Samstag, 27. September 2014

Vorfreude

Eine Freundin von mir hat einmal behauptet, sie versuche sich so wenig wie möglich auf etwas vor zu freuen. Also das freudestrahlende Erwachen an dem Tag, an dem man auch endlich zum Konzert gehen kann, das Kribbeln im Bauch vorm Treffen mit einer Person, die einer schon lange nicht mehr übern Weg gelaufen ist, das genießerische Denken an den Geburtstagskuchen, den man sich schon vor Monaten von der Schwester gewünscht hat, all das einfach nicht aufkommen zu lassen. Sie versucht also, besonders nüchtern an die Sache ran zu gehen. So kann sie nicht sonderlich enttäuscht sein. Weder von der Tatsache, dass das Konzert abgesagt wird, dass sich die Person als wirklich nicht sonderlich unterhaltsam herausstellt oder dass die Schwester doch die Torte zubereitet, die ihr besser schmeckt, als einer selbst.
Das ist auch eine Einstellung. Sie schützt irgendwo. So kommt es mir zumindest vor.

Als ich die Aussage von ihr, in der sie mir eben diesen Umstand zu erklären versuchte, gehört habe, war ich doch sehr schockiert. Ich persönlich liebe die Vorfreude. Und ich möchte ja nicht alte Sprichwörter rezitieren, die eh schon viel zu abgedroschen sind, als dass man sie überhaupt noch verwenden sollte. Aber ich glaube, man weiß, welches ich meine. Und ja, ganz stimme ich mit dem natürlich nicht überein. Das Gefühl, während die Lieblingsband live spielt zu tanzen, ist unbeschreiblich. Natürlich. Aber es ist auch anders. Es sitzt wo anders.
Diese Freude ist weiter oben, fast schon bei der Brust. Aber Vorfreude hat etwas von Verliebtsein, oder von Radfahren. Es kribbelt im Bauch beim Gedanken an den bevorstehenden Auszug. Man stellt sich immer wieder vor, wie es sein wird, gemeinsam zu frühstücken und über alle möglichen Themen zu plaudern. Das Grinsen ist nicht mehr wegzudenken. Der Tag ist gerettet. Man kann sich ja auf etwas stützen; etwas hilft, weil man die Energien aufwenden kann, um da hin zu arbeiten.


Ja.

Und dann werden die Hoffnungen, die sich langsam aber stetig - von den Zehenspitzen bis zu den Ohren - aufgebaut haben, zerstört. Die Erwartungen nicht getroffen. Die Blase platzt. Es ist alles anders, als man es sich vorgestellt hat. Und dann ist es besonders schlimm. Dann wünscht man sich die Nüchternheit. Wäre man doch gelassener mit diesen Tatsachen umgegangen. Wieso überhaupt einen Hype veranstalten?
Man sitzt also da. Alleine im Zimmer. Überlegt, was denn falsch gelaufen ist, dass die Bilder, die sich doch im Kopf so natürlich ergeben haben, nicht Realität geworden sind. Wieso ist das Treffen so verlaufen? Warum ist die Band, die doch auf CD gepresst so gut klingt, nur live so schlecht? Was soll das? Das geht so nicht!
Ich bin dann immer sehr überfordert. Vollgeladen mit Emotionen, die alle in eine andere Richtung zielen. Wut. Trauer. Frustration. Warum denn?

Und dann denke ich mir, wieso mich ihre Aussage denn so schockiert hat? Eigentlich ist das das einzig vernünftige, wenn man mal länger an diesem Brocken kaut. Rein hypothetisch hat es doch keinen Sinn. Und sowieso, geht man ohne Erwartungen an eine Sache, ist die Freude danach nur umso schöner, oder? Auch, wenn es dann ein und dieselbe Freude ist. Sie sitzt nämlich dann fast bei der Brust und nicht im Bauch. Dafür ist sie intensiver.

Andererseits gibt es dann eine andere Freundin, die sprießt nur so voller Erwartungen und den damit verbundenen Freuden. Und ihr geht es besonders gut. Natürlich ist das später Niedergeschlagensein sicher schwierig, stelle ich mir vor. Aber dann gibt es doch eh wieder den nächsten Termin im Kalender, auf den sich gefreut werden kann. Wie zum Beispiel nächsten Donnerstag. Da treffe ich mich nämlich mit ihr. Wir gehen endlich in die Ausstellung, die ich mir schon seit Ewigkeiten anschauen möchte und quatschen ganz viel.
Darauf freue ich mich schon sehr.
Ich freue mich auch schon auf heute Abend. Die schönste Band überhaupt feiert ihr zweites Album. Sie releasen heute im B72 und ich kann mir das natürlich nicht entgehen lassen. Da geh ich alleine hin, werden schon bekannte Gesichter dort sein.
Ich freue mich auch schon auf das nächste Lächeln von einer Fremden. Oder den nächsten Straßenmusikanten. Oder die Breie, die mir meine Mutter morgen alle zubereiten wird. Oder auf die nächsten lieben Worte, die an mich gerichtet sind. Oder an das nächste Mal, wenn ich Flavia de Luce aufschlagen kann und in ihrem dritten Fall schmökern darf.
Ich freue mich gerne.

Auch wenn ich gerade enttäuscht bin.
Bringt eh nichts. Ich freue mich weiter!

2 Kommentare:

  1. am rand des pc-bildschirms meines papas hängt ein zettelchen mit 'du musst immer etwas haben, worauf du dich freust' und das ist etwas, das einen - denke ich - hält, wenn man zu zerbröckeln droht, weil man weiß, dass nach dem anstrengenden jetzt etwas folgt, auf das es sich zu freuen lohnt.
    dazu gehört aber, um nicht hie und da enttäuscht zu werden, auch eine gewisse Toleranz, denke ich, die es einem möglich macht, zu akzeptieren, dass etwas nicht perfekt, sondern okay/akzeptabel war. und das muss manchmal reichen.

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    1. du hast ja vollkommen recht. man muss irgendwie ein wenig ein gleichgewicht finden, denke ich. toleranz ist schon gut gewählt, das wort, meine ich. tolerant umgehen mit der vorfreude, tolerant umgehen mit den nicht eingetroffenen erwartungen. aber das gilt auch geübt zu sein, oder? und das kann ein schwerer brocken sein.
      aber auf jeden fall finde ich das zettelchen schon sehr motivierend, eine nette idee ist das schon! :-)

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