Sonntag, 17. August 2014

Ja, hallo! Wie gehts dir so?

Heute habe ich mit meiner Mitbewohnerin über dieses Thema geredet. Ganz kurz nur. Sie hat mir bloß erzählt, dass sie mit jemandem via irgendeinem sozial media Portal kommuniziert. Das hab ich witzig gefunden und wollte wissen, welchen Themen die beiden also beschäftigen.

Hey.
Hey.
Wie gehts?
Danke, gut. Und dir?

Das hat mich irgendwie zum Denken angeregt. Ich weiß nicht, aber ich habe das Gefühl, dass diese Frage schon zum Small Talk degradiert worden ist. Als würde ich fragen, wie mein Gegenüber das Wetter findet. Ja, schön. Vielleicht ein bisschen zu windig. Und du so? Und da ist es egal, wie schrecklich aufwühlend die Witterungslage sein kann, wie sehr man von den Konditionen, die da draußen herrschen, betroffen und gestört ist, wie unglaublich man sich an den paar Sonnenstrahlen, die durch die Wolkendecke brechen, erfreut. Ein bisschen windig halt. Obwohl es stürmt. Ganz angenehm. Obwohl man vor Lebenslust springen könnte. Ich hab heute eigentlich noch gar nicht aus dem Fenster geschaut. Obwohl die Stimmung, in der die Umwelt getunkt ist, und die ganzen Grautöne auf der Schulter lasten und bedrücken.
Wann antwortet man auf diese zwei Wörter, die doch eigentlich so vieles fragen, schon einmal wahrheitsgetreu? Zu hundert Prozent. Wann möchte die Person, mit der man doch gerade eine Konversation, egal durch welches Medium, egal auf welchem Wege, führt und führen will, denn wirklich eine richtige Antwort hören und nicht bloß das Schweigen, die sooft rezitierte peinliche Stille, überbrücken? Wer interessiert sich denn nun echt dafür?

Ich Stelle diese Frage relativ häufig. Auch gerne mehrmals am Tag ein und derselben Person. Ich weiß doch, wie schnell Stimmungen umschlagen können, durch was für Kleinigkeiten man sich in diesem Sinne beeinflussen lassen kann und wie die Welt plötzlich eine andere Farbe annimmt, nimmt man die rot getönte Sonnenbrille ab. Wenn du mich interessierst, möchte ich auch erfahren, was in dir vor geht, wie es dir geht.
Aber egal, was meine Motivation, mein Motiv, für das Fragen war, die Antwort fällt doch zumeist sehr ähnlich aus. Geht so. Ganz in Ordnung. Passt schon. Okay. Und was fange ich jetzt an damit? Ich freue mich. Oder auch nicht. Allein bei dem kleinen passt schon kann man so einiges rein interpretieren. Es kommt auf den Tonfall, auf den Ausdruck und das Zwinkern drauf an.

Trotzdem kommt es mir manchmal so vor, als würden Viele das Gehts dir gut? nicht ernst meinen. Sie fragen einfach des Fragens Willen. Das gehört sich so. So beginnt man eine Konversation. Und wenns nur darum geht, dass man dann zurückgefragt wird und die Gesprächspartnerin vollquatschen kann über die eigene Gemütslage und die wirklich schlimmen Problemen, durch die man gerade mit den Kakteen durchgehen muss. Die wollen nämlich einfach nicht blühen. Also nur der eine, der bei mir im Wohnzimmer auf der Fensterbank steht. Das Erfragen nach der emotionalen Stimmung der anderen wird also häufig ausgenutzt, oder liege ich dabei falsch? Erst letztens wurde ich von einem Bekannten angeschrieben, mit genau diesem Satz. Beziehungsweise mit einem simplen "hey". Der Beginn unseres Whatsappverlaufes schaut also sehr ähnlich aus, wie der oben angeführte. Nur hat er mir dann irgendwas erzählt, auf das er eindeutig hinaus wollte - selbst wenn ich geschrieben hätte, es könnte mir besser gehen, wäre er höchstwahrscheinlich nicht darauf eingegangen. Er hat ja schließlich was auf der Zunge, oder auf den Fingern, brennen, das er unbedingt loswerden muss. Ist auch okay. Eigentlich. Aber diese Scheinheiligkeit macht mich fertig. Wenn du dich nicht dafür interessierst, wies mir geht, dann tu doch nicht so. Rück gleich raus mit der Sprache.

Und noch eine Frage kommt in diesem Kontext auf. Wann beantwortet man "Wie geht es dir so?" schon der eigenen Wahrheit entsprechend? Wir machen jetzt also einen Perspektivenwechsel - jetzt gehts um die Gefragten. Und schon wieder spreche ich von mir. Das tue ich, weil ich an und für sich nur für mich reden kann, vielleicht empfindet das eine andere komplett anders und verallgemeinern soll man ja bekanntlich nicht. Außerdem bin ich mir am nähesten, so komisch das jetzt auch klingt. Aber ich weiß einfach, wie ich antworte und was ich eigentlich gerne gesagt hätte. Bei anderen kann man das immer nur erahnen. Vielleicht meint er es ja wirklich so. Sie fühlt ganz anders, das merk ich. Und obwohl das mit den eigenen Emotionen Erforschen ganz und gar nicht einfach ist - wie oft weiß man denn selbst nicht, wie es einer geht? - ist es doch um einiges leichter, als von der nonverbalen Gestikulation anderer Menschen auf ihren inneren Zustand zu stoßen.
Also, ich antworte eigentlich konsequent mit einem mir gehts gut, danke. Vielleicht ab und an auch geht eh. Bin gerade ein bisschen fertig, aber sonst passt alles. Ja, schon in Ordnung. Aber eigentlich tobt es in mir und ich möchte mit all meinen Emotionen rausplatzen, mich anvertrauen und über mein Innenleben sprechen. Aber wie gesagt, die meisten interessieren sich sowieso nicht dafür. Oder aber ich komme mir blöd vor, weil dann ein großer Teil des Gespräches damit verbracht wird, über meine Person zu reden, weil ich mich dann in den Mittelpunkt dränge. Und außerdem, wem kann man denn wirklich das erzählen, was gerade brennend beschäftigt? Weiters kommt dann meine Inkompetenz, das auszudrücken, was in mir vor sich geht, hinzu. Und die Scham. Wie kann ich denn meinem Gegenüber erzählen, dass ich mich schlecht fühle, weil ich etwas gegessen habe, ohne für verrückt gehalten zu werden? Das ist ja nicht zum Nachvollziehen, eigentlich. Und trotzdem spukt es in meinem Kopf herum, dieser Gedanke, dieser Schatten. Wie kann ich bitte klar machen, dass ich mich unendlich viel freue, hier sein zu dürfen? Ich möchte ja nicht übertrieben und übertreibend wirken, nicht so rüber kommen. Außerdem kann ich gar nicht beschreiben, wieso es mir so fantastisch geht. Es passt einfach gerade alles zusammen.

Ich empfinde es trotzdem als unheimlich wichtig, über die Gefühle zu reden beziehungsweise das überhaupt zu können. Dafür braucht es aber viel. Es braucht einmal ein Gegenüber, dem man vertraut, das interessiert an einer ist, dem man so nah ist, das allerdings immer noch einen gewissen Abstand, eine gewisse Objektivität bewahren kann, kritisch und einfühlsam, gelassen und konsequent ist. Dann muss natürlich - wie eigentlich immer - die Situation und das Umfeld passen und wenn man sich wohlfühlt, ist das bestimmt auch kein Fehler, nicht? Wenn einer dann die Emotionen aber unglaublich peinlich sind, wird es schwer. Am besten wäre es wohl, wenn das eben erwähnte Gegenüber auch ein/zweimal nach hakt und auch nicht locker lässt. Es außerdem so meint. Nicht mit Geplänkel die Zeit vertreiben möchte und ein ernsthaftes Interesse an den Tag legen kann.
Ich will nicht über das Wetter und mein Gemüt reden. Ich will ausdrücken, was der Nieselregen, der auf die Blütenblätter prasselt, in mir hervorruft, wie sich die Welt plötzlich schneller dreht und mein Herz stehen bleibt, ich möchte mein ganzes Innenleben umkrempeln, gemeinsam mit dir aufräumen und alles auf den Tisch legen.
Ich will keinen Small Talk führen. Nie. Keine auswendig und schon hundertmal runtergebeteten Phrasen aufsagen. Ich geh ja auch nicht in die Kirche. Gespräche müssen auch etwas bedeuten, und selbst wenn es um die äußerlichen Gegebenheiten der Witterung geht, möchte ich übertreiben dürfen. Ich will Interesse und diese auch zeigen. Ich will auf ein das nächste wie geht es dir antworten, dass ich gerade in einer Sinneskrise stecke, dass ich gerade strahle. Ich möchte erzählen können, was los ist und auch das Gleiche von anderen erwarten. Ich möchte Gespräche, kein hin- und herschupfen von einem Ping-Pong-Ball. Ich will zuhören und gehört werden.

Also, wie geht es dir?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen