Sonntag, 6. Juli 2014

Und ich fange bei Null an.

Eine meiner liebsten Freundinnen hat unlängst gesagt, dass sie sich manches Mal in ungute Situationen begibt, mit voller Absicht. Einzig und allein darum, dass sie all ihre Emotionen und die gemachten Erfahrungen dann in ihre Kunst packen kann und mit ihrem Leid ihre Texte verbessert. Bestimmte Erlebnisse rufen Gefühle auf und diese drängen dann oftmals förmlich darum, umgesetzt und in etwas anderes umgewandelt zu werden. Wie das bei der Zellatmung geschieht, die nicht verwendete Energie wird als Wärme abgegeben und in die Umwelt freigelassen. Innere Energie wandelt sich in Äußere um. Das kann auch mit der Innenwelt geschehen.
Einige der besten Werke wurden geschaffen, als sich der*die Kunstschaffende in großem Schmerz befand, oder in großer Freude, oder in großer Trauer. In besonderen Emotionen. In außergewöhnlichen Zuständen. Warum hätten die Künstler und Künstlerinnen des Expressionismus sich sonst absichtlich in den Wahnsinn getrieben? Rauschmittel. Kontroverse. Provokation. Abschottung. Alles wurde erlebt und nichts ausgelassen. Nächte werden durchgetanzt und der darauffolgende Tag wird zum Horror. Diskussionen werden herausgefordert genauso wie manch andere Mitmenschen. Und alles wird umgesetzt. Auf Papier gebracht oder in Töne verwandelt oder in Bewegungen. So Vieles ist da, das wert ist, ausgedrückt zu werden. Aber oft gestaltet sich der Weg, den man gehen muss, um zu diesem zu kommen, als steinig und kurvenreich. Deswegen extrem, deswegen wild.
Momentan geht es drunter und drüber bei mir. Heute ist das letzte Mal, dass ich meine Augen schließe und einschlafe und gleichzeitig im kleinen Dorf wohne und nicht in der Hauptstadt. Vieles ist neu. Alles ist anders und langsam habe ich das Gefühl, dass die Veränderungen minütlich eintreffen. Nichts kommt, wie geplant und plötzlich befindest du dich in Charles Dickens Geburtsort und musst dich in einem fremden Land zurechtfinden, ohne Karte, ohne Ortskundige. Beim nächsten Wimpernschlag beginnt es zu regnen und eine neue Zeitrechnung hat begonnen. Einen Moment bin ich unglaublich glücklich, dann überkommt es mich mit traurigen Emotionen und ich halte es fast nicht aus, das wird von Überdrehtheit abgelöst und der Kreis schließt sich damit. Ich habe so viel in mir und so viel möchte raus. Ich möchte es raus lassen. Ich habe vor, es umzusetzen. Ich möchte so viel schreiben und malen und zeichnen und all meine Gefühle in Ellin Vanin stecken. Ich fühle mich überfordert und gleichzeitig ganz frei und erwachsen. Komme mir vor wie mein dreizehnjähriges Ich, mit dem gerade erst der allererste Freund per SMS Schluss gemacht hat. Bin voller Inspirationen und doch irgendwie stockt es. Es ist alles neu und ich kann endlich von vorne beginnen. Mir fehlt mein Dackel immer mehr und ich weiß, dass mein Heimweh zu Zeiten groß sein wird. Ich weiß aber auch, dass so viele Möglichkeiten auf mich warten und ich alle ergreifen kann. Emotionsshake.
Und das möchte ich ausdrücken. Ich möchte das alles sinnvoll verwerten und irgendwie vielleicht auch etwas schaffen, etwas Kleines nur. Ich möchte meine Energien verwendet, etwas bewirken und mich engagieren und jeden Tag Kunst schaffen - und wenn es bloß die Kunst ist, den Tag zu überstehen. Eigentlich habe ich vor, gar keine Zeit zu haben, um traurig zu sein und doch möchte ich all meinen Kummer konzentrieren und auf meine extra für die Zeichenreifeprüfung gekauften DIN A1-Papiere bringen. Ich möchte mit meinen Emotionen positiv umgehen und sie akzeptieren und sie vor allem nutzen. Ich möchte einen Nutzen aus meinen Gefühlen ziehen. Mein Bestes geben und scheitern und lachen. Ich verwende die Veränderungen und verwandle sie in etwas anderes. Das möchte ich tun. Das werde ich tun. Ab morgen. Morgen beginnt etwas Neues. Ab morgen muss ich mehr oder weniger alleine für mich sorgen und einkaufen und kochen und putzen und Wäsche waschen und Staubsaugen und aufräumen und die Wohnungstür absperren. Ich nutze das als Chance, habe ich mir überlegt. Ich beginne von Neuem und fange bei Null an.

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