Sonntag, 16. März 2014

über Perfektion und Können - und alles, was dazwischen ist

Um ganz ehrlich zu sein, ich wäre gerne perfekt. Na gut, schätzungsweise spüren viele Menschen eben dieses Verlangen. Es ist also nichts Neues und irgendwie sicher auch nachvollziehbar. Aber trotzdem. Oft kann ich an nichts anderes denken, als daran, dass ich einfach nichts kann und es so schön wäre, in irgendeiner Weise besonders gut, besonders erfolgreich zu sein.
Es ist nämlich so: Ich kann alles so ein bisschen, aber nichts wirklich. Ich kann ein wenig Harfe spielen, beherrsche ein paar Rhythmen am Schlagzeug, ich weiß, wie man mit einer Kamera umgeht, bringe aber trotzdem nur minder-qualitative Fotos zusammen, kann mittelmäßig gut schreiben, bin relativ nett, ich versuche zwar sportlich zu sein, bin aber auch nicht herausragend gut, kenn mich ein bisschen in Naturwissenschaften und bei Literatur aus, hätte an und für sich ganz schöne Locken, allerdings zu wenig Haare dafür, kann so ungefähr ein bisschen argumentieren, kenne mich mehr oder weniger mit Nachhaltigkeit, Feminismus und Politik aus sehe eher durchschnittlich aus und ich schaffe es immer nur, ein Auge so halbwegs realistisch zu malen. Besondere Talente finden sich bei mir keine. Ich mache zwar wirklich viele Dinge wahnsinnig gerne und lerne auch mit Freude dazu, aber trotzdem ist alles nur unteres Mittelmaß.


Irgendwie wäre ich gerne, wenigstens in einer Sache, wirklich, wirklich gut. Dann würde sich die potentielle Jobwahl auch nicht als so schwierig erweisen und ich hätte etwas, mit dem ich trumpfen könnte.

Wenn ich dann so an einige Freundinnen oder Freunde von mir denke, die in so vielen Sachen begabt sind, die unheimlich toll Klavierspielen, wirklich wahnsinnig gut mit Leuten umgehen können, sich bei irgendeiner Thematik richtig gut auskennen oder sonst irgendetwas, dann werde ich immer neidisch. Und das ist schon wieder ein Zug von mir, den ich nicht leiden kann. Nicht, dass ich mich durchgehend mit anderen vergleiche, nein, ich fühle mich dann erstens schlecht dabei und zweitens gönne es den anderen teilweise nicht wirklich. Natürlich freue ich mich, wenn jemand mir seine oder ihre besondere Begabung vorführt, mir zum Beispiel etwas vortanzt oder mir einen Text zu lesen gibt, mir Fotografien zeigt, ich schätze das auch irrsinnig. Aber in meinem Hinterkopf schwirrt immer der Gedanke daran, dass ich das einfach nicht so gut kann, mit. Das kann ich irgendwie nicht abschalten und finde es sehr schade. Mir tut das dann auch immer leid, wenn ich nicht in dem Ausmaß begeistert reagiere, wie es die Person eigentlich verdient hätte - das liegt alles an meiner schrecklichen Eifersucht.

Als ich das so vor mich hin schrieb, sind mir wundervolle Worte von einer ganz lieben Freundin von mir eingefallen.
Letztes Wochenende hielt sie einen Tanzworkshop und lud mich ein, ebenfalls teilzunehmen. Zuerst hatte ich Bedenken, weil ich einfach so ungelenk bin und mich nicht gut bewegen kann. Ich hab mich aber doch dazu entschieden, mitzumachen und hab ihr trotzdem erzählt, dass ich einfach nicht sonderlich gut tanzen kann und sie es sicherlich schwierig haben wird mit mir. Ihre unmittelbare Reaktion darauf war wirklich sehr schön. Sie hat mir gesagt, dass sie es so schade finde, dass in unserer Gesellschaft nur noch alles aufs Können ausgelegt wird, dass immer alles super und perfekt sein muss und man einfach nicht mehr zufrieden sein darf mit sich selber. Tanzen sei etwas Schönes, das Spaß machen und bei dem man sich in seinem Körper wohlfühlen sollte. Da geht es nicht ums Können oder Nicht-Können, es geht einfach nur um den Spaß an der Freude. Und überhaupt, man tanze erst richtig gut, wenn man nicht mehr an Leistung und Fähigkeit denke, sondern sich einfach darüber freut, dass man sich gerade bewegt.

Und sie hatte recht. Trotz meiner unbeholfenen Bewegungen war es einfach nur unglaublich lustig und es wurde ein wirklich feiner Nachmittag daraus.
Und sie hat auch damit recht, dass in unserer Sozialisation alle auf Leistung gedrillt werden und alles auf eben das reduziert und ausgelegt wird. Der bloße Spaß geht meist unter und irgendwie werden wir nur noch auf unsere Fähigkeiten beschränkt, die aber oft nichts mit unserer Persönlichkeit zu tun haben, die im Grunde genommen nichts mit einem selbst zu tun haben.

Eigentlich hat sie ja recht. Und eigentlich sage ich das auch jeder, die mir sagt, sie könne etwas nicht sonderlich gut oder könnte besser sein. Das ist schon wieder einer dieser Fälle, bei denen ich mich nicht an meine eigenen Überzeugungen halte. Ich fände eigentlich, dass... Setze es bei mir aber nicht um.

Ich finde, dass ich perfekt sein sollte.

Oh, und ich wäre es gerne.
Aber es muss ja nicht unbedingt Perfektion sein - wieso könnte es nicht einfach eine, eine einzige, Sache geben, die ich halt besonders gut kann, in der ich so manchen etwas voraus hätte.

Aber eigentlich bin ich eh selbst Schuld daran, dass das so ist. Wenn ich mich auf ein Ding, zum Beispiel das Schlagzeug spielen, konzentriert hätte und einfach mehr üben würde, dann würde ich auch besser werden. Aber ich bin natürlich so faul und mache die Sachen, die ich mir vorgenommen habe, nicht.
Naja. Andererseits möchte ich nicht wissen, wie lange ich üben müsste - zur Zeit haue ich fast jeden Tag auf meine Trommeln, meistens für zwanzig bis dreißig Minuten. Und trotzdem. Dafür, dass ich schon so wahnsinnig lange Unterricht nehme und schon so viele Stunden hinter der großen Trommel verbracht habe, kann ich genau genommen gar nichts.

In dem Kontext fällt mir gerade ein Spruch ein, der auf der Wand von meiner Musikschule hängt:

"Fürchte dich nicht vor Perfektion, du wirst sie nie erreichen"
Leider.

3 Kommentare:

  1. immer wieder habe ich gelesen 'wenn ich doch nur EINE sache gut k�nnte', 'EINEN bereich perfektioniert h�tte' ..ich frage mich dann, wie weit es von der perfektion zur einseitigkeit ist? vielleicht ist imperfektion nur ein weg zur vielseitigkeit.

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  2. Ich kenne diesen Gedanken selbst sehr sehr gut!
    Bin bei mir selbst auch der Meinung, dass ich nichts herausragend gut kann. Jammere diesen Sachverhalt auch regelmäßig meinem Freund vor.

    Was mir zum Perfektionismus nur einfällt ist: Es ist so ziemlich egal, ob du perfekt in irgendeiner Sache bist. Du kannst dir sicher sein, es gibt immer irgendwo noch jemanden, der ist darin noch besser. Und auch noch jünger. Und sowieso klüger, etc.

    Wir sind aber doch so viel mehr, als nur ein Platz auf einer Rangliste von Begabungen.

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    1. Deinen letzten Satz schreibe ich mir auf. Der ist so schön formuliert und ja, eigentlich hast du vollkommen recht.

      Aber trotzdem, irgendwie ist es schrecklich. Ich hab es eh beschrieben, dass ich so gerne irgendetwas gut können würde und sowieso selbst Schuld trage. Trotzdem gibt es immer jemanden, wie du schon sagst, der*die besser ist.

      Und he, also im fremde Leute aufheitern bist du so ziemlich einzigartig begabt :)

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