Freitag, 30. Mai 2014

Die Melancholie des Vorbeifahrens

Das habe ich in letzter Zeit einige Male von mir gegeben, dass ich momentan wohl mehr Zeit im Zug als in meinem eigenen Bett verbringe. Ich fahre gerade mindestens einmal pro Woche irgendwohin.
Gerade ist meine häufigste Destination wahrscheinlich Oberösterreich und die dazu gehörige Landeshauptstadt. Von dort fahre ich aber meistens dann noch in irgendeine Richtung und schaue mir die sehr an die von Niederösterreich erinnernde Landschaft an, die am Fenster bei mir vorbei flitzt. Wenn es zu regnen beginnt, betrachte ich manchmal die Tröpfchen Wasser, die so mutig gewesen sind, um auf einen fahrenden Zug aufzuspringen.

Ich bin eigentlich immer schon gerne im Zug gesessen. Zugfahren - ich rätsle schon dauernd, was ein mögliches Synonym dafür sein könnte - ist wahrscheinlich dir produktivste Art, sich fortzubewegen. Sitze ich im Auto, dann muss ich mich im Idealfall voll und ganz auf das Straßengeschehen konzentrieren und mein Blick sollte nicht allzu oft von eben dieser abweichen. Busfahren ist, meiner Meinung nach, ziemlich unkomfortabel - vor allem im Vergleich mit dem in den meisten Fällen relativ weichen Zugplätzen, und es ist außerdem einfach wesentlich weniger Platz vorhanden. Na gut, ich gehe ja wirklich gerne zu Fuß, aber das ist meistens keine Option, speziell am Land ist das dann doch eine sehr zeitintensive Weise, von A nach B zu kommen. Mit dem Radfahren ist es doch sehr ähnlich, man ist wohl um einiges schneller, doch wirkliche Strecken zurück zu legen, kann ans Unmögliche grenzen, das kommt immer sehr darauf an, wo man sich mit dem Drahtesel fortgebewegen will.
Im Zug hingegen kann man aus dem Fenster schauen und nachdenken, man kann schreiben und ein Buch lesen, die neue Missy-Ausgabe durchblättern, schlafen und ich treffe wirklich sehr, sehr oft Menschen, die ich kenne und mit denen ich ein Stückchen gemeinsam zurücklege. Auch fürs Lernen und Matheaufgabe - wie froh ich nicht bin, nie wieder so etwas machen zu müssen! - Fertigstellen ist diese Fortbewegungsart ideal, auch, wenn ich es meistens immer schaffe, mich mit meinem mitgebrachten Lesestoff davon abzuhalten.

Das viele Zugfahren ist aber gar nicht mal so unwillkommen momentan. Schließlich habe ich mich ja mittlerweile schon daran gewöhnt, in die Hauptstadt mit diesem Verkehrsmittel zu düsen und das im wöchentlichen Rhythmus.
Ich höre auch schrecklich gerne Menschen zu. Das kommt jetzt höchstwahrscheinlich schrecklich neugierig und voyeuristisch rüber, aber es ist doch unglaublich faszinierend, was manche Menschen einerseits von sich geben und andererseits, was sie so bewegt, oder? Gerade sitze ich - wer hätte das erwartet? - ebenfalls in einem solchen Transportmittel und eben erst ist eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern ausgestiegen, die bis jetzt lautstark "Fürstenfeld" durch das Abteil geträllert haben. Gut, das mag vielleicht nicht mein allerliebstes Lieblingslied sein, aber dennoch fand ich das ziemlich unterhaltsam.

Aber vor allem genieße ich das im Zug Sitzen deswegen, weil ich dadurch zu geliebten Menschen, Museumsbesuchen, gutem Fortgehen und noch mehr tollen Persönlichkeiten befördert werde. Dort, wo ich wohne, fällt es mir von Zeit zu Zeit, und gerade ist wieder so eine Zeit, schwierig, Anschluss zu haben und mich gut mit den Menschen dort zu verstehen. Manchmal kommt es mir so vor, als lebe ich in einem ganz anderen Weltbild, als die Leute aus meiner Klasse zum Beispiel. Ich habe andere Vorstellungen und Einstellungen und denke vielleicht auch nicht ganz in derselber Art und Weise, wie es für mich als achtzehnjährige Landbewohnerin irgendwie üblich wäre und ich habe so ein großes Talent dafür, anzuecken.

Das macht mir natürlich auch sehr zu schaffen. Das dann alles hinter mir zu lassen ist ein wundervolles Gefühl und mit der Voraussicht, liebe Menschen sehen zu dürfen, verfeinert das ganze dann doch noch enorm.
Ich merke richtig, wie sich meine Stimmung ändert. Fahre ich Richtung weg, beginnt es warm zu werden und mein Herz klopft ein bisschen schöner. Fahre ich Richtung heim, kann es vorkommen, dass ich nicht ganz so euphorisch rüber komme, was dann meine armen, von mir geplagten Eltern zu spüren bekommen.

Eine Zeit lang war es für mich doch sehr schwierig, mich immer auf die Zukunft zu vertrösten. Mein Leben in der Hauptstadt war so surreal und irrsinnig weit weg, dass ich zwar große Vorfreude verspürte, trotzdem die richtige Begeisterung aus blieb. Aber mit jedem Tag, mit jedem Tag, der verstreicht, mit jedem Kreuz, das ich über die Tage in meinem Jahreskalender malen kann, mit jedem Aufwachen, komme ich dem ein wenig näher.

Außerdem, und das möchte ich unbedingt noch erwähnen, war das ewige in die Hauptstadt Fahren eine wirklich gute Übung und das Zugfahren hilft mir immer noch. Ich muss einfach selbst Sorge tragen für mich. Ich muss mir irgendwo etwas zu Essen kaufen oder mir eine Jause mitnehmen. Ich komme erst spät am Abend heim und habe einfach die Verpflichtung, meinen Körper mit der notwendigen Energie zu versorgen.
Ich bin mir sicher, dass mir das viel geholfen hat. Auch, dass ich einfach einen Freiraum zum Nachdenken hatte und mich am Reflektieren üben konnte.

Jetzt fahre ich gerade mit dem Inter City quer durch Österreich - so sehr ich der ÖBB auch dankbar bin und schätze, so sehr verfluche ich unsere Anbindungen. Hoffentlich erwische ich meinen Anschlusszug noch, irgendwelche technischen Schwierigkeiten haben eine Umleitung veranlasst und meinen Orientierungssinn komplett zerstört.

War da gerade ein Straßenschild mit einem 14. vorne? Na, vielleicht geht es sich doch aus.

Das Leben ist gut momentan.

Montag, 26. Mai 2014

Gestern war ich wählen, heute bin ich traurig.

...das war übrigens auch mein heutiger Facebook-Status.

Die ganze Sache mit der Europa-Wahl lässt mir heute wirklich keine Ruhe. Es gäbe eine ganze Menge an Begegnungen, Gedanken und Gefühle, denen ich außerdem Raum verschaffen möchte, und ich habe mir auch überlegt einen sozusagen kollektiven Eintrag über all die Dinge, die mich momentan beschäftigen, die gerade vor sich gehen und eben erst passiert sind, zu verfassen. Das wäre dieser wirklich problematischen Thematik allerdings nicht gerecht geworden und ich möchte mich einfach einmal darauf fokussieren.

Achja, das könnte jetzt sehr emotional werden.

Ich bin nämlich wirklich geschockt. Schockiert von dem Ergebnis; ich kann nämlich wirklich nicht nachvollziehen, wie es passieren konnte, dass ausgerechnet bei einer Wahl der Europäischen Union eine Partei wie die Front National Frankreichs Wahlsiegerin wurde. Außerdem ist es doch schon sehr komisch, dass bei jeder Nationalratswahl die Roten - wenn auch nur knapp - in Österreich von der Mehrheit gewählt werden, bei der Wahl fürs EU-Parlament aber plötzlich die ÖVP die meisten Stimmen abkassiert.
Das sagt doch einiges aus, oder? An und für sich wäre der österreichische Mensch ja eh offen und (mehr oder weniger) sozialdemokratisch eingestimmt, Rechte für alle Gruppierungen sind auch was Nettes und sowieso, ein bisserl Umweltschutz ist doch cool und den Neoliberalismus wurde schon in der Schule beim Durchnehmen im Geographie- und Wirtschaftskunde Unterricht als viel zu kompliziert und anstrengend eingestuft.
Ja, soweit so gut.
Aber wenn es dann um etwas Größeres als vielleicht die eigenen vier Wände oder gleich ganz Österreich geht, dann bleibt man aber bitteschön konservativ.
Es kristallisiert sich so schön der Nationalismus, der anscheinend in so vielen von uns steckt, heraus und wird durch eben solche Wahlen aufgezeigt. Dass dann auch noch die lustigen Freiheitlichen so viele Wähler*innen gewinnen konnten, unterstreicht mein Denken einfach nur noch dreimal rot.

Die Konservativen haben also die Mehrheit.

Ich möchte ja jetzt nicht den sprichwörtlichen Teufel an die Wand malen, es hätte ja schließlich wesentlich schlimmer kommen können. Wären beispielsweise Parteien in Richtung EU-Stopp oder Rekos, aber auch FPÖ, noch stärker, dann wäre mein Unmut auch wirklich ein ganz anderer.
Aber trotzdem.
Traditionsbewusstsein wird gerade wieder unglaublich modern, wie ich feststellen muss. Und wenn sich das auch auf die Politik ausweitet, kann von Fortschritt bald keine Rede mehr sein. Wenn man sich immer nur auf das Alte, auf das Eingesessene, immer schon da Gewesene verlässt, wie soll man dann neue, moderne, zeitgerechte Gesetze verabschieden können? Wie soll es funktionieren, dass wir wachsen? - und das nicht einzig und allein im wirtschaftlichen Sinne; wachsen im Zusammenhang mit Gesellschaft und Gemeinschaft, mit Vertrauen und Toleranz und mit Neuerungen. Das wird durch Traditionen halt einfach leider sehr eingedämmt, da kann man nichts dagegen sagen. Und deswegen bin ich auch so enttäuscht, dass ausgerechnet bei der EU die Europäische Volkspartei die meisten Wähler*innen überzeugen konnte. 

Die Europäische Union ist doch ein Projekt, ein Zusammenschluss, der etwas bewirken, der für alle Beteiligten Möglichkeiten schaffen soll. Es geht um Frieden und Miteinander und ums ohne-Grenzen-Leben. Es geht um viel mehr als um einzelne Staaten.
Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
So genau kenne ich mich nämlich auch nicht aus. In Geschichte und Politische Bildung (!) haben wir das nicht so genau durch besprochen, maximal ein wenig gestreift. Alles, was ich über die Parteien, über Europa weiß, habe ich mir in den letzten Monaten mühsam aus diversen Zeitungsartikel, Homepages und Parteiprogrammen zusammengereimt. Und während ich das alles gelesen habe, habe ich immer versucht, diese Informationen so reflektiert wie nur möglich aufzunehmen, Falschaussagen rauszufiltern und mir meine eigene Meinung bezüglich dieser Thematik zu bilden.
Aber, wer weiß?, vielleicht habe ich auch alles falsch interpretiert und eigentlich geht es nur um Wirtschaft, um billigere Preise, um Geld-machen.

Das möchte ich aber nicht glauben.

Die EU hat ja auch den Friedensnobelpreis bekommen. Das bedeutet doch auch etwas - zumindest ein wenig. So ganz ernst nehmen kann man das wahrscheinlich auch nicht, weil einen Friedensnobelpreis dafür zu verleihen, dass "bloß" kein Krieg ausgebrochen ist, finde ich dann doch ein wenig... naja, spartanisch. Natürlich ging es im Grunde genommen um nichts anderes, als sich dieses Bündnis schloss, die EU aus der Vereinigung für Kohle und Stahl entstand und es ist auch wirklich toll, weil, naja, Krieg ist jetzt nicht so lustig und sollte schließlich auch vermieden werden. Aber, zumindest in meinem Denken, sollte das irgendwann selbstverständlich werden. So, wie es selbstverständlich sein sollte, dass ein Mann seine Frau nicht schlägt. Trotzdem höre ich immer wieder von aggressiven Menschen, die "aber noch nie zugeschlagen haben", als wäre das eine besonders tolle Leistung.

Ich frage mich auch weiters, wer alles nicht zu den Wahlkabinen spaziert ist. Und überhaupt, warum sind genau diese Wahlen so unbeliebt und -populär? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das auch mit dem starken Nationalismus zusammenhängt.
Was tangiert mich bitte Europa? Die entscheiden ja sowieso alles in Brüssel, das ist voll weit weg von hier!
Ja, eh klar. Aber trotzdem sind wir, als Wahlberechtigte, dafür verantwortlich, welche Menschen in dem ach-so-entfernten Brüssel die Entscheidungen treffen.
In dem Kontext habe ich auch letztens einen sehr guten Spruch gehört: "Wählen ist wie Zähneputzen. Macht man es nicht, wirds braun". Leider ist an dieser witzig gemeinten Aussage so viel Wahren dran. Und leider sieht man das auch an den vorläufigen Prognosen...
Ich meine, ernsthaft? UK Independence Party und Front National?

Irgendwie verstehen so viele nicht, wie wichtig dieser Zusammenschluss nicht ist. Ohne ihn hätten wir einzelne Länder, denen einmal sofort riesigen wirtschaftlichen Problemen bevorstehen würden, würde die EU von heute auf morgen einfach aufgelöst werden. Andererseits wären dann so viele Möglichkeiten nicht mehr gegeben. Ich wohne ja an der tschechischen Grenze, ich könnte dann nicht einfach mal so, weil ich gerade Lust dazu habe, in dieses Land radeln; ich müsste ewig lange Grenzkontrollen über mich ergehen lassen. Aber natürlich leidet nicht nur der Freizeitbereich unter Grenzen. Der ganze Arbeitsmarkt zum Beispiel wäre durcheinander gewürfelt.

Ich hoffe ja immer noch, dass durch die Briefwahlen wenigstens die FPÖ unter die 20%-Grenze gedrückt werden. Wäre ja nicht das erste Mal, dass genau diese für Parteien, die sich bewusst von allem Rechten, und allem Ungerechten distanzieren, wichtige Prozentpunkte bringen würden. Man muss sich nur noch einmal den oben erwähnten Spruch durch den Kopf gehen lassen und sich überlegen, wer denn Briefwahlen beanspruchen könnte. Na eben genau Menschen, die sich zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause aufhalten, aber trotzdem von ihrem wirklich wichtigen demokratischen Recht Anspruch erheben möchten.

Wir können es vielleicht nicht so direkt merken, aber wir verlassen uns auf so vielen Ebenen auf unsere vier Freiheiten.
Es wäre doch wirklich zu schade, wenn es diese nicht geben würden.

Und auch, wenn dieser Post jetzt nicht wirklich etwas mit der sonstigen Thematik meines Blogs zu tun hat, war es mir ein Anliegen, meine Gedanken darüber zu teilen. Das betrifft mich nämlich auch persönlich, selbst, wenn das viele Menschen nicht wahrhaben wollen. Ich wohne hier und ich will auch bitte mitgestalten und eine Stimme haben dürfen. Deswegen bin ich auch so froh, den Freiraum zu haben, meine Worte für alle abrufbar zu stellen.
Ich habe nämlich wirklich den Wunsch, aktiv zu sein, vielleicht etwas bewegen, da ist so ein kleiner Blog, auch, wenn ich momentan wahrscheinlich noch nicht so viele Menschen erreiche, echt hilfreich.
Ich versuche hier nämlich mit meinem Alltag umzugehen. Und mein Alltag beinhaltet halt auch, dass ich wütend bin aufgrund dieser Ereignisse.

Mittwoch, 21. Mai 2014

Die Sache mit der Sexualität

Der Titel ist vielleicht ein bisschen irreführend.

Ich könnte hier jetzt über meine persönliche sexuelle Orientierung schreiben, und warum es gar nicht so einfach ist, keiner Norm zu entsprechen. Im Anbetracht des vergangenen IDAHOT hätte das ja schon eine gewisse Aktualität.

Aber das mache ich heute nicht.
Vielleicht ein andermal, momentan fühle ich mich irgendwie nicht im Stande, das alles auf den Punkt zu bringen, andere können das wesentlich besser, ich würde mich wahrscheinlich nur verzetteln, bliebe nicht sachlich und würde irgendwann wutentbrannt den ganzen Post löschen, haha.
Gut, das war vielleicht ein wenig übertrieben. Aber es geht trotzdem um etwas anderes.

Das, worum es in diesem Eintrag gehen sollte, ist, meiner Meinung nach, ein wirklich schwieriges Thema. Überhaupt, mit unserer prüden Gesellschaft und unserer, wie mir langsam vorkommt, immer schamhafteren Jugend, ist das Thema der Sexualität, einmal nicht im politischen Kontext gesehen, ein selten angesprochenes und etwas, das zwar alle betrifft, aber niemand redet darüber und niemand kann darüber reden. Doch eigentlich ist es so etwas Natürliches - wobei, vielleicht nicht ganz, es wird dennoch so einiges konstruiert und viele haben einfach nicht die Möglichkeit, dazu zu stehen.
Trotzdem.

Mir ist die Idee, über dieses Thema ein paar Zeilen zu verfassen, gekommen, als ich die letzten paar Tage mit den schönsten Momenten Revue passieren hab lassen. Da kam mir eine ganz bestimmte Situation wieder in den Sinn:
Meine neu gewonnene Spontaneität feiernd fuhr ich vor fast zwei Wochen einfach mal so für eine Nacht in die oberösterreichische Hauptstadt und traf mich mit ein paar wundervollen Menschen dort. Irgendwann haben wir uns in einer Art Durchgang Schutz vor dem immer stärker werdenden Regen suchend wiedergefunden. Wir sind dort im Kreis gesessen und haben über alle möglichen Themen ganz offen geredet. Und irgendwann haben wir uns eigentlich ziemlich lange über Masturbation und unsere eigenen Erfahrungen damit unterhalten.
Das war echt einmal eine schöne Abwechslung. Ich meine, wer redet schon wirklich ganz normal darüber, ohne, dass es gleich komisch oder verdreht wirkt?

Aber nicht nur die jungen Leute werden immer prüder, auch die Schriftsteller*innen lassen diese Thematik gekonnt aus. Ich habe doch einiges über Anorexie gelesen, und sehr selten gab es ein Kapitel, dass sich der körperlichen Lust im Zusammenhang mit dieser Krankheit widmete.
Das bin ich aber natürlich ein bisschen auf den Grund gegangen und habe ein wenig Stoff dazu in einem einzigen Buch und ein paar Dinge - nützliche sowie eher sinnlose - im Internet gefunden. Aber wirklich viel ist das nicht gewesen, deswegen schreibe ich hier bloß über meine Erfahrungen.
Und, um ganz ehrlich zu bleiben, das fällt mir gar nicht mal so leicht. Ich möchte ja nicht gschamig sein, nein, ganz und gar nicht. Aber irgendwie bin ichs doch. Ja, wie gesagt, in unserem sozialen Miteinander läuft einiges nicht so ab, wie es eigentlich sein sollte, so bin ich zum Beispiel auch eigentlich nie in der Schule über dieses eigentlich sehr wichtige Thema informiert worden, weder im Biologie-, Psychologie-, Religionsunterricht, oder wo es auch sonst irgendwie hineinpassen hätte können.
Egal. Ich schreib das jetzt einfach.

Es ist ja so, zumindest war es das bei mir, dass, je mehr ich dem Essen entsagt habe, desto weniger Energie hatte ich. Mit der Zeit wurde ich auch dementsprechend immer schlaffer und träge. Das ist ja eigentlich total logisch. Futter liefert Energie. Ganz einfach. Und diese Energie habe ich so sehr vermisst, das kann man sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen. Ich bin nämlich an und für sich eine sehr aufgedrehte Zeitgenossin. Aber in dieser Zeit hat diese Abwesenheit von Energie schon einmal dazu geführt, dass ich am Abend einfach nur noch froh war, im Bett zu liegen und zu schlafen, einfach nur die Augen zuzumachen und in die umgekehrte Welt abgleiten. Gut, das hat auf den ersten Blick jetzt nicht viel mit Lust oder dergleichen zu tun, aber, bei genauerer Betrachtung wird doch meist der Abend für etwaige Aktivitäten genutzt, nicht? Und dieser fiel größten Teils schon einmal weg.
Andererseits hat es mich auch irgendwann nicht mehr interessiert. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, mich selbst zu befriedigen. Wahrscheinlich hat das auch irgendwo etwas mit Vitalität und Aktivität zu tun. Natürlich habe ich außerdem auch immer Nähe zu anderen Menschen gesucht, aber auf diese Art von Nähe konnte ich sehr gut verzichten, was ich eben dann auch ohne gröbere Probleme habe. Das ist vielleicht jetzt blöd gesagt, aber es ist einfach nicht gegangen.
Das sind alles nur blanke Vermutungen meinerseits, aber vielleicht hat das auch etwas mit den Hormonen zu tun. Mein Hormonhaushalt war total durcheinander gewirbelt, was man an einigen Faktoren sehen hat können, und diese Botenstoffe sind doch ein wichtiger Bestandteil eines solchen Aktes.
Weiters ist dazu gekommen, dass ich mich einfach nur so schlecht gefühlt habe und alles andere als wohl in meiner Haut. Ich konnte mich ja teilweise nicht mal mehr im Spiegel ansehen. Wenn man so ein unguten Bild von sich selbst hat, ist das, naja, nennen wir es einmal, Spielen mit sich selbst eben weit entfernt von naheliegend. Außerdem hat das ganze so viel mit (Lebens-) Freude zu tun. Ohne die geht halt gar nichts.

Es hat mir also an Energie, an Spaß, an Interesse und eventuell an dem richtigen Hormonhaushalt gefehlt. So betrachtet, kommt es mir beinahe plausibel vor, dass Lust einfach ein Fremdwort geworden ist. Das kann man jetzt aber wirklich auf alles auslegen, und ist nicht nur auf die Körperliche fixiert.

Und ich finde das, vor allem rückblickend betrachtet, wirklich traurig.

Dass sich mein gestörter Umgang zu Essen auf diesen grundlegenden...Trieb geschlagen hat, bedeutet für mich nur umso mehr, dass das Zu-Wenig-Essen bei uns viel zu wenig Realität und viel zu wenig Ernsthaftigkeit zu gesprochen wird. Es passiert einfach so viel mit dem eigenen Körper, man tut dem eigenen Innenleben nicht gut und bringt so einige eigentlich natürliche Funktionen durcheinander.
Außerdem kann man feststellen, dass es so viele Mädchen* und auch einige Burschen* gibt, die genau in dem Alter, in dem sie ihre Sexualität entwickeln oder entdecken würden, in eine Essstörung stürzen. Natürlich, das ist etwas Neues, etwas, das Veränderung verspricht. Da gibt es keine Fragen, das kann eine*n einmal umwerfen und verwirren und sogar auch schockieren. Wenn dann das (soziale) Umfeld Sexualität so tabuisiert, macht es den ganzen Prozess natürlich um nichts einfacher...

Vielleicht ist dieser Eintrag jetzt komisch, aber irgendwo wollte ich das auch mal loswerden.
Mir reicht diese Prüderie nämlich langsam echt; und ich finde es so schlimm, dass man nirgends wirklich informiert wird. Allerhöchstens wird uns von diversen Medien das "normale" sexuelle Miteinander suggeriert, also das zwischen Mann und Frau - die Frau spielt natürlich die unter- und der Mann die übergeordnete Rolle. Von Selbstbefriedigung ist nichts zu hören und von Sex zwischen zwei Frauen* oder zwei Männern* brauch ich wohl gar nicht mal anfangen.
Diese Umstände führen dann einfach auch so weit, dass meine Nachbarin glaubt, etwas sei falsch mit ihr, weil sie beim Sex mit ihrem Freund nie gekommen ist; es ist halt einfach wesentlich komplizierter als rein-raus.

Donnerstag, 15. Mai 2014

Aber wenns doch der Vater sagt?

Also, um es gleich vorweg zu nehmen, das ist jetzt mein allererster Post, den ich mit diesem lustigen Blogger-Handy-App verfasse. Ich sitze nämlich gerade im Zug und fahre Richtung Hauptstadt. Diesmal aber, um Wohnungen zu besichtigen.

Es ist auf alle Fälle so, dass ich momentan eigentlich schon das Gefühl hatte, wieder halbwegs normal Essen zu mir zu nehmen und mich in einem ausgewogenen Maße ernähren würde. Eigentlich. Aber langsam kenne ich mich gar nicht mehr aus.

Der Grund meiner Verwirrtheit ruht daher, dass mir mein Vater mittlerweile immer öfter zu verstehen gibt, dass ich sehr viel esse. Er lässt mich diese Sache aber nicht unterschwellig wissen, sondern spricht dieses Thema mit teilweise für mich unguten Sprüchen während einer gemeinsamen Mahlzeit an. Er sagt mir, dass ich zu viel Müsli in mich reinstopfe, meint, ich hätte in letzter Zeit aber wirklich, wirklich viel gefuttert und betont immer wieder, wenn ich mir meinen Teller fülle, wie viel das nicht sei. Zuerst habe ich noch versucht, darüber hinwegzusehen und wollte mir einreden, dass ich von dem, was ich esse - vegane Vollwertkost ohne Zucker oder überwiegend viel Fett beziehungsweise Fertiggerichten - sowieso so viel essen könnte, wie ich wollte, weil gesund und gut für den Körper. Aber irgendwie ist das doch auch nicht die ganze Wahrheit.
Man muss dazu sagen, dass mein Vater, mit Ausnahme meiner Schwester vielleicht, der dünnste Mensch ist, den ich kenne. Außerdem isst er kein Frühstück.
So, und heute wars mir zu viel. Ich habe, während ich meine Sojamilch mit Äpfelstücken drinnen gefrühstückt habe, schon wieder anhören dürfen, dass ich so viel Nahrung zu mir nehme. Zuerst wollte ich es noch lustig nehmen, aber es hat mich einfach nicht losgelassen.

Ich will nämlich nicht zu viel essen. Das ist so ziemlich das letzte, das ich möchte.

Warum kann ich nicht einfach ein normales Verhältnis zu Essen haben? Ich hätte jetzt wirklich schon geglaubt, dass ich das langsam aber sicher erreiche und mehr oder weniger normal viel zwischen meine Zähne stecke. Aber anscheinend ist dem nicht so. Ich meine, wenn selbst mein Vater mit erklärt, dass das außergewöhnliche Mengen sind.

Was soll ich jetzt denken?

Ich habe mir nämlich nicht gedacht, dass das, was ich zu mir nehme, so sonderlich viel ist. Und ich möchte doch einfach nur ohne schlechtem Gewissen essen, ist das zu viel verlangt? Ich esse ja eh keine Süßigkeiten oder Frittiertes oder sonstiges, was in diese oder eine ähnliche Kategorie fallen würde. Außerdem hätte ich es jetzt schon ziemlich geschafft, nicht durchgehend an Nahrung zu denken und hätte einfach dann gegessen, wenn ich Lust dazu verspürte beziehungsweise Hunger hatte. Weil ich mag Essen. Und ich esse einfach gerne.

Das verwirrt mich gerade.

Und ich möchte damit auch nicht ausdrücken, dass es mir jetzt schon wieder schlecht geht. So sprunghaft bin ich dann auch nicht. Im Grunde genommen bin ich wirklich gut drauf, weil ich gleich meine lieben Mitbewohner*innen treffe, morgen und das restliche Wochenende auch mit tollen Menschen verbringen kann und in endlich absehbarer Zeit ausziehe. Aber dieser Teil von mir ist gerade nicht in bester Verfassung, würde ich sagen.

Es ist einfach so schwierig.

Was soll ich jetzt bitte tun? -die alte Frage, haha.

Vielleicht wäre es ein guter Anfang, wieder etwas gemächlicher zu essen und vielleicht das ein oder andere wegzulassen. Ich weiß es ja auch nicht.
Aber wieso muss so etwas immer sein? Wieso kann es nicht einfach endlich passen? Das regt mich langsam schon so auf. Jetzt dachte ich wirklich schon, das mehr oder weniger im Griff zu haben und dann kommt so etwas.

Und dann ärgere ich mich ja gleich wieder über mich selbst, weil mir das solche Sorgen bereitet. Eigentlich sollte es mir doch egal sein, was mein Vater über mein Essverhalten und meine Gewohnheiten in diesem Kontext sagt. Wenn er meint, sollte doch er weniger zu sich nehmen. Ich will jetzt einfach essen.
Aber auf der anderen Seite nehme ich seine Worte doch sehr zu Herzen. Ich glaube ja, dass er es nur gut meint und mir helfen möchte.

Ach, keine Ahnung.

Dienstag, 13. Mai 2014

Soko im Auto, ein gelbes Krokodil und ein roter Krebs, eine metalbegeisterte junge Erwachsene, Zugfahren, schlafen in einem Wohnmobil, lustige Spiele und Raise like a Phoenix auf der Mariahilferstraße

Zuallererst, OH HILFE!!!!! Ich pack es einfach gar nicht, dass sie es geschafft hat. Ich spreche natürlich von Conchita Wursts Sieg beim Eurovisionsongcontest, den ich mir zwar nicht angesehen habe, aber trotzdem einiges davon durch Medien wie facebook, derstandard.at, und eine kreischende Schwester am Telefon mitbekommen habe. Es ist einfach ein Wahnsinn. Das ist so ein großer Schritt und ich bin so stolz, dass dieser endlich gemacht worden ist. Nachdem Laverne Cox ja nicht zu den 100 most influential people gezählt worden war, waren meine Hoffnungen, das gerade in Europa so etwas... Unkonventionelles geschehen würde, dementsprechend gering. Ich war so sauer, dass dieses dumme Time Magazine die wunderbare Laverne Cox nicht dazugezählt hatte. Sie ist einfach eine schrecklich wichtige Persönlichkeit, und einer meiner Lieblingscharaktere bei Orange is the New Black, geworden, die wahnsinnig viel Einfluss hat. Das kann man nicht leugnen. Aber trotzdem bin ich froh, dass einige andere sehr wichtige Menschen - wie beispielsweise Malala Yousafzai aber auch Miley Cyrus - in die Liste gewählt worden sind. Trotzdem. Wie kann das sein, dass Pharell Williams, den ich ja eigentlich liebe, seit er mit seinen Swarovsky-Sneakers bei Ellen über Feminismus geredet hat, in die Liste aufgenommen worden ist, aber sie nicht?
Wie dem auch sei, ich möchte mich aber auf das positive Ereignis dieses Wochenendes konzentrieren.

Conchitas Lied "Raise like a Phoenix" hab ich mir natürlich schon längst runtergeladen und auf mein Handy gespielt und gestern bin ich bei Sonnenschein über die Mariahilferstraße spaziert, ihre Töne im Ohr und mit einem wundervollen Gefühl. So schön einfach.
Aber man darf nicht vergessen, dass Conchita nicht nur wegen ihres Auftretens, ihrer Aussehen und ihrer politischen Message gewonnen hat, das finde ich sehr wichtig, zu erwähnen. Sie hat einfach unglaublich gut gesungen und performt. So viel muss man ihr lassen. Conchita Wurst ist nicht nur wirklich unheimlich schön und sehr sympathisch, sondern hat das Singen einfach drauf.


So.
Aber in letzter Zeit ist viel passiert.

Oder auch nicht, wie mans eben sieht.

Auf alle Fälle habe ich jetzt endlich den schriftlichen Teil der Matura hinter mich gebracht. Man kann sich gar nicht vorstellen, was das für ein Gefühl war, als ich nach dem letzten Beispiel in Mathematik - meiner letzten Klausur an diesem Freitag - meine Füllfeder weggelegt und tief ausgeatmet habe. Unbeschreiblich. Als wären drei Kisten Steine von meinen Schultern gefallen.

Aber überhaupt. Momentan habe ich gerade ein wundervolles Hoch.
Es fühlt sich in meiner Magengegend ein wenig so an, wie es sich anfühlt, wenn man ganz frisch verliebt ist, gerade die neue CD, auf die man schon ewig gewartet hat, in den Händen hält, am Geburtstag aufwacht, von lieben Menschen überrascht wird und durch den sonnendurchfluteten Wald läuft. Ja, das beschreibt es wahrscheinlich ganz gut.
Ich kann meine Zeit in Wien, die ja immer näher rückt, nicht mehr erwarten. So viele liebe Menschen kann ich dann endlich viel öfter sehen, mit den besten Mitbewohner*innen frühstücken und so viele offene Möglichkeiten ergreifen. Außerdem bin ich dann weg von hier.
Ja, das trübt meine Stimmung ein wenig. Das ganze Wochenende ging es mir einfach nur gut und dann musste ich heute wieder einmal in die Schule aufgrund diverser Vorbereitungsstunden und meine Laune ist drastisch gesunken. Es ist einfach sehr ungut, wenn man in einen Raum voller Leute, die man eigentlich schon seit sehr, sehr vielen Jahren kennt, kommt und sich von diesen niemand für die eigene Person interessiert. Hat mich ein wenig traurig gemacht. Aber was solls. Lange dauert es ja auch nicht mehr.

Lustigerweise hat meine Klasse am Freitag die hinter uns gebrachten Klausuren fett gefeiert, und das war wirklich sehr nett. Mit Wohnmobil auf einem Festl und zwei Mal wurde sogar Jake Bugg aufgedreht.

So, und dann hab ich was ganz Untypisches für mich gemacht. Am Samstag war ich so spontan, dass ich einfach so nach Linz gefahren bin. Eine ganz liebe Freundin hat, wahrscheinlich eher lustig als erst gemeint, gefragt, warum ich denn nicht feiern komme. Und da ich sowieso nichts Besseres - was gibt es bitte Besseres als mit Lieblingsmenschen Zeit zu verbringen? - vor hatte, bin ich dann in den Zug gestiegen, um mit diversen Umwegen (öffentliche Verkehrsmittel, yey!) in die oberösterreichische Hauptstadt zu düsen. Und das war einfach nur super fein. Da kann ich mich gar nicht beschweren, sogar eine ganz Liebe hab ich im Zug getroffen und dann noch ein paar andere nette Leute in Linz auch.


Ach, ich freu mich einfach schon so sehr, diese Menschen viel öfter um mich haben zu  können.

Auf alle Fälle haben wir dann noch den Nachmittag miteinander verbracht und ich bin dann weiter in die Hauptstadt, wo ich mich mit noch einer so Lieben getroffen habe. Es gibt einfach nichts Schöneres, als liebe Menschen zu treffen, haha.


Übrigens, am Montag Vormittag hatte ich mal wieder seit Langem eine Sitzung im SoWhat. Vor ein paar Wochen habe ich dort angerufen, als es mir wieder einmal nicht so gut ging. Doch momentan kann ich mich ja wirklich nicht beschweren und meine Therapeutin hat gemeint, dass ich viel ruhiger geworden bin. Das freut mich so sehr.

Ich habe einfach das Gefühl, dass gerade alles besser wird.


Dieser Eintrag ist jetzt besonders diffus und unsortiert geworden. Wahrscheinlich habe ich auch wieder die Hälfte von dem, was ich eigentlich erwähnen wollte, weggelassen und für Aussenstehende wird es wohl recht unverständlich klingen. Tja, was soll ich tun? Ich glaub halt nicht an Struktur, haha.


das mit den 100 frohen Tagen mach ich übrigens immer noch :)

Dienstag, 6. Mai 2014

6. Mai und Matura

Vor einigen Monaten habe ich irgendwo - ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wo ich diese Information her habe - gelesen, dass am sechsten Mai der internationale Anti-Diät Tag gefeiert wird. Das habe ich mir natürlich sofort in den Kalender geschrieben.

So, und heute ist es so weit. Heute ist aber nicht nur Anti-Diät Tag, sondern auch Tag meiner Englisch-Klausur. Gestern hat nämlich meine schriftliche Matura begonnen und ich habe, Deutsch und Englisch schon hinter mich gebracht, ein schrecklich schlechtes Gefühl. Versteh mich bitte nicht falsch, nicht, dass ich glaube, durchgefallen zu sein, aber ich weiß nicht, ob ich meinen Einserschnitt halten kann. Aber das ist eigentlich auch nebensächlich, dank meiner Fachbereichsarbeit ist es mir sowieso nicht mehr möglich, in Deutschland Medizin studieren. Tja, dieser Traum ist wohl geplatzt.

Auf alle Fälle finde ich es wahnsinnig wichtig, dass es solche Tage gibt. Und damit meine ich jetzt nicht Englisch-Matura-Tage, nein, auf die könnte die Welt sicherlich verzichten. Es ist einfach unglaublich, wie viel Einfluss die Mode- und Diätindustrie auf unsere Köperwahrnehmung haben. In einer Gesellschaft, in der schon jedes zweite 11jährige Mädchen* - das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Jedes Zweite! - mindestens einmal in ihrem Leben Nahrungsmittel weggelassen hat, nur, um ein gewisses Ideal zu erfüllen, ist es von besonderer Wichtigkeit, auch hinsichtlich dieser Themen zu sensibilisieren. Ich meine, ich spreche ja irgendwie aus Erfahrung, überall kann man sich über Diäten informieren, ja, es wird sogar Werbung für eben diese gemacht, und wenn man einmal angefangen hat, bei mir machte übrigens die "Zitronendiät" den Anfang, schrecklich, richtig schrecklich ist die, dann möchte man die nächste beworbene Restriktion ausprobieren.

"Ich finde es daher wichtig, hervor­zuheben, dass es an diesem Tag nicht darum geht, Menschen für ihre Diät­erfahrung zu beschämen, aber die Strukturen der milliarden­schweren Diät­industrie, hegemoniale Schönheits- und Schlankheits­normen, diskriminierende Körper­politiken und gesundheits­gefährdende Diäten kritisch in den Blick zu nehmen."

Das stammt von dem kleinen Post auf Mädchenmannschaft, einem Blogger*innenkollektiv, der sich diesem Thema widmet.

Irgendwie wird über das gar nicht gesprochen. In der Schule zum Beispiel fällt über das Thema Diäten, zumindest in meiner, kein Wort. Es wird auch schon als völlig normal und alltäglich angesehen, dass im Kühlregal beinahe mehr "light"-Produkte stehen, als Konventionelle. Viele Menschen greifen zu diesen, weil sie glauben, sie würden damit etwas für die Figur tun, damit sie das von den Medien konstruierte Idealbild erreichen. Aber es wird nicht darüber nachgedacht, wie man denn das Fett dem Joghurt entzieht, oder wie es sein kann, dass ein Energiedrink null Kalorien hat. Da werden chemische Prozesse angewendet, alterfalter, wie eine Freundin zu sagen pflegt, das glaubt man gar nicht.
Außerdem ist man ja durchgehend von Diäten im privaten Leben konfrontiert, und nicht nur diverse Magazine preisen diese an, sondern immer mehr Menschen, vorwiegend Frauen*, erzählen von ihren Erfolgen. Meine Lateinlehrerin beispielsweise hat diese "Morgen-darf-ich-essen-was-ich-will"-Diät gemacht und uns davon detailliert geschildert. Ich mein, wenn wir in der Schule schon mitbekommen, dass Diäten was Tolles sind, ist es doch klar, dass wir irgendwann einmal ein komisches Verhältnis zu Essen entwickeln, oder?

Auf jeden Fall wünsch ich allen einen frohen No-Diet-Day. :)

"Die Magersucht-Thematik ist komplex und hat nur vordergründig etwas mit Schick- und Schönsein zu tun. Es geht vielmehr darum, die eigene Disziplin, Tüchtigkeit und Unbeirrbarkeit ständig neu zu beweisen – gerade auch, wenn andere den Magerwahn kritisieren. Der 6. Mai ist also ein guter Tag, um uns zu fragen, welche Werte unsere Gesellschaft vermittelt. Aber vielleicht sollte er nicht Anti-Diät-Tag sondern Anti-Perfektionstag heißen."
Hier übrigens noch einen Artikel von der Zeit: Gegen den Perfektionswahn


Und jetzt zum Alltag...

Es ist ganz lustig. Ich glaube, dass ich schon ein großen Gesprächsthema war, damals, am Schulanfang, wo mich alle Leute wieder einmal gesehen haben. Ich möchte mich damit jetzt nicht irgendwie selbst inszenieren oder für wichtiger darstellen, als ich es bin, aber ein wenig glaube ich doch daran, dass manche Menschen das ein oder andere Wort über mich verloren haben. Vielleicht hat eine Sechstklässlerin von mir daheim am Essenstisch berichtet, ein Menschen aus der Nebenklassen miteinander über mich diskutiert oder dieses Thema kam einmal im Lehrer*innenzimmer auf. Ich weiß es natürlich nicht, aber ich könnte es mir vorstellen. Und auch, als es besser geworden ist, da ist mir zumindest aufgefallen, dass, wenn ich am Gang etwas Essbares in der Hand hatte, ich den ein oder anderen Blick abbekommen habe.
Wie dem auch sei, habe ich mich heute irgendwie gefragt, wie das jetzt ist. Ich glaube nämlich eigentlich, dass ich aus den Gedanken meiner Mitschüler und Mitschülerinnen sowie Lehrpersonal größtenteils verschwunden bin. Jetzt esse ich ja eh, und jetzt sieht man mir die Anorexie ja überhaupt nicht mehr an, ganz im Gegenteil. Niemand kann dieses Zweigeteilte in mir erkennen und man könnte durchaus annehmen, ich sei wieder ganz gesund.
Das ist natürlich schön, dass man das denken könnte. Andererseits macht es mich auch irgendwie stutzig. Wer hat noch Probleme, die man ihr*ihm nicht ansieht? Und außerdem, wie kann es sein, dass man sich so wenig für die direkten Mitmenschen interessiert, dass man so ein Thema so schnell wieder abhaken kann?

Oh, das möchte ich auch noch kurz teilen: ein wunderbarer Poetry Slam:


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kleiner Nachtrag:
Das hat jetzt allerdings wenig mit der Thematik des obrigen Blogposts zu tun, aber mir ist es dennoch ein Anliegen, es hier noch einmal zu schreiben. Immerhin geht es ebenfalls um den heutigen Tag.
Gerade habe ich nämlich im online-standard gelesen, dass die österreichische Künstlerin Maria Lassnig heute verstorben ist. Das hat mich gerade so traurig gemacht, weil ich sie wirklich bewundert habe. Ich weiß noch genau, dass ich mir das tolle Interview, das wir einmal durch den Printstandard nach Hause geschickt bekommen haben, aufgehoben und in meine Zeitungsartikelmappe geheftet habe. Sie war wirklich eine tolle Frau, so mutig, so wild. Und auch ihre Bilder waren sagenhaft - ich habe sogar einige von ihnen auf der letztjährigen Biennale in Venedig zu Gesicht bekommen.
Naja, wie schließt man sowas ab? Soll ich ganz banal Rest In Peace schreiben? Hm... Auf alle Fälle, falls das jemand lesen sollte, googelt (oder benützt Ecosia dafür :-) ) sie und lasst euch durch ihr Leben inspirieren!
"Ich werde nach meinem Tod noch lange nicht so gewürdigt sein, wie ich es sollte. Das klingt hochmütig, ist aber so."

Samstag, 3. Mai 2014

Ich kann essen was ich will abnehmen.

(Eigentlich sollte ich jetzt gerade, in diesem Moment, hinter meinen Büchern versunken sein, Mathebeispiele rechnen, mir englische Hörbücher anhören und nebenbei auch noch drei Zeitungen auf einmal lesen - kurz gesagt, mich für meine am Montag beginnende (!!!!) Matura vorbereiten, aber das funktioniert gerade nicht. Ich kann mich einfach nicht auf Vektoren konzentrieren und habe mich schon damit abgefunden, durchfallen zu werden.)

 Wenn ich so zurück denke, dann kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, wie es war, als ich immer weniger wurde. Ich weiß noch genau, was ich mir gedacht habe. Ich habe mich nämlich so gefreut, dass ich jetzt, wo ich es geschafft habe, dünner zu werden, endlich wieder so viel essen kann, wie ich wollte. Das war zumindest am Anfang der Fall. Dann sind weitere Überlegungen in mir hochgekommen. Wenn ich jetzt noch mehr abnehme, dann kann ich ja später noch besser essen. Ich habe also meine Essens-Lebensqualität auf später verschoben, habe angefangen, in der Zukunft zu leben.
Dieses Denken hat aber bald aufgehört. Als ich diese endlose Abwärtsspirale immer weiter hinuntergeschlittert bin, wollte ich einfach nichts mehr essen, ich hatte auch keine Lust mehr dazu. Ja, ich habe mich schon so darauf gefreut, bald alleine wohnen zu können, damit ich dann, komplett auf mich selbst gestellt, einfach nichts mehr zu mir nehmen muss. Aber davor, ja, davor hab ich mich noch darüber gefreut, dass ich jetzt ENDLICH wieder naschen kann...

Weil ich ja schon das Schlagwort naschen geschrieben habe, fällt mir noch ein, dass das bei eben dieser Tätigkeit genau dasselbe war.
Als ich noch das einfache Bestreben hatte, ein paar Kilos zu verlieren, hab ich mit mir selbst ausgemacht, nur einmal pro Tag etwas Süßes zu essen. Anfänglich hat das leider überhaupt nicht richtig funktioniert. Doch später hat sich selbst das verselbstständigt.
Ich habe genau wie mit dem "vielen"-Essen angefangen, zu denken, dass, wenn ich heute auch auf die Kekse oder Schokolade oder wasweißichwas verzichte, dann hab ich später mehr davon. Im Endeffekt hab ich dann nur noch verzichtet und nie das Ausgelassene nachgeholt. Es hat dann eben eine Art anderes Denken übernommen.

Irgendwie ist diese Weise zu denken und beinahe taktisch zu essen, doch echt schlimm. Gerade wird mir wieder bewusst, wie ferngesteuert ich teilweise agiert habe. Ich war einfach nicht mehr selbstbestimmt, wie komisch sich das auch anhört. Aber irgendetwas hat sich in meinen Kopf genistet und das Tun für mich übernommen. Und das ist wirklich traurig, weil ganz bekomme ich dieses etwas einfach nicht weg. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie es früher war.

Auf alle Fälle hat das dann schlussendlich dazu geführt, dass ich überhaupt keine Lust mehr auf Süßigkeiten oder Essen im Ganzen hatte. Das war eine unangenehme Randerscheinung meines Alltags, der daraus bestanden hat, mich so gut wie möglich vom Essen abzulenken. Als ich dann irgendwann wieder angefangen habe, gesund werden zu wollen, habe ich mir sooft gewünscht, einfach nicht essen zu müssen, ich wollte das einfach nicht. Das hat sich dann allerdings - zum Glück - weiterentwickelt, und dann habe ich mir beinahe jemanden herbei gesehnt, der_die diese Fremdbestimmung weiter - aber im Gegenteil - führen würde, jemand, der_die mir sagen würde, wie viel ich wann essen solle, damit ich mir selbst keine Gedanken darüber machen müsste. Aber das hat es natürlich nicht gespielt. Ich wollte ja andererseits auch nie abhängig von irgendjemanden sein und konnte es mir auch nicht so recht vorstellen, dass beispielsweise mein Vater diese große Last tragen müsste, mir eben immer zur richtigen Zeit das Essen hinzustellen. Aber trotzdem, der Wunsch war da. Und ist es leider teilweise immer noch.

Außerdem habe ich mir irgendwie das Verlangen nach Süßem abtrainiert, so komisch das auch klingen mag. Aber ich brauche zum Beispiel keine Schokolade, gut, Honig ist da was anderes, den könnte ich töpfeweise verputzen.

Das vergisst man irgendwie leicht. Wenn man an Essstörungen denkt, kommt einer_m nie in den Sinn, dass etwas nicht aus freiem Willen geschieht. Anfangs mag wohl noch alles gewollt sein, aber es verselbstständigt sich so schnell, dass es schon beinahe scheint, dass man gar nichts mehr dagegen machen kann.

Zum Glück habe ich mich schon so ziemlich im Griff. :-)


Oh, und das hätte ich ja beinahe vergessen: Ich möchte noch auf einen wirklich tollen und witzigen Artikel aufmerksam machen: Es wird Zeit, der Oberschenkellücke den Krieg zu erklären. Ein schönes Plädoyer gegen das thighgap. :)