Gerade eben hat sich mal wieder mein Facebook-Feed umgestellt. Ich sollte eigentlich prinzipiell aufhören, Dinge zu liken. Egal, ob es ein Status von Stefanie Sargnagel ist, oder ein Beitrag von Upworthy, meine Pinnwand füllt sich nach dem nächsten Klick auf den Aktualisieren-Button mit Dingen aus dem Leben eben dieser Leuten beziehungsweise Seiten. Jetzt ist der der Tellerchen-Debattierclub, der meine Startseite heimsucht. Hätte ich das Zitat "If you can be vegan except for one thing, then be vegan except for that one thing" doch bloß nicht geliked. Auf jeden Fall finde ich es eigentlich nicht ganz so cool, dass sich das so drastisch umstellen kann. Durch diesen Artikel bin ich überhaupt erst drauf gekommen, wie manipulativ das Ganze nicht ist.
Egal, ich möchte mich heute nicht zu viel über Facebook aufregen. Das würde ein langer Post werden, fürchte ich - angefangen vom Zeitraub über die Demotivation, die ich erfahre, wenn ich keine Nachrichten oder sonst etwas empfange. Dadurch, dass mein Feed jetzt gestopft voll mit Beiträgen zu Veganismus ist, ist mir eingefallen, wie viel derselbe mir nicht geholfen und gebracht hat. Ja, und das möchte ich ganz gerne heute teilen.
Angefangen habe ich ja als Vegetarierin mit elf. Aus relativ naiven Gründen eigentlich und ziemlich uninformiert. Aber macht nichts, der gute Wille zählt doch und schlussendlich habe ich es auch durchgezogen. Mir taten doch die Tiere so leid und das konnte ich nicht mehr unterstützen - von grauenvoller Massentierhaltung und Umwelt- sowie sozialen Faktoren konnte da noch gar nicht die Rede sein. Trotzdem habe ich in meine Avocado-Aufstrich-Semmel gebissen und es durchgezogen, obwohl ich Fleisch an und für sich schon ziemlich geil gefunden habe. Es hat mir halt geschmeckt und die erste Zeit war auch nicht gerade leicht für mich, das muss ich wirklich zugeben, es hat auch einige Rückfälle gegeben. Und jetzt sitze ich hier und lebe seit gut sieben Jahren fleischlos.
Später habe ich mich dann immer mehr mit dieser Materie, dem Vegetarismus, beschäftigt und bin auf immer mehr Dinge gestoßen. Immer mehr schreckliche Tatsachen und immer mehr Motivation für mein Tun. Aber trotzdem habe ich nie so wirklich darüber nachgedacht, ganz auf Milch und Eier zu verzichten. Käse habe ich sowieso immer schon grauslich gefunden und wie hätte ich denn sonst meine ach-so heißgeliebten Crunchys (wie ich meine gezuckerten Cornflakes, Honeypops und sonstige Musli-Varianten immer nannte) verspeisen sollen, wenn nicht in einer Schüssel zusammen mit Milch? Ich hab sogar schon rausgehabt, welche Crunchys mit warmer und welche mit kalter Milch besser schmeckten. Allerdings gab es bei uns zuhause doch ab und an mal eine pflanzliche Milch, meistens die Sojamilch mit Vanille, die mir auch zugesagt hat. Aber so ganz war mein Bewusstsein noch nicht gebildet. Das erste Mal, das ich mich erinnern kann zumindest, dass ich bewusst vegan gegessen habe, war bei meinem allerersten GirlsRockCamp. Dort wird einfach die ganze Woche über vegan gegessen. Punkt. Na gut, es hat um die Ecke einen Schnitzelkönig oder so gegeben, aber Fleisch war ja sowieso schon von meiner Speisekarte gestrichen. Ja, und dann das Jahr drauf hat das Essen dort immer noch so phänomenal geschmeckt. Das ist wirklich ein so enormer Pluspunkt, eine ganze Woche so lecker zu essen ist halt doch ein großer Luxus. Und dann nach meinem zweiten Camp bin ich irgendwie nachdenklich geworden. Ich habe mich mit der Köchin unterhalten gehabt und mit anderen vegan lebenden Frauen*. Es macht schon Sinn eigentlich...
Und dann kam ich ja bekanntlich in meine wundervolle Abwärtsspirale. Sojamilch hat ja fast gar kein Fett! Diese tierischen Produkte waren ja praktisch vollgepumpt mit ungesund und Fett, wie mir schien. Also, wieso nicht gleich ins für so viele Menschen Radikale gehen? Tut der Umwelt gut. Tut den Tieren gut. Tut meinem Körper gut. Naja, das mit dem Körper ist ja so eine Geschichte.
Bei mir hats dann schätzungsweise genauso angefangen, wie für die meisten vegan lebenden Menschen. Zuerst einmal nur gemeint, man lasse einfach für eine bestimmte Weile Milch und Eier weg und probiere ein paar neue Dinge. Irgendwann kippt das dann ins deklarierte Veganerinnen-Dasein.
Ich war so vollgefressen mit all dieser Fleischproduktion, dem wirtschaftlichen Grundtenor, der immer mitschwingt, der Massentierhaltung, der Auswirkungen auf die Umwelt, der Wasserverschwendung und so weiter. Und ja, so schwer es mir auch fällt zuzugeben, die fettreduzierte Diät unter dem Deckmantel "vegan" spielte ihren Teil mit.
Aber die rein pflanzliche Ernährung hatte nicht nur eine große Rolle zu Beginn meiner Abnehmensgeschichte, sondern eine ganz wesentliche am Ende derselben. Veganes Essen kann ich essen. Da ist das schlechte Gewissen nicht so groß. Es gibt auch ganz häufig einfach nur tierische Süßigkeiten und ich hatte irgendwo eine Ausrede, diese nicht verspeisen zu können. Und es war sehr wichtig für mich, diese tierischen Nahrungsmittel weglassen zu können. Zum Einen, weil ich dann vielleicht doch ein bisschen Kontrolle hatte und mir ein paar Regeln aufstellen konnte. Aber wahrscheinlich zu einem großen Teil deswegen, weil vegan schon sehr gesund ist meistens. Natürlich sind Pommes auch vegan, aber sonst wird viel mit Gemüse und Vollkorn und gut gekocht.
Letztens habe ich auch in den an.schlägen, die vor einiger Zeit ein Heft mit Schwerpunkt Veganismus&Feminismus rausgebracht haben, einen Artikel durchgelesen, der auf eben diese Thematik eingegangen ist. Für viele Menschen, die eine Essstörung haben, ist es hilfreich, sich vegan zu ernähren, weil man dadurch mit dem Gewissen eher im Reinen ist und sich trotzdem noch irgendwelchen selbstaufgetragenen Regeln, die das Essverhalten betreffen, unterwerfen muss oder kann. Essen wird dadurch thematisiert, das ist keine Frage. Man muss sich bei manchen Lebensmittel die Inhaltsstoffe durchlesen und ist oft auch vernetzt, liked Seiten auf Facebook über dieses Thema oder unterhält sich über vegane Rezepte mit Freund*innen, man kann nicht unbedenklich irgendetwas von jemandem annehmen und es sich in den Mund stecken, weil immer nachgefragt werden muss, ob etwas Tierisches enthalten ist. Aber Nahrung ist soundso ein Thema. Das kann man so viel leugnen, wie man will, es ist einfach so. Und dadurch wird es irgendwo...sinnvoller umgesetzt. Man beschäftigt sich mit dem, was man zu sich nimmt, und macht es aber gleichzeitig nicht aufgrund von irgendwelchen Selbstrestriktionen oder wegen des Abnehmens. Man macht es, weil es einfach besser ist. Beziehungsweise habe ich für mich entschieden, dass es besser ist und ich anders nicht klar kommen würde. Ich hab sozusagen ein bisschen das Medium gewechselt. Und dennoch habe ich für mich herausgefunden, wie ich trotz alldem nicht zugrunde gehe, weil ich mir selbst etwas verbiete. Ich esse Honig, wenn er von einer Imkerei aus meinem unmittelbaren Umfeld im Waldviertel stammt und ich sicher sein kann, dass es den Bienen gut ergangen ist. Honig liebe ich einfach und außerdem braucht unser Ökosystem und all unsere anderen angebauten Pflanzen die summenden Insekten so sehr! Industriehonig kann ich nicht vertreten, den aber schon und irgendwie tut man dadurch auch ein bisschen was Gutes - ich unterstütze so die hiesigen Imker und Imkerinnen und die Umwelt hat ein paar Bienchen mehr. Ich frage auch nicht immer nach. Beim grünalternativen Sommercamp, auf welchem ich die letzten paar Tage verbracht habe, gab es zwar mittags und abends Veganes auf die Teller, das Frühstück wurde aber von der Herberge bereitgehalten und das war leider nicht sonderlich veganerinnenfreundlich. Es gab Wurst, Käse, Aufschnitte, Marmelade und Honig im Plastikbecher, Milch, Cornflakes, Semmeln. Oberflächlich betrachtet bleiben die Cornflakes, die Semmeln und die Marmelade über. Gut, ledige Cornflakes sind jetzt nicht grad das Wahre - dann halt eine (oder drei) Semmel mit der mehr als künstlichen Marmelade. Aber es kann so gut sein, dass diese Semmel, die da auf meinem Tellerchen liegt, mit Ei bestrichen worden ist, beziehungsweise Milchzucker, Molkepulver oder sonstige Inhaltsstoffe beinhaltet. Das kommt recht häufig vor und würde mich auch nicht weiters wundern. Ich habe aber nicht die Energie gehabt, das herauszufinden. Ich brauche mein Frühstück und kann natürlich hoffen, dass nichts Tierisches da drinnen war, bin mir aber eben nicht hundertprozentig sicher. Aber das geht auch. Ernährung ist etwas so unglaublich Persönliches, und wenn ich für mich entscheide, dass ich das vertragen kann, ist das in Ordnung, finde ich. So habe ich auch ein bisschen die Last des veganen Essens von mir genommen - ganz strikte Essensvorschriften sind halt einfach nicht gut für mich, das weiß ich mittlerweile.
Aber trotzdem, es geht, dass ich in einen veganen Kuchen reinbeiße und ein veganes Vanilleeis löffle. Kommt mir immer noch etwas besser vor. Und außerdem habe ich gesehen, dass die Schokoflakes, die meine Mitbewohnerin gekauft hat, ebenfalls vegan hergestellt worden sind. Tja, was soll ich sagen? Heute habe ich mir allen Ernstes ein paar von diesen Kalorien- und Zuckerbomben in eine Schüssel geleert und gegessen, ganz für mich alleine und es war gar kein Riesending. Ich habe sie gegessen, weil ich sie essen wollte, sie sind ja schließlich vegan, das darf ich also. Ich habe sie auch nicht gegessen, weil ich irgendwem beweisen wollte, dass ich es könne. Einfach nur, weil ich gerade Lust darauf hatte.
Vegan sein hat mir wirklich unheimlich geholfen. Das ist mir erst heute so richtig, richtig bewusst geworden.
Ich sehe, wie viele Schritte ich immer wieder mache und freue mich. Ich lass so viel zu und eigentlich, zumindest gerade in diesem Moment, habe ich das Gefühl, kann ich alles essen, das mich gerade gelüstet. Schlussendlich habe ich in letzter Zeit bitte weiße Semmeln gegessen, Eis geschleckt und Gezuckertes zwischen meine Zähne geschoben. Ist ja nichts dabei.
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