Samstag, 13. Dezember 2014

Beobachten aus dem Alltag oder: Was ich mir gerade denke

Das schlechte Gewissen, das ich nach dem Essen habe, das mag einfach nicht weg gehen. Manchmal ist es auszuhalten, da kann ich es verdrängen, in die Ecke stellen, überspielen. Meistens aber esse ich solche Unmengen und bin danach richtig sauer auf mich selbst. Ich schaff einfach den Mittelweg nicht. Entweder nichts oder zu viel. So schaut es aus. Oder so kommt es mir zumindest vor. Und das ist gerade das, was mich momentan besonders beschäftigt.

Meine Unfähigkeit, normal zu sein, was auch immer das jetzt auch sein mag.


Genau. Normal. Aber was ist das bitte schon wieder?

Momentan kommt es mir vor, als hätte sowieso niemand ein normales, ein gutes Essverhalten. Wenn ich so an mein Umfeld denke, würde mir niemand einfallen, der oder die sich gesund, aber nicht übertrieben gesund, nicht einseitig, konsequent, nicht zu viel aber auch nicht zu wenig ernähren.
Da gibt es die einen, die den ganzen Tag nichts zu sich nehmen, weil sie in der Nationalbibliothek sitzen. Die nicht dran denken und dem Körper die Energie nicht zuführen, einfach aus dem Grund, dass sie ihm nicht zuhören, nicht hinhören. Sie vergessen auf das Tanken.
Als nächstes muss ich an Menschen denken, die so gut wie kein Gemüse oder Obst zu sich nehmen, die von Fertiggerichten, von Schnitzelsemmeln leben. Nie frisch kochen. Leute, die nicht einkaufen gehen und dann den ganzen Tag Tee trinken müssen, weil sie einfach nichts daheim haben.
Dann gibt es die, die dauernd darüber reden. Die sich zwar vielleicht auch gesund ernähren, aber bei denen ich immer an mein eigenes Denkverhalten erinnert werde. Bei denen bin ich mir nie sicher. Ich mein, man darf sich ja über Essen Gedanken machen. Das ist auch sicher gut so. Man tankt ja Energie, man braucht ja Nahrung, und das sollte doch überwiegend die "Richtige" sein. Aber immerzu über irgendwelche Lebensmittel philosophieren, vom Letzten irgendwas schwärmen. Das ist nicht nur triggernd für mich, das nimmt ja dann auch die Selbstverständlichkeit von Nahrung, von Ernährung weg. Gut, aber bis zu welchem Grad ist - bei uns, sehr wohl gemerkt, ich weiß ja, dass ich das ganz bestimmt nicht global sehen darf - Selbstverständlichkeit beim Essen geboten?
Dann fallen mir noch Menschen ein, die zu wenig essen. Ganz zierlich sind und nicht einmal ein ganzes Weckerl verdrücken. Dauernd krank. Schwach und blass.
Und die, die immer in den Spiegel schauen. Das hat vielleicht nicht gleich was mit Essen zu tun, aber eigentlich auch. Ich kenn so viele, die mit ihrem Körper nicht zufrieden ist und Nahrung ist da einfach ein gutes Ventil. Man hat ein schlechtes Gewissen, weil das Tortenstück wirklich nicht mehr hätte sein müssen.
Außerdem kenne ich Leute, die so penibel gesund sind, kein Zucker, kein Soja oder was auch immer gerade verteufelt wird. Kaffee sowieso nicht. Die vom Essen, das vielleicht nicht gerade Bio-zertifiziert ist, als Gift sprechen. Da kommt es mir dann immer so vor, als würde die ganze Freude von Nahrung weggenommen werden.
Oh, und bitte nicht all die lustigen Menschen im Internet vergessen. Ich war in ein paar Gruppen, die um Veganismus handeln. Das war ich aber wirklich nicht lange. Nach dem dritten Post, der irgendwie in Beschimpfungen und Anschuldigungen entartet ist, bin ich reihenweise wieder ausgetreten.

Und dann gibt es Leute wie mich. Die irgendwo alles in einem sind. Streng mit sich selbst. Kein Süßkram. Kein dies. Kein das. Die einen Tag lang nur von Tee leben, aber nicht, weil sie darauf vergessen, nein wirklich nicht. Einfach, weil der bessere Ausweg noch nicht gefunden worden ist. Die die Spiegel am Liebsten zerkratzen würden. Die dann aber doch in sich reinstopfen. Und noch eine Schale Müsli. Mal sind sie stolz drauf, mal könnten sie danach in Tränen ausbrechen. Die ihren Körper so gar nicht kennen. Wie viel ist jetzt gut, wie viel brauch ich jetzt?

Also. Wer hat jetzt ein gutes Essverhalten? Oder wer hat das Bessere?

Irgendwo gibt es mir auch ein wenig Halt, dass so Viele nicht so perfekt damit klarkommen, sich selbst zu ernähren. Auch, wenn das jetzt eventuell gemein klingt. Natürlich wünsche ich niemanden, irgendwie Probleme in die Richtung zu haben, wirklich nicht. Aber es befreit ein wenig von dem Druck, doch endlich, endlich wieder normal sein zu können. Weil das sowieso niemand ist. Weil sowieso alle irgendwie nicht wissen, was sie tun sollen. Und zu wenig essen ist genauso ungesund, wie zu viel. Und was ist überhaupt gesund? Und was zu viel? Brauch ich jetzt viel an Essen oder nicht? An was soll ich mich richten? Wer darf mein Maßstab sein?

Ich versuche zumindest, gesund zu sein. Regelmäßig essen. Ich weiß, das ist wichtig. Auch wenn ich mir oft mal denke, heute sollte ich mal wieder das Abendessen weglassen. Oder gleich beim Frühstück mit dem Kaloriensparen anfangen. Es wär doch so einfach, jemanden zu haben, der dir deine Portionen hinträgt, die genau sagt, was du in welchem individuellen Moment brauchst. Aber das spielts halt leider nicht. Und ich muss mich in die Reihe der missglückten Essverhalten einordnen.

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