestern Kuchen gegessen habe. Ich meine, abgesehen davon, dass es halt einfach gut geschmeckt hat. Kuchenessen macht man doch. Also, gestern Abend haben beinahe alle ein Stück in der Hand herum getragen und genascht. Ohne viel darüber nach zu denken. Wer mag denn keinen Kuchen? 
Genau. Mein Verhalten ist nicht mehr so kontrolliert. So streng. So zwanghaft. Es geht eben. Ich kann von Dingen abbeißen. Etwas ausprobieren. Irgendwie kommt es mir so vor, als wäre ein kleiner Schritt zumindest schon getan. 
Jetzt heißt es nur mehr am Denken zu arbeiten.

Oder?

Während ich das schreibe, kommen schon wieder Zweifel in mir hoch und ich weiß einfach nicht weiter. Ist das jetzt in Ordnung so? Oder sollte ich wieder aufhören damit? 

Also. Was soll ich tun?

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Darüber reden können

Gestern in der Uni. Eine Mitstudentin und ich haben auf die nächste Vorlesungseinheit gewartet und geplaudert. Eigentlich wollten wir ja Chemie lernen. Tja. Wie das halt immer kommt. Sie erzählt von ihrer Schulzeit. Ihrem Freund. Seit sie elf ist, ist sie schon verliebt in ihn. Wahnsinn eigentlich. Aber schön - das gibt irgendwie Hoffnung. Uh klingt das kitschig. Aber wenn es wirklich Menschen geben sollte, die wie für einander gemacht sind, dann gehören wohl die beiden dazu. Gut. Und dann die Frage: Hast du eigentlich einen Freund? Hm. In meinem Kopf kommen auf einmal hundert Gedanken, die alle durcheinander zu wirbeln scheinen. Was antworten? Am Besten einfach nicht auf die Betonung des Freundes eingehen.

Nein. Bin in keiner Beziehung.

Wie lange bist du denn schon Single? Ist sicher auch toll!

Da musste ich jetzt wirklich überlegen. Was gilt als Beziehung, was nicht? Ich erzähle ein bisschen was.
Und, hättest du gerne wen?
Schon wieder so eine schwere Frage!

Ja. Nein. Keine Ahnung.

Und dann antworte ich, dass es sicher schön wäre, aber ich momentan keine so starke Bindung eingehen kann. Dafür geht es mir psychisch nicht gut genug, sage ich. Gehst du zu einer Psychologin? Ja. Was hast du denn, oder was ist passiert?
Eigentlich mag ich ihre Direktheit sehr gerne. Ist doch toll, wenn jemand so offen Fragen stellen kann. Sie ist interessiert und möchte etwas wissen. Warum denn nicht einfach drauf los fragen? Die Option, zu sagen, dass ich darüber nicht unbedingt reden möchte, habe ich ja sowieso. Aber kann man das auch wirklich tun? Zu sagen, dass ich nichts sagen will?

Wieder tausend Gedanken.

Will ich ihr wirklich so ein Bild machen von mir?

Ich sags einfach! Und rede drauf los... Was so passiert ist, was ich so gemacht habe die letzten eineinhalb Jahre. Und auch ein bisschen davor.

Ich bewohne die Hauptstadt - wie schon unendlich viele Male geschrieben. Lerne ständig neue Leute kennen und komme ins Gespräch mit völlig Fremden, die sich dann als wunderbare Freunde oder Freundinnen entpuppen. Und jedes Mal überlege ich aufs Neue. Muss es mir peinlich sein? Kann ich einfach erzählen.
In unserer Gesellschaft wird mit psychischen Erkrankungen ganz komisch umgegangen. Am besten geleugnet und unter den Tisch gekehrt. Exotisiert und tabuisiert. Man ist doch eh selbst Schuld daran. Und dann kommt man, dann komme ich, immer mal wieder in die Situation, darüber reden zu wollen, zu können, zu müssen.

Vielleicht wäre es einfacher, nichts zu sagen. Vergessen. Ist nie passiert. Ich weiß es, die Leute, die mich in der Zeit gesehen haben, wissen es. Das sollte doch reichen. Wieso großartig sprechen darüber und Leute einschüchtern oder in eine Position bringen, die für sie unangenehm sein könnte?

Das ist ein Zwiespalt.

Was halten die Menschen dann genau von mir, nachdem ich ihnen anvertraut habe, dass ich ein Problem hatte beziehungsweise habe, mich selbst zu ernähren? Was für eine Reaktion erwarte ich? Was für eine möchte ich denn überhaupt?

Ich rede aber darüber.

Ich denke mir, wenn ich hier im Internet über meine Tage schreiben kann, wieso denn nicht auch den Menschen erzählen, die mir immer näher kommen? Irgendwo ist es doch ein Teil von mir. Zumindest von meiner Geschichte. Nicht? Gehört halt dazu. Erklärt vielleicht auch einiges.
Und dann denke ich mir auch noch zusätzlich, was wäre, wenn ich mir den Fuß einmal gebrochen hätte und deswegen irgendwas Bestimmtes nicht machen könnte? Wenn ich Krebs hatte? Natürlich möchte ich jetzt Anorexie und einen Tumor nicht miteinander vergleichen. Aber was ich tun möchte, ist, eine Relation zwischen physischen und psychischen Problemen aufzustellen. Hat ja beides was mit dem Körper zu tun. Wirkt sich ja beides auf die Umwelt und auf dein Innenleben aus.
Wieso ist unser Verhältnis zum gebrochenen Fuß dann ein so enorm anderes als zur Depression? Wieso muss man sich dafür schämen, zu einer Therapiesitzung zu müssen? Der Zahnarztbesuch ist doch auch völlig okay.

Ich bin so. Ich war so.

Will ich es ändern?
Natürlich. Aber irgendwie, ich weiß nicht so recht es zu beschreiben, aber irgendwie bin ich auch ein wenig froh. Eine Erfahrung mehr. Unzählige Erfahrungen mehr. Meine Denkweise hat sich geändert und meine Ansicht. Ich bin bei gewissen Themen sensibilisierter und kann vielleicht Dinge verstehen, bei denen sich andere schwer tun. Es ist halt viel passiert. Viel Blödsinn natürlich.

Trotzdem.

Ich will ja auch gerne wissen, was meine Liebsten, die Menschen, die ich häufig sehen und schöne Gesprächspartnerinnen so getrieben haben in ihren bisherigen Tagen, und wenn das exzessive Kalorienzählen dazu gehört, dann gehört das dazu. Schön reden will ich es natürlich nicht. Und auf die Nase binden auch nicht. Aber wenn schon gefragt wird, wenn es in die Situation passt, wenn ich das Bedürfnis habe, mich anzuvertrauen. Ja, wieso denn dann eigentlich nicht?

Wieso muss man sich verstecken mit psychischen Themen? Warum wird in so einer komischen Art damit umgegangen? Ich kann für meine Orthorexie vielleicht genauso viel wie für meinen gebrochenen Ellenbogen. Irgendwo ist es selbst verschuldet. Ja, okay.

Und natürlich, mir ist es unangenehm, weil es viele Menschen abschreckt. Deswegen überlege ich auch zweimal. Und so lange ist das bei mir auch noch nicht her. Irgendwie steck ich da ja noch drinnen.

Also, siehst du eine Psychologin?

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Die Schokolade auf meinem Kastl und was sonst noch so passiert

Das Stadtleben ist toll. Wirklich. Wien hat es mir so angetan. So Vieles gibt es zu besichtigen, so Vieles zu sehen, auszuprobieren, zu schmecken und zu erleben. Ich muss doch noch die Ausstellung im jüdischen Museum besuchen! Und eigentlich möchte ich mich am Liebsten gleich wieder in die Prater Hauptallee zum Rad fahren auf den Sattel schwingen und das Handy zücken zum Zeit ausmachen. Wann hast du Mittagspause?
Und das Telefon klingelt. Eine neue Nachricht. Kalium-Gruppe. Achja! Ich studiere ja jetzt.
Ich muss das jetzt gleich noch einmal schreiben: ich studiere. Endlich. Schon ziemlich lang hab ich mich gefreut darauf. Und eigentlich kann ichs nur ganz schlecht beschreiben. Eigentlich bin ich ja verliebt. Es ist nämlich wirklich so. Das frühe Aufstehen lohnt sich einfach wirklich, nicht so wie in der Schule, wo ich mir gleich dreimal überlegt habe, ob ich mir Physik in der ersten Stunde echt antun möchte. Jetzt kribbelt es in der Magengegend und ich bin gespannt auf die nächste Enthüllung, die meine Vorlesungen so mit sich bringen. Vielleicht ist Mathe momentan noch ein wenig unterfordernd - wir wiederholen den Schulstoff und rechnen quadratische Gleichungen aus, kürzen Brüche, überlegen uns die Steigung an der Stelle P. Den Mathematik-Unterricht am Gymnasium muss ich doch sehr loben. Der hatte es zwar zeitweise in sich, aber - wie sagt man so schön? - jetzt trägt er Früchte. Und eigentlich macht es mir eh nichts aus, ich machs doch gern. Ist auch eine gute Abwechslung zum chemischen Gleichgewicht. Achja, wie rechnet man sich jetzt nochmal schnell die Einzelkonzentrationen im chemischen Gleichgewicht aus, wenn nur die Gesamtkonzentration gegeben ist? Ich werd schon noch drauf kommen! Sonst ruf ich meine Tutoren an und nerve sie mit meinen für sie wohl banal klingenden Kleinigkeiten.
Genau. Tutoren.
Ich studiere auf der Boku. Und das kann ich eigentlich nur allen ans Herz legen. Zuallererst gab es einmal eine ganze Woche voll gepackt mit neuen Namen, Ausflügen, Veranstaltungen und noch einzuordnenden Gesichter. Wir wurden in Kleingruppen gespalten und haben uns kennengelernt, die ganze Zeit miteinander zugebracht und haben uns aneinander gewöhnen können. Jetzt sehe ich die Menschen von Team Kalium beinahe täglich, begrüße manche mit einer Umarmung und der Kontakt ist eigentlich - Technologie sei dank - stets aufrecht.
Ganz Liebe studieren mit mir. Und das Schöne daran? Eigentlich kann ich mit jeder Person im Hörsaal ein bisschen ins Reden kommen, weil wir zumindest ein gemeinsames Interesse haben. Glucose-Oxidase und das Periodensystem. Das lerne ich gerade übrigens auswendig. Bor, Aluminium, Gallium, Indium und Thallum. Das sollte die Bor-Gruppe sein. Die dritte Hauptgruppe also. Wenns wahr ist - so ganz firm mit dem Aufbau bin ich noch nicht so ganz. Aber ich weiß, dass das Symbol von Antimon Sb ist. Warum auch immer. Ganz so konsequent logisch sind sie dann doch nicht, die Naturwissenschaften. Aber egal, das macht sie Sache wenigstens ein bisschen lustiger. Außerdem gibt es ein Element, das Strontium heißt. Und ich bin mir wirklich nicht so sicher, ob ich mir die einzelnen Elektronenkonfigurationen auch wirklich merken werde, aber das macht nichts. Wie gesagt, das Periodensystem der Elemente ist auf seine eigene Art und Weise lustig. 
Und nächste Woche hab ich Einstiegstest und gestern war ich in der Bibliothek in der Türkenschanze und hab meine Nase in die Bücher gesteckt und bin mir so schrecklich erwachsen vorgekommen. Das ist gerade irgendwie sehr komisch. Ich studiere. Ich kaufe ein. Ich koche. Ich wasche Wäsche. Ich räume auf. Ich wohne allein. Ich bin auch am Papier schon erwachsen und alles. Aber momentan komm ich mir wirklich nicht sonderlich erwachsen vor. Obwohl ich ja eigentlich die meisten Voraussetzungen erfülle beziehungsweise erfüllen sollte. Ich bin irgendwo dazwischen stecken geblieben. Als Kind kann ich mich nämlich auch nicht mehr selbst beschreiben. 

Und es wird immer besser. Natürlich gibt es Tage, da funktioniert gar nichts, da fühle ich mich einfach nur schlecht. Aber das geht halt irgendwo schlecht, dass ich diese Melancholie so wirklich auslebe, weil ich doch die ganze Zeit umgeben bin von Menschen, mit denen ich reden möchte und von denen ich gerne hätte, dass sie von mir denken, ich sei gut drauf und motiviert und so weiter. Da hab ich erst gestern mit einem ganz lieben Freund darüber geredet. Er hat nämlich erzählt, dass er wohl deswegen eben so lieb ist, weil er sich so viele Gedanken darüber macht, was andere von ihm denken. Immer dieses Denken. Und diese Wortwiederholungen! Naja, meine Deutsch studierende Mitbewohnerin wirds eh nicht lesen und selbst wenn, wird sie es mir hoffentlich verzeihen. Auf jeden Fall hat er damit den sprichwörtlichen Nagel auf den noch sprichwörtlicheren Kopf getroffen und das ausgesprochen, was ich mir noch nicht so ganz getraut habe, zuzugeben. Ich möchte ja schließlich sehr gerne, dass das Bild von Lili eben super gelaunt und strahlend und gut angezogen und nett und so weiter ist. Wollen wir das nicht irgendwo alle? Aber dennoch ist das sehr häufig auch ausschlaggebend für mein Verhalten. Also, dass ich dann herum hüpfe und mir meinen grimmigen Blick verkneife. Aber das ist jetzt vielleicht auch ein wenig drastisch formuliert. Energien hab ich ja momentan auch - endlich! - wieder viele. 
So. Jetzt hab ich mich schon wieder in ein Gedankenkonstrukt verstrickt. Naja, aus eben solchen ist ja auch die ganze Seite hier aufgebaut. 
Auf alle Fälle, wenn ich nicht umgeben bin von wundervollen Augen und schönen Händen und lieben Worten, dann schau ich in mein Chemie-Skript und ärgere mich darüber, dass ich es einfach nicht schaffe, ein Lösung für dieses Beispiel zu finden oder freue mich darüber, dass ich mir eine Molmasse ausrechnen kann, ohne großartig Zeit mit Überlegen zu verbringen. 

Und dann muss ich ja auch noch Marmeladengläser anpinseln!
Und mein Bett zusammen bauen. Genau! Ich habe nämlich endlich ein richtiges Bett, und was für eines. Letztes Wochenende hat der Freund meiner Schwester zusammen mit meinem Vater Holz und Werkzeug gebracht und wir haben gewerkt. Morgen kaufe ich mir wahrscheinlich auch noch eine Matratze und überlege mir weiter, was ich mit der gestern ebenfalls geholten Europalette, die gerade nur mitten im Zimmer steht, anfangen werde. Vielleicht Blumen draufstellen, oder als Kastl umfunktionieren, oder doch einen Tisch daraus bauen. Und das Internet wird durchforstet, was gibt es so für gute DIY- oder upcycling-Blogs? Eigentlich würde ich ja auch gerne immer mal wieder posten, was ich so anfange mit meinem Zimmer. Beispielsweise habe ich erst Einmachgläser an Faden an den Lattenrost meines Hochbettes geknotet und Kerzen hineingestellt. So eine Beleuchtung ist wirklich was unglaublich schönes. Aber ich weiß nicht. Vielleicht wird das noch. Vielleicht schaff ich es auch, endlich wieder regelmäßiger meine Gedanken hier zu entleeren und darüber zu schreiben, wie stolz ich eigentlich bin auf mich, dass ich mir letzte Woche eine Tafel Schokolade gekauft habe. Ganz alleine, ohne Anstoß oder so. Ich hatte nämlich wahnsinnigen Heißhunger und nichts, um ihn zu befriedigen, deswegen hab ich halt sehr viel von irgendwas gegessen und wenn das wieder passieren sollte, bin ich vorbereitet. Es ist eher ein Riegel und rosa verpackt. Natürlich fair und bio und vegan und ohne Zucker sondern mit Kokoszucker und rohem Kakao und Goji-Beeren. Aber trotzdem. Ich bin vorbereitet! 


Und, ist sie zu entdecken zwischen all dem Chaos? Und ja. Ich habe mir eine ganze Kanne Kaffee gemacht. Die trink ich auch. :)


Außerdem gibt es noch so viel Bandtechnisches zu erzählen. Die nächsten drei Wochen spielen wir jedes Wochenende in einem anderen Bundesland, angefangen mit Wien. Und wir verkaufen Hauben und Kassetten und proben ganz viel und regelmäßig.
Und eigentlich weiß ich gar nicht, worauf ich mit diesem Eintrag eigentlich wollte. Ich wollte nur loswerden. Was auch immer. Vielleicht kommt auch irgendwann einmal ein sinnvoller Post. Ich hab in meinen Kopf eh eine ganze Liste voller Ideen, die ich gerne verfassen möchte. Aber gerade war es mir ein Anliegen, einfach drauf los zu schreiben. Ein bisschen Luft aus dem Kopf lassen und mich über mein Studium und über meinen letzten Einkauf freuen. 

Samstag, 4. Oktober 2014

Das Leben ist doch eigentlich auch nur Theater.

Ich bin immer anders. Wenn ich in der Früh aufstehe bin ich so. Nach der morgendlichen Routine, dem ganzen Zähneputzen und Schminken und Duschen und Morgen-Work-Out, bin ich eine Andere. Ich schaue dann auch nicht mehr so aus wie vorher. Bilde ich mir zumindest ein. Dann sage ich "Hallo" und "Guten Morgen" zu meinem Mitbewohner und verändere mich schon wieder. Dauernd. Auf der Straße. Mit meinen Mitstudierenden. Mit den Menschen, die vor einer gefühlten Ewigkeit mit mir die Institution Schule überlebt haben. Ich sage bestimmte Sätze nicht in Gegenwart von bestimmten Leuten. Ich winke meinem Nachbarn von gegenüber, der schon wieder im Fenster sitzt und raucht. Ich habe keine Vorhänge und schäme mich nicht. Und schon wieder anders. Ein anderes Gefühl - wo sitzt das Zentrum, wo fühle ich gerade am meisten? Das ändert sich in konstantem Maße. Immer anders. Wenn ich spazieren gehe. Nach dem Schlagzeugspielen. Während einer Diskussion über Ernst Ludwig Kirchner und die Künstlergruppe Brücke. Wenn ich auf der Bühne stehe.

Ich stehe immer auf der Bühne.

Gerade schlägt es wieder zu und ich habe ein schlechtes Gewissen und fühle mich schrecklich. Vielleicht ist das jetzt zu schlimm oder salopp formuliert. Übertrieben wahrscheinlich. Aber es werkt in mir drin. Und irgendwie muss es das doch auch.
Wie schaut das Innenleben von dir aus?
Kann es denn wirklich sein, dass es Leute gibt, die ganz im Reinen sind mit sich selbst. Bei denen sich die Persönlichkeit nie ein wenig spaltet? Ich glaube das eigentlich nicht. Das kann ich nicht glauben. Und irgendwie - es würde so vieles einschränken, so viele wichtige Facetten verleugnen, wegstreichen. Nicht zulassen. Wenn du mit mir redest, bewegst du dich so. In einer ganz bestimmten Art. Ganz anders als sonst. Da sprichst du diese Themen an und lässt andere Gedankenfetzen im Hinterkopf verschwinden, sparst dir bestimmte Wörter und machst überschwängliche Gesten. Dann gehst du. Zur nächsten Person und nimmst die eine Maske ab. Nächste Maske. Wieder jemand anderes. Du wechselst dein Gegenüber und wechselst das Gesicht. Als würdest du den Radiosender umstellen und für andere Hintergrundmusik sorgen. Im Vordergrund bleibt etwas anderes. Eigentlich ist alles anders, durch die ganz leisen Töne, die da durch die Wohnung schallen und dich in eine ganz bestimmte Stimmung bringen. Vielleicht nimmst du es auch nicht wahr. Vielleicht hat auch bloß die Sendung geändert. Von Indie auf House.

Und außerdem gibt es da bestimmte Rollen. Manche liegen dir und mir mehr. Mit manchen kommt man noch so ganz zurecht und müht sich ab. Oder? Und die Rollen, die ich mittlerweile schon gut kann - an denen sollte ich mich erfreuen, die möchte ich ausleben und auskosten und weiter perfektionieren. Die anderen übe ich noch. Immer weiter. Auch mit mir selbst. Im Endeffekt spiele ich mir selbst doch auch bloß etwas vor. Wenn ich aufstehe und mir denke, ich finds eigentlich extrem toll, viel Zeit zu haben in der Früh. Wenn ich spät schlafen gehe und mir denke, eigentlich lese ich doch so gerne. Vielleicht über ich noch an anderen Themen. Das Schlafen kann ich zumindest schon. Wobei, eventuell ist das sogar das einzige Stadium, in dem man nicht allzu viel spielt. Aber das kann ich nicht genau sagen. An meine Träume kann ich mich nämlich so gut wie nie erinnern.

Auf den Grundgedanken für diese Überlegungen hat mich erst eine Freundin gebracht, mit der ich heute schreckliche und zum Tränen rührende Fotografien im Westlicht angeschaut habe und ganz viel philosophiert. Machen das Hirsche eigentlich auch? Sitzen die dann in der Nacht im Wald und denken über ihr Leben und den Sinn dahinter nach? Und eben diese Freundin hat irgendwann - ziemlich unvermittelt - gemeint, dass leben doch bloß Theater spielen ist.

Wir bewegen uns ja immer, bleiben fast nie stehen. Weiter nach vorne und neue Erfahrungen machen, Erinnerungen schaffen. Aber wo bleibt man selbst? Ich drehe mich um und schaue in eine andere Richtung. Ich höre Aussagen anders. Nehme unterschiedliche Dinge wahr und streiche alles vorher geschriebene wieder durch. Ich mache eine ganz bestimmte Bewegung nicht. Ich bin tausend in einer und weiß nicht, wo ich anfangen soll. An sich selbst arbeiten. Solch eine Arbeit soll ja nie aufhören, soll ja immer weiter gehen.

Das Leben ist facettenreich. Es ist auch nicht gleichzeitig hell und dunkel, obwohl man von beiden Zuständen gute Dinge sagen könnte und obwohl es schön sein kann, unter der Sonne zu liegen, genauso, wie durch die Nacht zu tanzen.

Ich verliere den Faden und fange von null an und wirke konfus. Sogar schon auf mich. Später werde ich wieder konsequent sein und zielstrebig. Aber jetzt bin ich das nicht. Das bin nur manchmal wirklich ich. Wenn ich von einem "Ich" überhaupt reden kann. Außerdem verändert sich unsere Zellstruktur doch sowieso die ganze Zeit - alle sieben Jahre haben wir also komplett neue Zellen. Nichts bleibt beim Alten. Und während die eine Hautzelle, die, die am Oberarm sitzt, abstirbt, wechsle ich meine Maske und ändere den Blick.