Ich biege ab, überquere die Straße. Mein Radweg endet hier. Das Fahrrad stelle ich kurz ab und mache die große Flügeltür, die den Eingang in das eben erst renovierte Gebäude im fünften Wiener Gemeindebezirk bildet, auf. Lift. Ich freue mich auf die kühlen Temperaturen, die mir plötzlich entgegen kommen, kaum geht die Lifttür auf und manövriere meinen fahrbaren Untersatz aus der kleinen Kammer, die es irgendwie schafft, von Stockwerk zu Stockwerk bloß auf Knopfdruck zu flitzen. Jetzt wird es gleich noch kühler. Ein schöner Kontrast zu der schwülen Luft, die dich in den letzten Tagen draußen umfasst. Kellerabteil aufsperren, zusperren, soll ich mit dem Lift die paar Stöcke überwinden? Soll ich gehen? Ich entscheide mich heute einmal wieder für die unanstrengendere Variante und lasse mich kurz vor die Wohnungstür bringen, meistens gehe ich aber die Stufen und staune über die Schönheit dieses Hauses und die gußeisenen Geländer, an denen man Halt suchen kann, und über die Wasserhähnen, die vom Parterre übers Mezannin bis ins Dachgeschoß in jedem Stockwerk zu finden sind, freue ich mich, vor einigen Jahren mussten wohl die in diesem Haus lebenden Personen mehrmals täglich hier her kommen, heute sind sie großteils Zierde, funktionieren aber immer noch als schneller Durstlöscher.
Schlüssel rauskramen. Wo hab ich den noch schnell hingesteckt? Wenn mein Rucksack nicht so viele Fächer hätte... Ah, gefunden! Ich drehe ihn im Schluss um und bin positiv überrascht, als das schallende Gelächter meiner beiden Mitbewohnenden an meine Ohren dringt, dachte eigentlich, ich würde jetzt wieder alleine sein. Ich schnalle mein Skateboard von meinem Rucksack ab und stell es auf den Boden neben die Schuhe, die im Vorraum herumstehen - größtenteils sind es meine - und gehe ins Wohnzimmer.
Erst als ich mich auf einen Sessel fallen lasse, bemerke ich, wie mir alles wehtut. Meine rechte Hand und Seite lassen mich meinen gestrigen Sturz vom Board noch immer nicht vergessen, mein Rücken macht sich bemerkbar, Muskelkater über die Zähnen möcht ich gar nicht erst anfangen, zu jammern, und da sind noch weitere blaue Flecken auf meiner Haut, von denen ich die Ursache entweder nicht bemerkt oder schon wieder vergessen habe. Aber das macht jetzt nichts. Ich freue mich gerade darüber, dass mein Körper so standhaft ist, dass er sich zeigt, dass er da ist und dass ich so viel mache. Ich fahre mit dem Rad durch die Stadt und klingle Fußgänger und achtlose Touristinnen von meiner Fahrbahn, ich steige aufs Skateboard und probiere damit um eine 90 Grad Kurve zu fahren, ich treffe ganz viele liebe Leute. Und vor allem mache ich etwas und das auch noch mit jeder Menge Freude und ganz vielen Freundinnen. Heute bin ich vom spontanen Skaten am Donaukanal mit dem Rad über den Ring nach Hause gefahren und bin irgendwo abgebogen, weil mir die Gegend schon so vertraut ist. Da komm ich doch auch heim. Ich fahr durch Gassen und schlage andere Wege für den Heimweg ein und entdecke die Stadt. Sie gehört schließlich mir.
Unlängst hat meine liebe Mitbewohnerin den Kopf geschüttelt und gemeint, ich kenne so viele Leute. Und das freut mich so sehr. Es freut mich so sehr, dass ich Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung weiß und noch viel mehr, dass ich so viel Zeit mit eben diesen verbringen darf. Jeden Tag sehe ich eine andere Freundin. Jeden Tag wird etwas unternommen, und wenns die schon beinahe zum Jourfixe gewordene wöchentliche Kaffeeplauderei mit einem Lieblingsmensch bei mir in der Wohnung ist.
Ich gehe an so vielen Personen vorbei, von denen ich nichts weiß. Ich kann nur raten. Das mache ich gerne. Gerade vorgestern habe ich mit einer Freundin darüber geredet, wie viel Spaß wir daran haben, uns Geschichten zu manchen Menschen zu überlegen. Warum bist du heute hier? Wie gehts dir überhaupt? Am liebsten würd ich sie alle ansprechen. Aber nun ja, meine eigene Feigheit lässt mich ja nicht einmal bestimmte Nachrichten verfassen oder gewisse Bilder posten; da wird das wohl nichts mit dem Fremde-Leute-anquatschen. Wer weiß, vielleicht, wenn ich irgendwann dann doch eingesessene Wienerin geworden bin. Allerdings bleibt mir im Hinterkopf immer noch die wundervollen Personen, die mir helfen, meinen Alltag auszufüllen und die ihre Zeit für mich investieren. Ich kenne so wenige Leute, das stimmt. Im Wohnhaus, in dem auch rein zufällig unsere Tür zu finden ist, weiß ich von niemandem den Namen. Hallo sage ich trotzdem immer.
Aber jetzt ist einfach Sommer. Und ich habe noch wundervolle Tage vor mir, in dieser Hauptstadt. Und meine Haare kringeln sich ein und heute fühle ich mich wie eine Löwin. Mein Liedstrich sitzt hoffentlich und ich greife erneut zum Buch. Draußen donnert es gerade, wie ich höre und ich liege auf der Matratze am Boden. Das Bett wird schon noch irgendwann kommen. Später. Momentan genügt mir die kleine 90 Zentimeter breite Unterlage. Ich hab einen Spiegel in meinem Zimmer und ich bin mir meiner selbst bewusst. Ich beneide Bloggerinnen, die es nicht nur schaffen, mit ihren Worten in einer so phantastischen Art um sich zu werfen, sondern auch noch perfekte Fotos schießen und dann auch noch großartig aussehen. Aber ich kann vielleicht langsam akzeptieren, dass ich einfach nicht so ausschaue. Ich muss nicht schön sein, das definiert mich doch nicht, das sollte mich nicht definieren, rede ich mir zumindest ein.
Ich stopfe in meinen Rucksack alles mögliche an Zeug, das ich vielleicht brauchen könnte, wenn ich dann wieder rausgehe. Einen Regenschirm. Eine Weste. Trinkflasche, Geld, Labello und Schlüssel. Achja, etwas zum Schreiben sollte ich nicht vergessen.
Man weiß ja nie, was unterwegs so einfällt, was für Ideen andere so haben, wo die Inspiration herkommt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen