Donnerstag, 25. Dezember 2014

Schlechte Laune

Ein paar Gedanken über mich nach dem Weihnachtschaos.

Heute bin ich wirklich nicht gut drauf. Woran das liegt? Vielleicht daran, dass ich heute noch gar nichts gegessen und ich mich gestern vollgestopft habe? Komisches Essverhalten halt, das irgendwie nicht in den Griff zu kriegen ist, so scheint mir manchmal. Und deswegen bin ich sauer. Und wütend. Und alles ist grau. Genau. Das lasse ich jetzt aus, auf meine Mitmenschen und in erster Linie auf die Familie, die mich momentan umgibt.

Das muss ganz schrecklich sein.

Die letzten eineinhalb Jahre war ich immer sooft nicht gut drauf. War zickig und unzufrieden, hab gemotzt und konnte nicht umgehen mit irgendwelchen Aussagen. Und das bekommt man als außenstehende Person wahrscheinlich nicht ganz so mit, wie eben die Menschen, die halt am nächsten sind. Ergo: Mutter, Vater, Schwester, Hund. Genau die, die am meisten unter allen leiden mussten, gleichzeitig auch die größte Unterstützung waren. Und wie hab ich gedankt? Indem ich Türen zugehauen und schnippische Antworten von mir gegeben habe.

Ja. Genau. Und woran liegt das jetzt bitte?

Darüber muss ich mir heute besonders Gedanken machen, neben den besten Abnimmtipps natürlich und während ich in alte Muster verfalle.

Da ist man eigentlich doch nur sauer auf sich selbst. Dafür, dass man nicht gemäßigt, dass man nicht richtig erwachsen sein kann. Und dann kommt noch eine kleine Streiterei mit der Schwester hinzu und schon ist die Laune im sooft beschriebenen Keller. Da fällt es auch irgendwo schwer, zu filtern, was jetzt nett, neutral oder eben nicht nett gemeint war. Alles kommt so vor, als gäbe es irgendeine böse Absicht dahinter. Und okay, früher, da hatte ich eine noch dünnere Haut. Habe nichts ausgehalten, weil, naja, nunmal keine Reserven da gewesen sind. Doch eigentlich sollte sich das doch jetzt geändert haben. Tja. Ich als hochemotionaler Mensch bin wohl schwer zu verstehen. Aber mir ist vorhin eben klar geworden, dass das natürlich - na no na ned - alles an mir liegt. Bin ich gut drauf, dann passt auch alles. Bin ichs nicht, tja, dann haben meine Mitmenschen kein leichtes Spiel im Umgang mit mir.

Man sollte gelassener sein.

Ja. Eh. Sowieso. Immer und eigentlich wärs doch eh so leicht.

Aber das geht für mich - momentan noch - nicht. Mit jeden Blick in den Spiegel steigt die Wut - eben auch auf meine Mutter, die auf einmal anfängt, von Chai zu reden. Ich mein, was soll das? Kann sie nicht einfach Kaffee trinken mit mir?

Und wohin will ich schon wieder hinaus?

Ich will nicht immer böse sein müssen, auf die Schwester, die halt sieben Kilo weniger wiegt als ich und wahrscheinlich täglich nur die Hälfte der Nahrungsmittel, die ich in mich reinstopfe, zu sich nimmt. Ich will nicht schlecht drauf sein, einfach, weil ichs nicht zambring, Frühstück zu essen. Und eigentlich möchte ich lachen. Über mich. Über meine zittrigen Hände, über meine Stimmungsschwankungen. Eben. Alles lockerer sehen. Gelassener sein. Aber wieso reitet man sich überhaupt in einen solchen Teufelskreis? Weil man Perfektionistin ist, wie ich, zum Beispiel, weil das gelassen sein einfach nicht so ganz optimal funktioniert. Weil die Sonne untergeht und alles komisch ist.

Und weil man das so will.

Ja, ich möchte mich nicht dauernd meiner eigenen Verantwortung entziehen. Ich denke ja bewusst daran, wieder nichts essen zu wollen. Ich bin ja irgendwie auch bewusst schlecht drauf, möchte nicht über meinen eigenen Schatten springen und die Wut, die zum kochen beginnt, unterdrücken. Man kann sich sehr wohl auch ein wenig selbst steuern, denke ich.
Aber trotzdem bleibt die Frage offen, wohin.

Dienstag, 23. Dezember 2014

Stadt-Land Gefälle

Ich sitze jetzt wieder in der Küche. Im Dorf. Im Waldviertel. Über hundert Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Höre FM4 und bin gerade sehr, sehr froh, dem Großstadtchaos entronnen und wieder mitten im Kleinfamilienwahnsinn zu sein. Ich gehe spazieren, über richtige Erde, neben entstandenen Bächen, durch das Laub der Bäume fallen ein paar Sonnenstrahlen. Die Tage sind so kurz, dass man schon um fünf Uhr am Nachmittag müde wird, weil die Sonne einfach nicht mehr da ist, um Energie zu spenden. Ich mache mir Gedanken. Gedanken über meinen jetzigen, über meinen alten Alltag. Gedanken für die Stadt. Gedanken übers Land.




Ich lebe in der Stadt. Bin am Land zu Hause. Studiere dort. Spaziere da. Und wie könnte ein und dasselbe Land denn unterschiedlicher sein, als bei der Betrachtung vom hintersten Eck Niederösterreichs und Wien? Da gibt es einmal die ganz offensichtlichen Faktoren, die das Gefälle bestimmen. In der Stadt gibt es mehr Menschen auf weniger Raum. Am Land findet sich schwer ein guter, für die Qualifikationen passender Arbeitsplatz. Dort finden wir auch weniger Einkommen. Und mehr Ausländer*innenfeindlichkeit, während prozentuell gesehen in der Stadt mehr aus anderen Ländern kommenden Menschen leben. Wir haben dort ein großen kulturelles Angebot, im Waldviertel wachsen Kartoffeln. Und irgendwie sind sie dort alle weltoffener, wie mir vorkommt.




Die Blumen sind natürlicher. Die Blätter bleiben liegen. Alle grüßen, alle kennen sich. Steht ein Auto vorm einzigen Wettbüro weit und breit weiß jede Person, wer nicht spielsüchtig ist. Man kann die Äpfel von den Bäumen pflücken. Die Kindheit im Wald verbringen. Verlassene Lichtungen entdecken. Waldkreaturen begegnen. Die Zivilisation ist ganz leicht hinter sich gelassen. Abkapselung. Man vereinsamt ganz schnell. Es gibt nur ein Kino, und das ist fünfzig Kilometer weit entfernt. Die Kühe vom Nachbarn wecken dich auf. Schwul ist ein Schimpfwort.

Sonnenuntergänge hier, durchtanzte Nächte dort. Sommerregen gegen kritische Museen. Umgestürzte Bäume gegen geräumte Häuser. Hühner überall gegen eingesperrte Katzen. Ausgedehnte Spaziergänge gegen U-Bahnen. Depressionen gegen Überforderung. Naivität neben unglaublicher Individualität. Derselbe Landeshauptmann gegen Begegnungszonen. Schlechter Handyempfang gegen Omnipräsenz der technischen Welt. Familie hier, Freunde dort. Aufgelassene Eislaufplätze und Sportkurse um 26 Euro im Semester. Und die soziale Selektion trifft dich überall.


Jeden Tag ist eine andere Demonstration. In der Straßenbahn lachen dich viel jüngere Burschen an, oder aus. Möglichkeiten gibt es ohne Ende. Niemand kennt sich. Niemand schaut dich an. Einmal um die Ecke biegen und im Lieblingscafe die Freundinnen treffen. Jeden Abend eine andere Veranstaltung. Der Kaffeekonsum wird angestachelt. Die Ausstellung ist immer noch nicht besucht. So viel Auswahl, so viel zu tun. So viele diverse Menschen treffen aufeinander. So viel kann gelernt werden. Universitäten gibt es beinahe nur hier. Alte Häuser aus Otto Wagners und Adolf Loos' Zeit. Alle besonders schick angezogen. Die Männer gehen Hand in Hand miteinander. Die Rosa Lila Villa ist gleich die Straße entlang. Neue Plätze, neue Kaffeehäuser gibt es zu entdecken. Der Bedarf kann nie gedeckt sein.

Während ich hier Diskussionen über Konsum und Überproduktion führe, versuche ich dort jede Konversation von Themen wie meiner politischen Meinung oder gar meiner Entscheidung, kein Fleisch zu verzehren, abzulenken. Dort stößt man auf Unverständnis, wenn man auf das -in beharrt. Hier ist es oft klar, dass es wichtig ist, dass sogar das Mobiltelefon fair produziert wird. Dort macht es meistens weniger aus, wenn man mal nicht aufgestyled aus dem Haus geht, beim Müllrunterbringen hier traue ich mich das nicht. Es ist alles so entschleunigt und hier bleibe ich oft zu Hause, weil mich die Auswahl überfordert. Man freut sich auf eine bestimmte Veranstaltung dort, hier ist jeden Abend was Neues los. Barfuß durch den Wald laufen gegen veganes Eis um jeder Ecke. Alles muss organisiert, ausgemacht werden, alles ist dreimal fixer, ohne Spontaneität kommst du hier nicht viel weiter. Radio Niederösterreich dröhnt aus jedem Lautsprecher, Helene Fischer lässt zum vierten Mal in den letzten zwei Stunden grüßen, gegen einen wunderbaren CD-Laden neben dem anderen. Essengehen für sechs Euro. Kein Eintritt unter sieben. Während man dort alle kennt, weil es einfach nicht so viele Menschen zu kennen gibt, kennt man hier alle, weil man immer in der Szene unterwegs ist.






Ich habe ein ambivalentes Verhältnis zum Dorf. Heute liebe ich es sehr. Heute liebe ich es, dass ich einfach so das Haus unabgesperrt verlassen kann, um im Wald Fotos schießen gehen zu können. Heute bin ich begeistert von der kleinen Stadt, in der ich auch in die Schule gegangen bin, vom chinesischen Essen und dem Café ohne Sojamilch. Die Sonne schien so schön und ich war in bester Begleitung. Heute liebte ich die Ruhe, das alleinsein. Auch, wenn in der Stadt mein Zimmer ist, das ich genauso zu machen kann, so richtig alleine und ungestört fühlt man sich nie. Hier macht man so viel, weil es nicht die Möglichkeiten gibt, sich großartig ablenken zu lassen, das Instagram-Feed ist eben doch sehr schnell durchgescrollt.
Am Wochenende war ich gar nicht mehr begeistert von der Hauptstadt. Da kam mir alles zu voll, zu alleine vor. Das war aber ein anderes alleine. Ein unfreiwilliges, komisches. Ein einsam-alleine. Und obwohl es die schönen Zeiten, am Eislaufplatz, im Museum, gegeben hat, im Großen und Ganzen war ich unzufrieden und hab mich selbst nicht mehr ausgehalten. Hab immer dieselben Wege und Fassaden gesehen und musste raus. Mich ein bisschen abschotten.

Vor zwei Wochen liebte ich meine Wohnung. Liebte ich meine Mitmenschen. Das Kaffee vom Sascha gleich beim Margaretenplatz mit dem Noah drin. Die durchgemachten Nächte waren alle egal, die Energie unbegrenzt. Was mach ich morgen? Was mach ich heute noch? Ich will alles auskosten und alles ausprobieren. Die Universität hielt so Vieles bereit für mich, Physik-Vorlesung und Zellbiologie-Labor. Alle lieben Leute an einem Fleck, und dann alle bei mir zu Hause. Nächte durchtanzen. Nicht auf irgendwelche Rauschmittel angewiesen sein, weil ich soundso überdreht bin. Und die Kunst kommt nirgends zu kurz. Man kann nicht nur der eigenen Kreativität freien Lauf lassen was Kleidung und Kombination betrifft, auch ein Schritt aus der Haustür konfrontiert dich mit Jugendstil und Moderne und Gotik und Historismus. Sogar die Plakate, die überall kleben, sind schon Kunstwerke in meinen Augen. Ich habe Harfe gespielt und war nie allein.

Und so schnell kann das umschlagen. So schnell kann man das eine vermissen und das andere hassen. Sooft bin ich in der Früh aufgewacht und das erste, an das ich denken konnte, war, dass ich so glücklich bin. So glücklich, endlich dem Land entronnen zu sein. Und jetzt wache ich in meinem alten Zimmer, das nicht mehr viel von meinem alten Zimmer durchschimmern lässt, außer dem Schild mit "riots not diets" drauf, auf, nachdem ich die letzte dreiviertel Stunde meinen Wecker gekonnt ignorieren konnte, und strahlte der durch das Küchenfenster scheinenden Sonne entgegen. Einmal ist man hier besonders produktiv. Und plötzlich funktioniert etwas nicht mehr. Man ist voll. Voll von immer wechselnden Eindrücken.

Da muss ein Rückzugsort gefunden werden.

Und, so sehr ich auch wirklich, wirklich froh bin, meine Wohnung, mein Bett in Wien stehen zu haben, so froh bin ich auch um die Tatsache, meinen Neffen vom Kindergarten abholen zu können und mit ihm einen Nachmittag lang Nudeln mit Ketchup zu essen, Frosch zu spielen, fliegen zu lernen und Raupen und Lilis mit unglaublich großem Kopf zu zeichnen. Das ist signifikant für mich. Das ist ausschlaggebend. Und das habe ich erst jetzt realisiert. Seit August war ich nicht mehr wirklich im kleinen Dorf in der Nähe von Tschechien gewesen. Es gab immer etwas zu tun. Zu erleben. Zu entdecken. Aber Abkapseln ist oft die beste Lösung. Beleuchtet alles mit einer anderen Lichtintensität. Prioritäten werden umgeschlichtet.






Die Schatten fallen hier anders. Die Menschen lachen viel mehr. Dort gibt es praktisch keine Infrastruktur. Dort ist alles im Überfluss enthalten. Die Notizbuchseiten werden vollgeschrieben. Dort bleibt es liegen. Keine Zeit für das hier. Keine Zeit für das andere dort. Die Töpfe sind hier größer. Hier steht der Zucker am Tisch und die Bücher im Regal.
Und gerade riecht es nach getrockneten Orangenschalen.

Samstag, 20. Dezember 2014

Was mich momentan fertig macht

Ich sehe so viele Menschen jeden Tag.
So viele unterschiedliche, so viele interessante. Alle sind sie ganz anders.

Und mir wird immer mehr bewusst, wie sehr ich ihnen allen in gewisser Weise hinten nach bin.
Ich entdecke so Vieles von diesen Individuen. Da gibt es zum Beispiel das Mädchen, das mit mir studiert, aber erst 16 ist. Hat einfach zwei Klassen übersprungen. Super intelligent natürlich. Und super schön. Und super lieb. Am Rande halt auch noch.
Dann gibt es den Einen, der einfach unglaublich geschickt ist, jeden Sport wahnsinnig gut beherrscht, beim Eislaufen ohne Probleme rückwärts fährt und Pirouetten dreht.
Oh und sie nicht vergessen, verfasst Schriftstücke, die einfach nur wunderbar sind, wird veröffentlicht, hält Lesungen und nebenbei ist sie super kreativ, kann Kleider nähen, verkauft von ihr selbst gemalte Bilder, macht Linolschnitte und kleine Bücher, die ich ihr sofort abkaufen würde.
Und dann haben wir noch ein Mädchen, die sowieso so einiges beherrscht und dann auch noch perfekte Fotos schießt.
Die, die wunderschön tanzt. Ihn, der so gut Musik machen kann. Den, der einfach nur wahnsinnig viel weiß. Das Mädchen, das von allen gemocht wird, unheimlich kommunikativ ist, super sozial eben, immer unterwegs. Das Mädchen, das sich so gut auskennt in der Weltgeschichte, jeden Tag Zeitung liest, überall mitdiskutieren kann. Ihn, der so gut ist mit Computern. Sie, die fünf verschiedene Sprachen spricht.

Und dann gibt es mich.

Ja, was kann ich?

Abgesehen von schlechten Reimen bin ich gerade schrecklich planlos.
Früher war das irgendwie ein bisschen einfacher. Da gabs die Schule. Da war ich gut. Mittlerweile hat die Universität die Schule abgeklatscht und ich bange immer noch aufgrund eines noch immer nicht veröffentlichten Ergebnis der letzten Prüfung. Ich male mir schon Notfallpläne aus, weil ich das Studium wahrscheinlich sowieso nicht schaffen werde. Irgendwie doch zu dumm oder so.

Ja, und dann gibt es die tausend Dinge, die angefangen in der Ecke lehnen.

Nirgends bin ich ausgezeichnet. Ich kann alles ein bisschen, aber nichts so richtig. Und ich weiß einfach nicht, wie ich mit dem Wissen gerade umgehen soll. Das beschäftigt mich so sehr momentan. Und es tut mir gleichzeitig so, so leid. Ich meine, natürlich freue ich mich unglaublich, wenn ich Talente oder tolle Fähigkeiten an Leuten entdecke, ich finde es immer wieder schön, zu sehen, was andere so drauf haben - ist ja sehr fein für sie. Aber im nächsten Moment muss ich wieder Vergleiche aufstellen. Jedes Mal. Und die Bilanz ist leider immer schlecht.

Ich mach vielleicht einfach doch zu viel, kommt mir dann manchmal vor. Aber irgendwie auch nicht. Weil es dann immer diese Menschen gibt, die gleich noch drei Sachen mehr als ich machen und trotzdem in allem brillieren. Ich kann mich nicht mal gescheid ausdrücken. So viel Zeit wird verschwendet bei mir. In so viel Unnötiges so viel Energie gesteckt. Und dann zerbreche ich mir ewig den Kopf darüber, wie viel ich schon wieder in mich reingestopft habe. Die Zeit könnte so viel optimaler genutzt werden.

Und was mach ich?
Ich weiß es nicht.

Ich sollte viel mehr Schlagzeug spielen. Viel mehr auf meiner Harfe zupfen. Mehr lesen. Mehr schreiben. Ich sollte öfter Fotos schießen und viel mehr lernen. Ich sollte wesentlich mehr Sport machen. Und dann schaff ich nicht mal diese blöde 30 Day Ab Challenge, weil meine Haut so blöd ist und jetzt beschlossen hat, am ganzen Rücken aufzureißen. Und überhaupt. Ich sollte viel, viel mehr. Und weniger essen.
In der Theorie bin ich mir dessen doch eh so sehr bewusst. Aber das mit dem Umsetzen hapert noch so. Vielleicht muss ich mich mit weniger Menschen treffen und so mehr Zeit haben fürs Harfe üben. Vielleicht auch auf gewisse Gebiete spezialisieren und nicht alles machen wollen.

Ich will doch so viel aus diesem Leben raus holen. Ich will doch toll sein. Und natürlich hätte ich gerne Erfolg. Aber irgendwie, ich bin selbst nicht so ganz zufrieden mit dem ganzen. Und dann schaff ich es meistens einfach auch nicht, ein passendes Ende zu finden für meine Einträge. Gerade tue ich mir wirklich schwer, mit meiner Unfähigkeit zurecht zu kommen. Und dann sitze ich bei der nächsten Prüfung und könnte mich selbst schlagen. Und dann sitze ich im Zug neben einer Freundin, die mir Texte vorliest von ihr und pack es nicht, wie schön sie die nicht verfasst hat, und pack es weiters nicht, wie wenig Schönes ich schreiben kann. Und dann stehe ich neben zweien, die eine mit der Kamera, die andere vor einer Wand, die von einem Beamer mit immer wechselnden Bildern bestrahlt wird, und das Ergebnis ist ein Wahnsinn. Und dann denk ich dran, dass ich irgendwann mal gut war im Laufen. Und dann sind mir meine Knie dazwischen gekommen.

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Es geht ganz leicht

Ganz leicht gehen. Barfuß, den Waldweg entlang. Die Mathebeispiele lösen, von der Freundin in der Klasse unter dir. Reime auswendig lernen, fürs Konzert später. Listen aufhängen und Dinge abhaken. Eigentlich auch sich überwinden, doch aufzustehen. Doch das Bad putzen. Zeit verstreichen lassen, die doch so wichtig wäre. Angst haben, vor der Zukunft und überhaupt. Sich Dinge von anderen abschauen. Keine Gedanken machen, über Sachen wie Fußball oder Weltgeschehen. Einfach wegschauen, wenn neben dir ein Feuerwerk losgeht. Für die Planung der Feier mehr Zeit aufwenden als für das Lernen für die Prüfung, die dann eigentlich gefeiert werden sollte. Termine übersehen, die vielleicht nicht so unwichtig waren, vielleicht aber auch schon. Stellen in einem Text markieren, eventuell könnte das ja nützlich sein. Sich selbst schlecht und gleichzeitig runter machen. Spiegel abhängen und doch immer hinein schauen. Den Sonnenuntergang verpassen. Pläne schmieden, die dann ja doch nie eingehalten werden. Sich freuen, über kleine Dinge, Schnee neben den Gleisen zum Beispiel. Verwundert sein, über manche Aussagen. Sich schwer tun, neben bestimmten Menschen zu stehen. Zu viel Platz einnehmen oder zu wenig. Nicht auf sich selbst achten, alles schleifen lassen. Radfahren, nachdem man es als Kind sowieso schon beigebracht bekommen hatte. Einfach weiter über sich reden, nicht zuhören. Geschenke einwickeln, das Überlegen dazu ging vielleicht nicht so einfach. Redoxreaktionen ausgleichen, nachdem der Algorithmus dazu verinnerlicht worden war. Menschen betrachten, sich selbst deswegen weniger schätzen. Immer Vergleiche machen. Mit der Schwester streiten, über unwesentliche Dinge. Fremde in der U-Bahn ansprechen, man muss es sich nur vorgenommen haben. Zu viel vornehmen und dann gestresst sein. Selbstmitleid haben und nicht davon wegkommen wollen. Geld ausgeben, für die tolle Tasche. Einen ganzen Tag nur Kaffee trinken, weil der Kopf noch nicht so richtig funktioniert. Spontan Treffen absagen. Immer Neues beginnen und nichts fertig machen. Kritik zu ernst nehmen, unreflektiert hinnehmen. Geschwollene Sätze formulieren, die eigentlich schön hätten sein sollen. Auf Mails nicht antworten. Mit neuen Schuhen laufen. In alte Muster zurückfallen, dadurch auf der Stelle treten. Ganz viel wollen, das dann sowieso nicht erreicht wird. Dinge verschweigen. Türen einfach offen lassen, sich nicht verabschieden. Alleine seien und sich keine Hilfe holen. Nicht einsehen, dass etwas schief läuft. Die Mitmenschen um einer ignorieren. Die Augen fallen zu.

Samstag, 13. Dezember 2014

Beobachten aus dem Alltag oder: Was ich mir gerade denke

Das schlechte Gewissen, das ich nach dem Essen habe, das mag einfach nicht weg gehen. Manchmal ist es auszuhalten, da kann ich es verdrängen, in die Ecke stellen, überspielen. Meistens aber esse ich solche Unmengen und bin danach richtig sauer auf mich selbst. Ich schaff einfach den Mittelweg nicht. Entweder nichts oder zu viel. So schaut es aus. Oder so kommt es mir zumindest vor. Und das ist gerade das, was mich momentan besonders beschäftigt.

Meine Unfähigkeit, normal zu sein, was auch immer das jetzt auch sein mag.


Genau. Normal. Aber was ist das bitte schon wieder?

Momentan kommt es mir vor, als hätte sowieso niemand ein normales, ein gutes Essverhalten. Wenn ich so an mein Umfeld denke, würde mir niemand einfallen, der oder die sich gesund, aber nicht übertrieben gesund, nicht einseitig, konsequent, nicht zu viel aber auch nicht zu wenig ernähren.
Da gibt es die einen, die den ganzen Tag nichts zu sich nehmen, weil sie in der Nationalbibliothek sitzen. Die nicht dran denken und dem Körper die Energie nicht zuführen, einfach aus dem Grund, dass sie ihm nicht zuhören, nicht hinhören. Sie vergessen auf das Tanken.
Als nächstes muss ich an Menschen denken, die so gut wie kein Gemüse oder Obst zu sich nehmen, die von Fertiggerichten, von Schnitzelsemmeln leben. Nie frisch kochen. Leute, die nicht einkaufen gehen und dann den ganzen Tag Tee trinken müssen, weil sie einfach nichts daheim haben.
Dann gibt es die, die dauernd darüber reden. Die sich zwar vielleicht auch gesund ernähren, aber bei denen ich immer an mein eigenes Denkverhalten erinnert werde. Bei denen bin ich mir nie sicher. Ich mein, man darf sich ja über Essen Gedanken machen. Das ist auch sicher gut so. Man tankt ja Energie, man braucht ja Nahrung, und das sollte doch überwiegend die "Richtige" sein. Aber immerzu über irgendwelche Lebensmittel philosophieren, vom Letzten irgendwas schwärmen. Das ist nicht nur triggernd für mich, das nimmt ja dann auch die Selbstverständlichkeit von Nahrung, von Ernährung weg. Gut, aber bis zu welchem Grad ist - bei uns, sehr wohl gemerkt, ich weiß ja, dass ich das ganz bestimmt nicht global sehen darf - Selbstverständlichkeit beim Essen geboten?
Dann fallen mir noch Menschen ein, die zu wenig essen. Ganz zierlich sind und nicht einmal ein ganzes Weckerl verdrücken. Dauernd krank. Schwach und blass.
Und die, die immer in den Spiegel schauen. Das hat vielleicht nicht gleich was mit Essen zu tun, aber eigentlich auch. Ich kenn so viele, die mit ihrem Körper nicht zufrieden ist und Nahrung ist da einfach ein gutes Ventil. Man hat ein schlechtes Gewissen, weil das Tortenstück wirklich nicht mehr hätte sein müssen.
Außerdem kenne ich Leute, die so penibel gesund sind, kein Zucker, kein Soja oder was auch immer gerade verteufelt wird. Kaffee sowieso nicht. Die vom Essen, das vielleicht nicht gerade Bio-zertifiziert ist, als Gift sprechen. Da kommt es mir dann immer so vor, als würde die ganze Freude von Nahrung weggenommen werden.
Oh, und bitte nicht all die lustigen Menschen im Internet vergessen. Ich war in ein paar Gruppen, die um Veganismus handeln. Das war ich aber wirklich nicht lange. Nach dem dritten Post, der irgendwie in Beschimpfungen und Anschuldigungen entartet ist, bin ich reihenweise wieder ausgetreten.

Und dann gibt es Leute wie mich. Die irgendwo alles in einem sind. Streng mit sich selbst. Kein Süßkram. Kein dies. Kein das. Die einen Tag lang nur von Tee leben, aber nicht, weil sie darauf vergessen, nein wirklich nicht. Einfach, weil der bessere Ausweg noch nicht gefunden worden ist. Die die Spiegel am Liebsten zerkratzen würden. Die dann aber doch in sich reinstopfen. Und noch eine Schale Müsli. Mal sind sie stolz drauf, mal könnten sie danach in Tränen ausbrechen. Die ihren Körper so gar nicht kennen. Wie viel ist jetzt gut, wie viel brauch ich jetzt?

Also. Wer hat jetzt ein gutes Essverhalten? Oder wer hat das Bessere?

Irgendwo gibt es mir auch ein wenig Halt, dass so Viele nicht so perfekt damit klarkommen, sich selbst zu ernähren. Auch, wenn das jetzt eventuell gemein klingt. Natürlich wünsche ich niemanden, irgendwie Probleme in die Richtung zu haben, wirklich nicht. Aber es befreit ein wenig von dem Druck, doch endlich, endlich wieder normal sein zu können. Weil das sowieso niemand ist. Weil sowieso alle irgendwie nicht wissen, was sie tun sollen. Und zu wenig essen ist genauso ungesund, wie zu viel. Und was ist überhaupt gesund? Und was zu viel? Brauch ich jetzt viel an Essen oder nicht? An was soll ich mich richten? Wer darf mein Maßstab sein?

Ich versuche zumindest, gesund zu sein. Regelmäßig essen. Ich weiß, das ist wichtig. Auch wenn ich mir oft mal denke, heute sollte ich mal wieder das Abendessen weglassen. Oder gleich beim Frühstück mit dem Kaloriensparen anfangen. Es wär doch so einfach, jemanden zu haben, der dir deine Portionen hinträgt, die genau sagt, was du in welchem individuellen Moment brauchst. Aber das spielts halt leider nicht. Und ich muss mich in die Reihe der missglückten Essverhalten einordnen.

Dienstag, 9. Dezember 2014

leere Tassen

Im Kaffeehaus sitzen. 

Die Zeit genießen. Energie aufnehmen. Ohne Musik aufwachen. Mit Leuten sprechen. Den Himmel betrachten. Verzierten Milchschaum anschauen. Die Minuten verschwenden. Neues ausprobieren. Gläser zerbrechen. Zeitung in die Hand nehmen. Interieur bestaunen. Information austauschen. Die Tasche aufmachen. Fliesen entdecken. Auf bemalten Stühlen sitzen. 


Der Kaffeemaschine zuhören. Geschmäcker unterscheiden. Dem schönen Mädchen mit den kurzen Haaren hinter der Theke verstohlen zusehen. Sich über die Welt wundern. Den Leuten auf der Straße durch das Fenster mit den Augen folgen. Geschichten ausdenken. Die Bücher auspacken. Die nächsten Taten planen. Sich nicht aufraffen können. Aufs Handy starren. Sich beobachtet fühlen. Geräusche wahrnehmen. Einen Schluck nehmen. Den Blick herumwandern lassen. Freundinnen treffen. Eine neue Tasse bestellen. Trinkgeld geben. Minuten verstreichen lassen. Einfach nur sitzen. Über ganz viel nachdenken. Gespräche mit der Frau vom Tisch gegenüber führen. Kultur mitbekommen. Verwundert aus einem Tagtraum aufwachen. Die Türglocke hören. Gerüche bemerken. Wärme tanken. Die Bestellung der Leute am Nebentisch ansehen. Sich mehr Geld wünschen. Am liebsten den ganzen Tag sitzen bleiben wollen. Verpflichtungen vergessen. Durch die Haare fahren. Den letzten Schluck machen. Den Kaffeesatz interpretieren. Über die zukünftigen Taten philosophieren.


Nochmal schnell über eine Bemerkung lachen. Den Kopf in den Nacken legen. Gähnen. Aufstehen. Den Tisch zurecht rücken. Den auf den Boden gefallenen Schal aufheben. Die Jacke vom Ständer holen. Sich warm einpacken. Eigentlich nicht gehen wollen. Noch einmal zurück schauen. Dem Mädchen zu grinsen. Über sie nachdenken. Den Türgriff ergreifen. Drücken anstatt zu ziehen. Plötzlich den kalten Dezemberwind auf den Wangen, dann auf der Nase spüren. Handschuhe überstreifen. Den Geruch vom Kaffee jetzt schon vermissen. Türe schließen. Gehen.

Sonntag, 7. Dezember 2014

Über unerwartete Absagen

Gerade jetzt sitze ich - wie sooft - in der Ubahn und tippe mit ein bisschen eingefrorenen Fingern auf meinem Handy herum. Hätte mich wohl besser noch ein bisschen wärmer anziehen müssen. Das war jetzt einmal geplant. Dass ich heute morgen in der Früh Richtung Hütteldorf düse, nicht, dass mir kalt ist.

Dieses Wochenende war allerdings ganz anders als ursprünglich vorgesehen. Eigentlich waren ganz andere Punkte auf meiner To-Do-Liste und ganz andere Termine in meinem Kalender vermerkt. Aber dann, dann ist so ziemlich alles nicht eingetroffen, was ich mir vorgenommen hatte, auf was ich mich gefreut habe. Ich wollte nach Tirol fahren, wollte Moderatorin spielen, auf einem skandinavischen Weihnachtsmarkt herumstöbern, Improvisationstheater spielen, wollte lange Zugfahrten durchlernen und saugen. Viel daheim sein und alleine. Aber auch die Großeltern am Berg besuchen.

Und was hab ich gemacht?

Ich war tanzen, zu Hip Hop einmal zur Abwechslung, mit lieben Freunden, war Schokomus in der Vorhalle der Nationalbibliothek essen, hab Schlagzeug auf einem richtigen Schlagzeug gespielt und auch Bass ausprobiert, hab Menschen zu mir eingeladen, hab gelernt. Hab Bilder ausgeschnitten und Zitate an die Wände geklebt. Ich war in Wien und sonst nirgends. Und ich musste immer wieder dran denken, wie sehr ich mich allein in der Zeit, die ich jetzt in der Hauptstadt lebe, verändert und gewandelt habe. Nicht nur meine Haare sind jetzt kurz. Auch hat meine Spontaneität zugenommen. Und obwohl es gerade ein wenig schwer war für mich, mit all den Absagen, die ich die letzten Tage bekommen habe, ich tu mir nicht mehr so viel an, wenn die Termine, die rot und grün im Kalender markiert sind, nicht mehr eingehalten werden, wenn ich einen Anruf bekomme, und eine Freundin einfach mal so an meiner Haustür klopft. Vor ein paar Monaten war noch alles ganz genau geregelt. Allein mit meinen Schulzeiten. Fixer Stundenplan, der so ziemlich jeden Tag gleich ausgesehen hat. Zumindest beinahe dieselben Anfangs- und Endzeiten. Jetzt hab ich mal um zwei Unibeginn, am nächsten Tag überhaupt nur eine Übung ab halb sechs. Dann um acht in der Früh physikalische Chemie. Da ist wenig Regelmäßigkeit drin. Und immer steht was anderes am Programm. Natürlich, ich sitze immer noch meistens am Abend da und stelle mir eine mehr oder weniger kleine schlaue Liste, mit allen Erledigungen, die ich im Laufe des nächsten Tages abgehakt haben möchte, zusammen. Aber oft schaff ich nicht alles. Es kommt was dazwischen. Oder mir wird auf facebook ein für mich schon wichtig gewordener Termin abgesagt. Und dann ärgere ich mich schon. Aber ich bin nicht nur spontaner, sondern auch gelassener geworden. Entspannter mit mir. Mit meinen Pflichten. Meinen Bauchübungen. Meinen Mitmenschen. Meinem Aussehen. Und meiner Einhaltung diverser vorgenommener Dinge.

Und trotzdem wirft mich ab und zu so manches aus der Bahn. Da sitze ich dann in der Mathematik-Vorlesung und weiß sowieso nicht, was da vorne gesprochen wird, und bekomme eine Nachricht. Kurz scheint alles zu wackeln und meine Stimmung fällt schlagartig. Das halt ich gar nicht aus. Ich kann mich so gar nicht leiden, wenn ich nicht motiviert, nicht gut gelaunt bin. Dann verhalte ich mich noch komischer und noch anstrengender als sonst. Und dann auf einmal kann ichs nicht mehr steuern. Da wird mein kompletter Wochenendplan umgekrempelt. Ich bin zwar schon einige Schritte voran gegangen, aber manchmal holen mich die alten Muster, die alten Wege doch wieder ein und ich verfalle in gewohnte Abläufe.

Eigentlich hätte ich einen Poetry Slam, eben in der Tiroler Hauptstadt, moderieren sollen. Die Moderationskärtchen, ich hab gelbe gebastelt, waren schon bereit gelegt und die meisten Punkte meiner Liste ausformuliert. Ich wollte noch packen und vielleicht ein Bild zeichnen, für das Mädchen, bei dem ich hätte schlafen können. Und dann macht das Mobiltelefon einen kurzen Pfeifton und ich werde nicht mehr gebraucht.
Und genau in dieses Denken bin ich dann wieder hineingerutscht. Weil besser sind meine darauffolgenden Stunden nicht so ganz geworden. Zumindest, wenn man meine Laune betrachtet. Unenergetisch. Miesepetrisch. Schwer auszuhalten. Und ich weiß auch nicht, ich finde ganz ehrlich, dass man so nicht ganz mit anderen Menschen, mit denen man sich eigentlich schon seit mehreren Wochen bestimmte Dinge ausgemacht hat, umgehen sollte. Ich hätte samstags meine Studieneingangsphase abschließen können. Ich hätte mich dieses Wochenende nicht mit Chemie rumplagen müssen und andere Prüfungen auf spätere Semester verschieben, hätte ich gewusst, dass ich nicht so südlich von der Donau bin. Und natürlich hilft aufregen nichts. Ich bin irgendwo auch ganz froh, dass alles so gekommen ist, wie es halt ist. Das versuche ich eigentlich prinzipiell zu sein. Weil alles ist Erfahrung. Alles führt zu irgendwas anderem. Hat auch einen Grund, hat auch einen Zweck, den man vielleicht auch erst irgendwann finden kann. So habe ich eben andere Prioritäten setzen können, andere Abenteuer erleben. Und vor allem, was ich am meisten an solchen Momentan schätze, ist, dass man dann so viel nachdenkt. Okay, man wird meist durch Nachdenken unglücklich, aber wenn das grau schon mal passiert ist, dann macht das den Puffer nicht noch basischer. Und man vergleicht.

Also ich vergleiche. Ja, das hab ich auch noch nicht ablegen können. Schrecklich. Ich sehe Menschen und beziehe bestimmte Dinge auf mich, mein Können, mein Aussehen, meinen Charakter. Und so vergleiche ich dann halt auch Zeiten. Das kann auch ganz schön sein. Gerade bin ich eben drauf gekommen, dass sich die paar Wochen schon bemerkbar gemacht haben. Und nicht nur auf meinem Bauch. Das ist nämlich das nächste, aber das kann noch warten. Oder mit dem Tagebuch geteilt werden. Allein mein Spontan-Sein, und die Entdeckung desselben zahlen sich aus. Ich kann außerdem weiter feilen. An meiner Gelassenheit. An meiner Toleranz und meiner Menschenfreundlichkeit. Dass ich nicht einen Groll entwickle, nicht allzu nachtragend bin.

Ich bin heute anders als vor zwei Tagen. Habe meine Bedürfnisse geändert und meine Einstellung. Bin gewachsen, leider nicht äußerlich und lerne immer dazu. Bei jedem Rückschlag gleich ein klein wenig mehr. Kommt mir zumindest manchmal so vor. Eigentlich sollte ich schon so prall gefüllt sein mit diesem Wissen. Und ich weiß jetzt, noch mehr als vor ein paar Tagen, dass ich jetzt ein bisschen sparsamer umgehe, was Hilfsbereitschaft in diesem Kontext angeht. Vielleicht hört das Finger-Zeichnen jetzt auch auf. Vielleicht ändert sich die Einstellung zu gewissen Themen ein wenig, vielleicht hab ich in drei Tagen sowieso schon wieder alles vergeben. Und ich bin froh über die Gespräche, die ich führen durfte, weil ich da war, über die Stunden, die ich Zeit hatte, um mit einer Freundin zu lernen und zu musizieren. Wie hätte Tirol dagegen anhalten können?

Dienstag, 2. Dezember 2014

Prüfungen, Stress und persönliche Freiheit

Ich stehe im Bus. Im 40A. Richtung Schottentor. Heimweg. Dort steig ich aus und steig aufs Rad. Dann aber wirklich heim. Durch den Nieselregen und die Kutschen, an den fetten SUVs vorbei, denen man überall im ersten Wiener Gemeindebezirk begegnet. Über Pflastersteine und dann in den Keller. Ich fahr nicht mehr so regelmäßig, dass ich das Rad draußen stehen lassen würde. Da würde es wohl bei dieser Witterung bald zu Staub zerfallen.
Und jetzt stehe ich da, mein Rucksack drückt auf den Oberschenkel von dem Mädchen rechts hinter mir. Nächste Station. Zwei steigen aus. Gefühlte zwanzig dazu. Ob ich überhaupt noch zum Sitzen komme? 

Und ich überlege. 

Ich überlege eigentlich die ganze Zeit. 

Über dies und das. Aber heute schreib ich über meinen inneren Druck, meinen Stress. Ich hab Prüfungen zu machen und Gleichungen zu lernen. Redox-Reaktionen üben. Technisch Zeichnen Programme abgeben. Dort sein. Verschlafen. Ich bin mir gerade nicht so ganz sicher, ob ich mich stressen soll, oder nicht. Einerseits will ich alles hinter mich bringen, will brillieren und alles meistern. Ich will nichts aufschieben und alles aufsaugen. Andererseits möchte ich mit meiner Mitbewohnerin gemeinsam frühstücken. Ins Museum gehen. Schlafen. Ich will schließlich leben. Nicht nur lernen. Obwohl ich das Lernen gerne tu. Aber trotzdem bietet alles, Wien, so viel mehr. Ich möchte Dinge erleben, tanzen gehen, Geld für Unnötiges ausgeben, politische Ziele verfolgen, eine schöne Wohnung haben. Ich will lesen und Dokus über Judith Butler ansehen. Leute treffen. Ins Kaffeemik in der Zollergasse gehen. Sushi mit der Schwester essen. Meine Fähigkeiten verbessern. 

Und dann frag ich mich, wo ich meine Prioritäten setzen möchte.
Es ist alles wichtig. 

Heute in Mathe hat mich A. gefragt, ob ich denn schnell studieren möchte. Ich habe natürlich gesagt, dass ich mich eben nicht stressen möchte. Mein Leben genießen. Leben eben. Aber eigentlich hab ich gewusst, dass das nicht ganz der Wahrheit entspricht. Sicher hab ich den Ehrgeiz, viel zu tun und schnell zu sein und besser und überhaupt. Und immer wieder sag ich mir, dass Noten egal sind. Und wenn ich heute, gegenüber von C. Sulfide fälle, denke ich auch manchmal, die Zeit könnte anders genauso schön gefüllt werden.
Und wenn ich jetzt heim komme, steht der nächste Termin an. Aber als erstes koche ich mir Tee. Und gehe duschen. Das ist mein Geheimrezept für so ziemlich alles. Ein guter Tee. Und eine heiße Dusche. Gut, dass ich im ersten Packerl vom Adventskalender meiner Mutter gleich 24 verschiedene Sorten von Kräutern, Früchten und anderes Buntes entdeckt habe.
Und dann Bandprobe. Danach noch Physik? Und was ist mit Schlaf? Es ist alles so viel. So viel zu machen. So viel zu entscheiden. Und eigentlich wollte ich in den Ferien meiner Freundin in Mathe helfen. Aber ich muss doch selber lernen! Wie soll ich das machen? Krieg ich alles unter einen Hut? Und einkaufen... Ich brauch Sojajoghurt! Heute ist doch -10% im Veganz. Hat der überhaupt noch offen? Dann verschieb ich das duschen auf später. Und Physik lernen. Ja, das kommt auch noch. 

Ich bin hin- und hergerissen. 

Irgendwie möchte ich mich nicht unter Druck setzen. Aber andererseits ist alles so viel. Und Bauchübungen wollte ich heute doch auch noch machen! Es geht gerade wieder viel herum im Kopf. Viel Blödsinn, mit dem ich zu niemandem wirklich gehen kann. Ich muss doch selbst entscheiden, wie es weiter geht. Ich muss mir überlegen, was ich tue. Das kann mir wohl niemand abnehmen. Jetzt ist es so weit. Ich bin anscheinend wirklich alt genug. Muss auf mich selbst achten. Und was ist mit meinem Abendessen? Soll ich das auslassen?

Ich lebe und studiere. Und versuche alles unter eine Hut zu bringen. Unter eine Mütze. Die grüne, mit dem coolen Muster, die ich mir auf dem Buskers Festival gekauft habe, von einem kleinen Label. Ich kann mich jetzt auch entscheiden, ob ich ins Schikaneder gehe, dort ist irgendwas mit der Serie friends. Das speziell muss ich mir nicht anschauen, aber es sind Menschen dort, die ich gerne sehen würde. Oder ich schlage mein Physik-Buch auf. Da hab ich bald eine Prüfung. Und ich weiß auch gar nicht, wann ich welche Prüfung schreiben soll. Das dumme Internet-Portal meiner Universität ist auch genau heute offline. Wie soll ich meine weiteres Wochen planen? Wie soll ich mit der Zeit umgehen? Oh, wie sehr ich meinen Handykalender hasse. Und was ist mit meinen Kameras an der Wand? Die kommen zumindest mit in den Winterferien, mit ins Waldviertel. Dort fahr ich nämlich hin. Für zumindest eineinhalb Wochen. Entspannen. Schlagzeug auf einem richtigen Schlagzeug spielen. Spazieren gehen, wenn es das Wetter denn zulässt. Lernen. Zeit mit dem Neffen verbringen. Leben planen. 

Irgendwie ist es doch immer so. Immer bin ich im Zwiespalt. Will ich dünn oder gesund sein. Will ich leben oder schnell studieren. Will ich das oder das andere. Will ich herumreisen oder Geld haben. Entscheidungen fielen mir irgendwie noch nie so wirklich leicht. Und eigentlich hätte ich den heutigen Advents-Tee trinken sollen. Nicht den von gestern. Ich sehe nämlich gerade, dass es ein Guter Laune-Früchtetee wäre. Okay, Früchtetee ist nicht mein Liebling. Aber Gute Laune kann man immer gebrauchen. Genauso wie gute Musik. Und Gesellschaft. Und ich häng mich jetzt hinter das Mobiltelefon. Leuten schreiben. Lage abchecken. Leben. Studieren kann ich morgen auch noch, und überhaupt, wie produktiv wäre ich heute noch gewesen?