Freitag, 28. Februar 2014

Intimität

Für mich ist Essen etwas unheimlich Persönliches.

Wenn man so darüber nachdenkt, dann ist der Akt des Nahrung zu sich Nehmens die privateste Tätigkeit, die so während des Tages gemacht werden kann. Zuerst stehen persönlichste Empfindungen im Vordergrund; was schmeckt mir und was schmeckt mir besonders gut? Dann ist die Frage, ob man Zeit für die Zubereitung hat beziehungsweise sich diese Zeit nimmt oder nehmen kann. Wenn mein Tag stressig ist, habe ich meistens keine Möglichkeit, mir sonderlich groß aufzukochen und mir genau das zuzubereiten, auf was ich momentan am meisten Lust hätte. Oder ob man es sich leisten möchte. Leisten kann man jetzt auf mehrere Bedeutungen auslegen - im Zusammenhang mit Geld ist es setzbar, mit Kalorienzufuhr, könnte ich mir diesen zusätzlichen Brennwert noch leisten?, und Ähnliches.
Und dann, natürlich, isst man Essen. Du steckst, wie unappetitlich das jetzt klingen mag, wortwörlich Dinge in deinen Mund, die dann in deinem Körper weiterverarbeitet werden.
Heutzutage wird aber immer und überall gegessen. Man bekommt an jeder Ecke das ungesündeste Zeug verkauft und denkt schon gar nicht mehr wirklich darüber nach, was man so in den eigenen Körper bringt. Essen ist eine Nebentätigkeit für die meisten unter uns geworden, das allem anderen untergeordnet werden kann. Man muss sich nicht mehr wirklich Gedanken darüber machen, ob man etwas zu Essen bekommt, wenn man den ganzen Tag außer Haus ist, Geld haben wir sowieso alle genug, um uns überall versorgen zu können. Der Aspekt des Gesunden bleibt dann meistens auch auf der Strecke. Wie gesagt, niemand interessiert sich mehr, welche Inhaltsstoffe ein Produkt hat.

Irgendwie glaube ich außerdem auch, dass, hat man feine Gedanke während der Nahrungszunahme, dann das Essen wesentlich gesünder ist, als wenn man dauernd nur ein schlechtes Gewissen hat. Und wie kann ich in einer Umgebung, in der ich mich nicht hundertprozentig wohl fühle, eine gute Einstellung meinem Essen gegenüber entwickeln? Das kann ja eigentlich gar nicht gehen...

Deswegen ist es für mich momentan ein wenig schwer, vor manchen Personen zu essen. Den Gedanken an Intimität bekomme ich leider nicht weg und so mache ich mir es selbst sehr schwer, zu essen, wenn ich Hunger habe, sofern ich unter Menschen bin.
Am Allerschlimmsten ist es in meiner Klasse. Ich fühle mich schon beinahe schlecht, packe ich meine Jause während der großen Pause aus, wenn meine Klassenkamerad*innen noch im gleichen Raum sind wie ich. Irgendwie überlege ich dann, was die jetzt von mir denken, was sie über mich denken, wenn ich da jetzt ein riesen Weckerl verspeise. Warum kann ich nicht einfach so sein, wie das eine Mädchen, das unter der Schulzeit beinhart nichts zu sich nimmt? Ich bekomme doch Hunger und bin dann meistens in einer verzwickten Situation.
Ich habe jetzt angefangen, einfach zu warten, bis niemand mehr in der Klasse anzutreffen ist, wenn wir beispielsweise in einem anderen Raum Unterricht haben. Oder ich gehe zum Fenster am Gang. Unsere Klasse ist die ganz Hinterste und bei den Fenstern, wo momentan sogar meistens Sonnenstrahlen anzutreffen sind, stehen Pflanzen. Da ist  man dann doch ein wenig abgeschottet und unbeobachtet.

Das ist wirklich ungut. Ich verstehe auch gar nicht, wie das gekommen ist. Früher hatte ich wirklich keine Probleme, vor anderen Menschen zu essen. Und jetzt ist es mir sogar manchmal überhaupt nicht möglich. Ich fühle mich auch unheimlich verfressen, wenn ich unter Leuten bin und esse, während diese kein Essen in der Hand haben. Das kann ich auch gar nicht leiden.

Was aber irgendwie lustig ist, ist, dass ich es teilweise wirklich sehr genieße, in den öffentlichen Verkehrsmitteln der Hauptstadt zu speisen. Ich sitze dann in einer U-Bahn, die gerade oberhalb der Erde herum kurvt, beobachte wildfremde Menschen und stopfe Nahrung in mich hinein. Ich weiß auch nicht warum, aber das finde ich fast schön. Im Zug ist es dasselbe.
Und ich glaube, dass das daran liegt, dass ich mich wohlfühle in solchen Fahrzeugen. Irgendwie haben diese Vehikel etwas Vertrauliches an sich, wie ich finde.

Das war jetzt ein relativ kurzer Post. Mehr habe ich dann doch nicht zu sagen über die von mir empfundene Intimität des Essens. Ich hoffe aber, dass ich bald wieder ganz normal überall essen kann. Aber alleine essen ist für mich einfach nicht schön.

Donnerstag, 27. Februar 2014

la familia

Wenn man den Grund einer psychischen Krankheit sucht, beginnt man die Suche meistens in der Familie - gab es traumatische Erlebnisse in Kinderjahren, bekam man im richtigen Maße Aufmerksamkeit, wurde man misshandelt, hat man ein gutes Verhältnis zu den Eltern, zu den Geschwistern...?

Zu Beginn meiner Therapie hat meine Therapeutin auch sehr, sehr viel über meinen Stammbaum nachgefragt und eine Art Familiengeschichte verlangt. Wahrscheinlich sind wir noch alle so von Sigmund Freud geprägt und beeinflusst, dass der erste Blick immer auf die Kindheit geworfen wird, dass irgendetwas im Unterbewusstsein stecken geblieben sein könnte und sich jetzt in einer kranken oder krankhaften Weise erkennbar macht.

Das mag schon oft zutreffen.

Bei mir aber nicht.

Es kann für diese Art von Krankheit so viele Gründe geben, bei mir war es auch sicher ein Zusammenspiel von mehreren Komponenten, von denen ich sicher nicht alle benennen kann. Doch bei einem bin ich mir zu hundertzehn Prozent sicher: mit meiner Kindheit kann es einfach nichts zu tun haben.








Um einen kleinen Einblick in mein (familiäres) Umfeld zu bekommen, würde ich diesen Post gerne dazu nutzen, mein lustiges Familienkonstrukt zu erleutern.

Also, wie schon angedeutet, hatte ich die beste Kindheit, die man sich nur irgendwie vorstellen könnte. Ich bin am Land aufgewachsen, in einem Land, in dem es alles im Überfluss gibt und man sich eigentlich über nichts Sorgen machen muss. Wenn ich wollte, konnte ich immer schon in den Wald gehen, mit meiner Nachbarin einen Picknick-Ausflug unternehmen - bei denen immer die Körbe meiner Mutter verloren gingen - oder ins nächste Dorf fahren, um schwimmen zu gehen. In dem Ort, in dem ich groß (naja, groß ist relativ) geworden bin und in dem ich jetzt noch für die nächsten paar Monate lebe, wohnen 89 Wahlberechtigte und vielleicht 8 Kinder, das heißt, alle kennen alle und alle verstehen sich im Großen und Ganzen - natürlich, da es hier tiefstes Land ist, teilen die meisten hier so überhaupt nicht meine Einstellung oder die meiner Familie, aber ansonsten gehen alle sehr herzlich miteinander um. Meine Nachbarin von gegenüber, die ganz lange meine allerbeste Freundin war, ist nur um fünf Monate älter als ich und ich habe die liebsten Eltern und die tollste Schwester, die man sich nur vorstellen kann.

Meine Eltern sind schon seit Ewigkeiten zusammen und waren wirklich immer, bei allem, was ich so machen wollte, furchtbar unterstützend. Sie haben mich überall hingeführt, was leider am Land notwendig war, weil das öffentliche Verkehrssystem wirklich ausbaufähig ist. Aber sie hätten auch einfach sagen können, dass sie keine Lust dazu haben und ich hätte dann nicht Schlagzeugunterricht nehmen, Jazzdance tanzen, mindestens viermal in der Woche Sportakrobatik-Training haben, in einer Malakademie zeichnen lernen, Theater spielen, fort gehen oder mich mit Leuten treffen können. Aber dem war nicht so. Deswegen bin ich ihnen auch wirklich unendlich dankbar, auch, wenn ich es ihnen nicht sooft zeige. Eigentlich sollte ich mich viel erkenntlicher zeigen. Hoffentlich ist ihnen bewusst, wie unglaublich ich das zu schätzen weiß, was sie alles für mich getan haben; allein die Kilometer, die sie für mich zurücklegen mussten, sind unzählbar.

Aber sie waren auch immer wundervolle AnsprechpartnerInnen. Ich konnte und kann immer zu ihnen kommen, wenn mir etwas am Herzen läge. Und die beiden haben noch ganz, ganz viele tolle Eigenschaften mehr...

Meine Schwester, die achteinhalb Jahre älter als ich ist, ist mehr beste Freundin als große Schwester für mich. Es war früher natürlich nicht immer optimal, dass ich sie eher selten habe sehen können, da sie ziemlich früh von zu Hause auszog. Ich habe sie immer schrecklich vermisst und deswegen bin ich umso glücklicher, sie jetzt öfter sehen zu können. Das wird überhaupt unglaublich komisch werden, wenn ich dann ebenfalls in der Hauptstadt wohne und sie nicht mehr sooft sehen kann...
Aber mit ihr kann ich über alles reden und sie ist so ein irrsinnig intelligenter Mensch, auch, wenn sie das selbst manchmal unterschätzt. Und sie schafft so Vieles. Sie hat ein fast dreijähriges Kind, einen Haushalt zu managen, sie lernt Schneiderin und muss in der Berufsschule Tests und Schularbeiten meistern, dort brilliert sie überhaupt extrem, einen Freund, den es zu beschäftigen gilt und schaut einfach immer perfekt aus. Sie ist mein großes Vorbild. Eigentlich habe ich keine Ahnung, was ich nur machen würde, hätte ich sie nicht - das wäre wirklich furchtbar...




Man kann überhaupt sagen, dass bei uns alles sehr freundschaftlich zu geht. Zwischen den Eltern und uns gibt es nicht so eine große Distanz.
Ja, gut, wir streiten manchmal - derzeit leider öfter, weil ich immer so leicht durchdrehe - aber wir versöhnen uns auch genauso schnell wieder. Wir können über Themen reden, für die sich wenige hier interessieren, ich aber dafür umso mehr.
Wir haben auch eine relativ große Geschenkskultur. Das heißt, dass, zumindest Mutter, Schwester und ich, zu jedem möglichen Anlass versucht wird, so originell wie möglich zu schenken. Irgendwie finde ich das nett. Man macht sich Gedanken über diese Person und möchte ihr eine Freude bereiten.

Wenn ich das so schreibe, bemerke ich richtig, wie schrecklich schwierig es ist, auszudrücken, wie es bei uns daheim zu geht, wie unser Verhältnis zu einander ist. Ich versuche mit irgendwelchen Formulierungen irgendwie an die Wahrheit ran zu kommen, aber es gelingt mir nicht richtig.
Ich habe nämlich eine so wunderbare Familie. Und es tut mir so fürchterlich leid, durch was sie haben durch müssen mit mir. Ich war nämlich weder dankbar noch sonderlich nett in der letzten Zeit, habe alle Nerven strapaziert und viele Streitigkeiten ausgelöst.

Hoffentlich kann ich mich bessern. Ich will es auf jeden Fall versuchen, denn das, was ich teilweise mache, haben sie wirklich nicht verdient. Und eigentlich haben sie es auch nicht verdient, mit so einer Krankheit umgehen zu müssen.

Dienstag, 25. Februar 2014

helfen lassen

Zuallererst möchte ich mich einmal bei allen bedanken, die mir so lieb geschrieben haben, und auch bei all den unglaublich Tollen, die mir gut zu geredet haben, als ich die Idee für die persönliche Revolution hatte. Es ist ein Wahnsinn. Es gibt diesen blog erst seit ein paar Tagen und schon jetzt hat er mir wahnsinnig viel gebracht. Danke also.
Und auch danke, an jede Person, die sich in den Weiten des Internets auf meine kleine Seite verirrt hat. Ich freue mich wirklich immer, wenn ich mir ansehe, wie viele Aufrufe mein blog bis her schon hat. Außerdem freut es mich unheimlich, wenn es jemanden interessiert, was ich so von mir gebe. Das ist das größte Lob.

Auch möchte ich noch gerne ein paar Zeilen über den gestrigen Post verlieren. Gestern habe ich nur ein von mir fotografiertes Bild hochgeladen und ein Zitat. Das ist wenig, stimmt, und vor allem, wenn man es in Verbindung mit den vorhergehenden Einträgen setzt. Aber ich habe ja schon erwähnt, dass ich nicht nur über diese Krankheit schreiben möchte. Es gibt so Vieles, was mich interessiert und begeistert. Ich beschäftige mich irrsinnig gerne mit Zitaten und Geschriebenem und finde das wahnsinnig schön. Die Anorexie definiert mich nicht allein. Also werde ich zwischendurch auch mal so etwas raufstellen. Ab und zu, als kleine Abwechslung, wenn ich gerade ein feines Zitat gelesen habe und vielleicht ein passendes Foto im Hinterkopf.







Und jetzt zum eigentlichen Thema.

Wenn es heißt, helfen lassen, dann kann das wesentlich schwerer sein, als man prinzipiell glauben könnte. Hilfe anzunehmen ist unmittelbar damit involviert, dass man sich dessen bewusst ist, dass man Hilfe benötigt. Ist man selbst der festen Überzeugung, dass sowieso alles in Ordnung ist, dann hilft auch die hilfreichste Hilfe nicht. Man muss sich helfen lassen können.
Und das kann sich als ganz schön schwierig gestalten. Man muss sich dem Gegenüber öffnen können, zulassen, dass dieses Dinge sagt, die man an und für sich nicht unbedingt gerne hören möchte, die Wahrheit ausdrückt, man wird mit dem Problem konfrontiert - und das oft auf eine sehr harte, direkte Art und Weise.
Aber anders geht es nicht. Man muss gestatten, dass ausgesprochen wird, dass etwas suboptimal ist. Man muss Veränderungsvorschläge und -wünsche anhören können. Man muss sich selbst aber in erster Linie mit dem Gesagten auseinandersetzen können; ganz unabhängig von dem helfenden Menschen, bei sich alleine. Hilfe, sei es jetzt mentale Unterstützung oder Motivation oder sonstiges, dient in erster Linie dazu, dass der erste Anstoß einer langen Kettenreaktion getätigt wird. Die weiteren Schritte müssen dann alleine gehen und von einer selbst kommen.

Worauf ich hinaus will, ist, dass es für mich anfänglich furchtbar schwierig war, Hilfe in irgendeiner Form annehmen zu können. Ich habe mir meine Krankheit sehr lange nicht eingestanden und deswegen stießen wohl auch alle Unterstützungsversuche auf taube Ohren bei mir. Die meisten hab ich auch gar nicht wirklich mitbekommen, oder sofort abgeblockt. Ich wollte und wollte es einfach nicht wahrhaben.
Viele liebe Menschen wussten auch keinen besseren Rat mehr, als meine Eltern anzurufen, die, natürlich gänzlich mit der Situation überfordert, ihr Allerbestes versuchten, um Vernunft in mich einzuimpfen. Und irgendwie hab ichs doch gewusst, dass etwas nicht stimmt. Doch zuzugeben, dass man vielleicht den falschen Weg, um mit etwas umzugehen, eingeschlagen, dass man vielleicht etwas nicht sonderlich vorteilhaft gemacht hat, das fiel mir immer schon schwer. Aber genau deswegen war es auch so wunderbar toll, dass es doch Menschen in meinem unmittelbaren Umfeld gegeben hat, die nicht aufgeben wollten, mit mir zur Schulärztin gingen, mich schlussendlich sogar in die Hauptstadt schleiften und mich zum ärztlichen Check-up desselben begleiteten.

Und genau diese Untersuchung, durchgeführt von zwei unabhängig voneinander agierenden Ärztinnen, blies dann alle Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Aussagen der anderen weg. Wenn dir eine praktische Ärztin erklärt, wie es um deine körperlichen Befinden steht, dann glaubst du ihr das in der Regel auch - das ist eben der große Unterschied.
Auf jeden Fall wurde ich dann in einem interdisziplinären Institut aufgenommen. Interdisziplinär bedeutet, dass nicht nur Psychotherapeut*innen dort angestellt, sondern auch Psycholog*innen und (die beiden) Ärztinnen. Einmal im Quartal muss man zu einer Untersuchung, eigentlich musste ich jede zweite Woche auch noch zusätzlich abgewogen werden, das durfte ich aber bei meiner (unheimlich lieben und hilfsbereiten) Schulärztin tun, und sonst gibt es Einzel- und Gruppentherapien. Und darüber würde ich gerne etwas erzählen.

Zuerst fing ich mit einer Einzeltherapie an. Im Oktober war das irgendwann. Ich musste jeden Donnerstag nach der Schule gleich zum nächsten Bahnhof fahren und von dort ging es eineinhalb Stunden nach Wien weiter, bis ich im Institut angelangt war dauerte es ebenfalls circa eine halbe Stunde. Das ist ziemlich zeitaufwändig. Aber da ich Zugfahren wirklich liebe und am besten dort abschalten kann sowie zum Lesen und Schreiben und Lernen komme, macht mir das nicht so viel aus.
Wie dem auch sei, angefangen haben wir die Therapie mit einem Stammbaum, die Psychotherapeutin (wirklich wahnsinnig lieb und optimistisch, dass das Herz aufgeht) fragte mich allerhand Sachen über meine Familie und so weiter. Dann redeten wir eigentlich immer über das, was gerade so vorgefallen war. Ich bin so froh, dass ich die Möglichkeit hatte und habe, in Behandlung sein zu dürfen. Alleine hätte ich das sicher nicht geschafft, da nehme ich auch den enormen Zeitaufwand der An- sowie Abreise auf mich. Irgendwie hat mir die Einzeltherapie schon einiges über mich eröffnet, ich habe über die intelligenten Worte, die die Therapeutin von sich gegeben hatte, viel nachgedacht und versucht, zu reflektieren.

Und dann begann irgendwann die Zeit der Gruppentherapie. Ich musste dafür meinen ganzen Stundenplan umorganisieren und nun war der Dienstag der auserkorene Tag geworden.
Die Gruppe besteht aus eigentlich sechs, manches Mal sieben, Mädchen. Ich bin die Älteste und wir alle haben dieselbe Krankheit außer die süße Melisa, die an Bulimie leidet. Wir reden über Radfahren und Eiweiß und Gesundheit und Themen, die uns wichtig erscheinen, für die wir uns interessieren. Wir reden über Freundschaft und die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit und versuchen uns selbst Tipps zu geben, wie wir unsere jetzige Situation noch verbessern können. Die Therapeutin, sie ist übrigens die gleich geblieben, redet nur manchmal dazwischen und fragt ab und zu nach. Obwohl wir alle aus einem mehr oder weniger - okay, eher weniger - verschiedenen Hintergrund kommen und alle unterschiedlich weit sind mit unserer Krankheit, kann ich mich in jede einzelne wirklich gut hinein versetzen. In ein Mädchen besonders, deren Krankheitsweg meinem ziemlich ähnlich ist, nur steckt sie leider so fest und kommt momentan nicht heraus aus diesem Sumpf... An sie muss ich wahrscheinlich am meisten denken und hoffe stets, dass es ihr ganz bald besser gehen wird. Aber ich fühle auch mit den anderen Mädchen mit. Manchmal geht es einem wirklich super lieben Menschen schlecht, sie fühlt sich dick und fehl platziert. Schwer nachzuvollziehen und doch so verständlich.
Aber das Ganze kann auch mal auf die Stimmung drücken. Hört man, was für schlechte Tage die anderen gehabt haben und wie wenig sie essen obwohl sie die Menge an Gegessenen als "viel" einschätzen, kommen schon einmal Zweifel hoch. Doch dann schafft es unsere Therapeutin, ein wenig wie eine Moderatorin, eine wundervolle Geschichte zu erzählen und damit die eineinhalb Stunden Gruppentherapie für diese Woche zu beenden.

Montag, 24. Februar 2014

schöne Worte

You can find the entire cosmos lurking in its least remarkable objects.
-Wislawa Szmborska, polnische Dichterin, die 1996 den Literatur Nobel Preis gewann


Sonntag, 23. Februar 2014

Was mich fertig macht: mein Aussehen

In meinem Alter ist das Aussehen irgendwie immer ein großes Thema. Alle reden darüber, alle posten Bilder von sich selbst auf Plattformen wie facebook oder instragram und immer wird man verglichen und vergleicht sich gleichzeitig selber. Und leider gibt es auch ganz besonders einfühlsame Menschen, die nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen wissen, als anderen Leuten mitzuteilen, dass sie nicht der Norm entsprächen, dass sie nicht schön seien. Oder eben fett.



(Ausgangsfigur)


Sonderlich zufrieden war ich eigentlich nie mit meiner Figur oder meinem Aussehen, aber es war mir nie so extrem wichtig. Aber was mir immer schon wichtig war, ist, was meine Mitmenschen von mir halten.
Und irgendwann begann dann eine Phase, in der es mir nicht sehr gut ging. Ich habe mich damals von meinem Freund getrennt, mit dem ich über eineinhalb Jahre zusammen gewesen war, habe nicht gerade viele soziale Kontakte gehabt, mich furchtbar hässlich gefühlt und irgendwie war es einfach keine feine Zeit für mich. Und genau in diesen besonders sensiblen Monaten hatte sich ein Junge aus meiner Klasse eingebildet, mir jetzt jeden Tag zu erzählen, wie fett er mich nicht fände. Er hat mich auch einige Male gefragt, ob ich nicht schwanger sei.
An eine Situation kann ich mich noch gut erinnern. Da hatte ich einen wunderschönen Rock meiner Schwester angezogen, den man bis zu der Taille zuknöpfen musste und der nach einem kurzen engen Stück weit geschnitten war. Ich hab mich eh nicht gerade wohl gefühlt, und als er dann schon zum dritten Mal angefangen hat, mich auf mein zukünftiges Baby anzureden, war mir das alles so unangenehm, dass ich dieses wirklich feine Kleidungsstück einfach nie wieder anzog.

Das ging halt dann so weiter, dass er mir jeden Tag, mal unterschwellig, mal wirklich sehr offensichtlich, klar gemacht hat, dass meine Figur nicht in Ordnung wäre. Natürlich habe ich ihm das geglaubt. Ich war ja außerdem nicht gerade überzeugt von meiner Schönheit, dass das auch kein Schweres war.
Im Nachhinein betrachtet, ist mir klar, dass er wirklich nur Blödsinn verzapft hat. Denn er hat sogar am Ende des Schuljahres, wo ich wirklich nicht mehr viel gewogen habe, immer wieder damit angefangen.

Das soll jetzt nicht irgendwie ausarten, ich möchte ihm jetzt auch wirklich nicht die Schuld an meinem jetzigen Körpergefühl geben. Dennoch war das ein Faktor, der mich bei meinem Bestreben, abzunehmen, wahrlich unterstützt hat.

Und jetzt sitze ich hier, hab teilweise wirklich Schwierigkeiten, in den Spiegel zu blicken und frage mich, wann das bitte besser wird. Ich fühle mich wirklich grauslich. Meine Haare sind so wenige, dass meine Locken einfach nur komisch aussehen, meine Augen sind viel zu weit beieinander, meine Nase ist überhaupt komisch, sie ist irgendwie klein und passt nicht in mein Gesicht, und so weiter... Und vor allem habe ich konstant das Gefühl, dass mein Bauch raus steht und ich ehrlich gesagt feist aussehe. Im ersten Eintrag habe ich ja schon geschrieben, dass ich nur mehr lockere Kleidung tragen kann, und es fällt mir zusätzlich wirklich schwer, ungeschminkt aus dem Haus zu gehen.

Aber natürlich war nicht nur dieser besonders intelligente Mitschüler ausschlaggebend. Unsere ganze Gesellschaft zeigt uns Bilder von Frauen, die einfach nicht so aussehen können. Wir wachsen mit Barbies auf und sehen überall, egal, wo wir hingehen, Abbildungen von wunderschönen, dünnen, ja makellosen Frauen von Plakaten runtergrinsen oder aus Zeitschriften beinahe rausspringen - manchmal würde ich eine von diesen Graten ganz gerne aus dem Magazin ziehen und schlagen. In einer Welt, in der nichts mehr wirklich ist, in der jedes Muttermal mit Photoshop wegretouchiert wird, in der man sich schämen muss, wenn der BMI über 20 ist und in der es einfach keine Grenzen mehr gibt, sodass man keine Skrupel verspürt, wenn man gemeine Dinge von sich gibt, in so einer Welt muss doch etwas schief laufen. Ich bewundere alle, denen diese Umstände kalt lassen. Mich beschäftigen sie leider unglaublich. So gerne wäre ich schön, so gerne würde ich dem Schönheitsideal entsprechen, so gerne würde ich etwas mit meinem Aussehen verändern. Und dann habe ich das gemacht und es hat wieder nicht gepasst. Das ist frustrierend.

In so einer Gesellschaft lebe ich nicht gerne. Doch irgendwie weiß ich, dass es möglich ist, dieselbe zu verändern. Wir müssen uns einfach nur bemühen. Und zum Glück gibt es sogar schon Tage, an denen ich mein Profilbild auf facebook ändere und beinahe gerne in den Spiegel schauen kann. Ich schaue mir auch manchmal Bilder von mir von früher an und denke mir, dass das eigentlich gar nicht so schlimm ausgesehen hat. Und natürlich vergleiche ich mich wahnsinnig viel mit anderen Mädchen, hätte gerne die dünnen Oberschenkel oder den dünnen Bauch von so manchen, und ich finde mich immer noch nicht in irgendeiner Hinsicht schön. Auch Selbstportraits fallen mir manchmal noch schwer. Aber irgendwie, ich kann es nicht so richtig formulieren, erkenne ich einen Aufwärtstrend (Zeitung-lesen beeinflusst meine Wortwahlt). Ich habe ganz, ganz lange überlegt, ob ich das obrige Bild wirklich hochladen soll. Aber wieso nicht, ich möchte endlich damit aufhören, mich für mich zu schämen.

Samstag, 22. Februar 2014

Von der Angst zu essen

Gerade eben habe ich meinen allerersten Kommentar gelesen. Es ist ja fast unvorstellbar, dass jemand meinen Blog gefunden hat und dann auch noch zusätzlich so etwas irrsinnig Liebes und Tolles schreibt. Vielen, vielen Dank dafür, das ist wirklich ein Wahnsinn. Mir fehlen gerade ein wenig die Worte, und das soll schon was bedeuten, haha...


Also, ich habe ja schon einmal erwähnt, dass ich mich gerade vorm Essen fürchte. Ich kriege Angstzustände, wenn ich nur an die nächste Mahlzeit denke. Gerade wäre es das morgige Frühstück... Das liegt aber nicht daran, dass es mir nicht schmeckt oder sonst irgendwas, sondern ganz einfach, dass ich Angst habe, mich zu überessen. Das passiert momentan leider häufig. Dazu muss gesagt werden, dass meine Mutter - aber auch mein Vater! - eine vorzügliche Köchin ist und dass das Essen einfach nur unglaublich gut schmeckt. Und dann beginne ich zu essen und dann höre ich nicht mehr auf, ja, ich kann gar nicht mehr aufhören.
Wahrscheinlich ist es nicht ganz so schlimm, aber für mich fühlt es sich grauslich an. Und genau dieses Völlegefühl versuche ich zu vermeiden. Das mach ich halt leider damit, dass ich das Essen aufschiebe und dann, so wie heute, um sechs Uhr in der Früh frühstücke - hab heute schon schrecklich früh raus müssen - um dann mein Mittagessen um vier am Nachmittag zu mir zu nehmen. Natürlich verspüre ich in der Zwischenzeit Hunger, aber der ist ganz einfach zu unterdrücken und ein bisschen Wasser oder noch besser Kaffee helfen dabei besonders gut.

Ich versuche, mir immer ganz fest vorzunehmen, nur so viel zu essen, wie ich auch Hunger habe. Und ich bin so, so froh, sagen zu können, dass das die letzten Tage schon wieder sehr gut funktioniert. Aber es ist halt so komisch. Eigentlich habe ich es schon geschafft, an die untere Grenze zum Idealgewicht zu stoßen, doch seit ich wieder nur bis zum Hunger esse, habe ich wieder abgenommen und kann mein Idealgewicht einfach nicht halten. Jetzt weiß ich einfach nicht, was ich tun soll. Ich möchte nicht in mich reinfressen. Das ist wirklich fürchterlich und es geht mir so schlecht danach. Aber anscheinend passt das so auch nicht.

Das macht mir Angst. Die ganze Situation bereitet mir Bauchschmerzen. Ich weiß einfach die meiste Zeit nicht, was ich tun soll, was richtig ist, was genug, was zu viel, was zu wenig ist. Und niemand gibt mir eine Antwort darauf...

Aber heute war an und für sich ein wirklich guter Tag und ich bin sehr optimistisch, dass alles gut werden wird. Immerhin muss ich nicht nach jeder Mahlzeit in Tränen ausbrechen und mich für mindestens eine Stunde in mein Zimmer verziehen, weil ich nicht klar komme. Das ist doch schon immerhin etwas...

Aber trotzdem. Die Angst vorm Essen bleibt mir und ich bin wirklich froh, wenn ich zu Abend gegessen habe und weiß, heute muss ich mich nicht mehr mental aufs Essen vorbereiten. Das klingt jetzt alles ganz komisch und sicherlich auch sehr unverständlich. Wieso hat man Angst vorm Essen? Leider weiß ich das selbst nicht so genau. Momentan ist das halt bei mir der Fall und ich versuche wirklich, etwas dagegen zu tun. Trotzdem habe ich immer das Gefühl, dass ich beim nächsten Mal wieder (?) die Kontrolle verliere und alles mögliche in mich reinstopfe. Jetzt weiß ich, dass das nicht so schlimm ist, denn das was ich esse, ist eigentlich nur gesund - viel Obst, Gemüse, Getreide, Vollkornprodukte, Soja-, Hafer- und Reismilch. Von dem kann man ja eigentlich viel essen.
Aber momentan ist nicht Normalfall.

Freitag, 21. Februar 2014

Hallo Welt!

Ein Blog ist ja eigentlich etwas sehr Persönliches.
Ich hatte sogar schon überlegt, meinen Namen nirgends zu erwähnen und auch keine Bilder hochzuladen, auf denen mein Gesicht zu sehen wäre. Aber irgendwie wollte ich das nicht. Irgendwie wollte ich ja einen Einblick in mein Leben verschaffen und da sind solche Kleinigkeiten wie die Identität nun einmal ausschlaggebend. Das war zumindest meine Motivation, zumindest meinen Vornamen anzugeben. Und ich würde gerne auch noch mehr erzählen...

Eine Personenbeschreibung über sich selbst ist ähnlich der persönlichen Stellungsnahme bei einer Texterörterung - schwierig zu beginnen und komisch zu formulieren. Für sich selbst ist die eigene Meinung doch sowieso offensichtlich - ebenso wie die Person. Gut, ganz sicher bin ich mir über mich natürlich auch nicht, genauso wenig wie ich über meine komplexen Persönlichkeitsstrukturen im Klaren bin. Aber irgendwo weiß ich doch, was mich bewegt und was ich mag, was ich mache und wie ich bin. Selbst, wenn man tiefgründiger in sich hineinschaut, hat man im Gefühl, wer man ist. Auch, wenn es schrecklich kompliziert auszudrücken ist.

Vor ein paar Wochen habe ich übrigens beschlossen, glücklich zu sein. Es gibt da so ein wunderbares Zitat, das ich einmal während einer Schulstunde in ein kleines Heftchen gekritzelt habe. Ich habe nämlich auf meinem Handy so ein Zitate-App, das mir jeden Tag einen bestimmten Ausspruch einer Person schickt und manches Mal gefällt es mir so gut, dass ich es einfach aufschreiben muss.
You have power over your mind - not outside events.
Marc Aurel hat das einmal vor vielen, vielen Jahren gesagt, oder geschrieben, das weiß ich nicht so genau.
Irgendwie hat mich dieser ganz simple Satz motiviert, etwas zu ändern. Denn es ist einfach viel zu anstrengend und braucht viel zu viel Energie, dauernd schlecht drauf zu sein und darüber zu philosophieren, wie schlecht es nicht geht. Das funktioniert natürlich nicht zu hundert Prozent, aber doch ganz gut.
Aber trotzdem habe ich meine Komplexe, mit denen ich immer mehr versuche, zu leben.

So viel dazu.

In genau einem Monat findet mein achtzehnter Geburtstag statt und ich pack es einfach immer noch nicht, dass ich jetzt erwachsen bin. Bald zumindest. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie es war, das erste Mal die Schule, die ich mit diesem Jahr abschließe, vor fast acht Jahren zu betreten und wie wahnsinnig erwachsen ich mir nicht vorgekommen bin. Momentan fühle ich mich so klein und unerfahren, dass meine frühere Sicherheit, jetzt zu den Großen zu gehören, ziemlich verflogen ist. Bald ziehe ich in die Hauptstadt und fange zu studieren an, lasse das Land hinter mir und probiere mich aus.

Ich lerne seit vielen, vielen Jahren Schlagzeug. Spiele außerdem noch Harfe und nehme Gesangsunterricht (was aber eher Katzenmusik ist). Musik mag ich unglaublich gerne und mein momentanes Lieblingslied ist von Angel Haze "Same Love". Ich finde es wunderbar, mich durch die alten CDs meiner Eltern durchzuhören und bin ein großer Pink Floyd Fan. Musik ist irgendwie etwas Schönes. Es kann so viel ausdrücken und gleichzeitig einfach nur fein sein ohne viel zu sagen. Töne und Melodien haben die Fähigkeit, Stimmungen auszudrücken und können irgendwie auch was bewirken. Ich spiele sogar in einer Band namens Schapka, was "Haube" auf Russisch bedeutet und die im Kontext von der Pussy-Riot-Verurteilung gegründet worden ist. Oh, und ich bin eine begeisterte Leserin des Musikexpresses.
Aber ich lese auch gerne andere Dinge. Wie zum Beispiel Romane und Kunstbücher und Sachbücher. Gerade stecke ich meine Nase in "Frauenpower auf Arabisch" von Karim El-Gawhary, nur zum empfehlen - vielleicht schreibe ich darüber einmal mehr.
Wie schon im vorhergehenden Eintrag erwähnt, liebe ich es auch, zu schreiben. Diesen Sommer hab ich mir auch eine kleine Schreibmaschine zugelegt, die mich allein durch das Klappern der Tasten glücklich machen kann. Und lange Zeit habe ich auch bei unserem ehemaligen Jugendmagazin mitgeschrieben, das vor ein paar Jahren von uns ins Leben gerufen worden ist.
Ich zeichne und tanze und geh laufen und bin vernarrt in Blogs und habe einen Flickr-Account, auf welchem ich meine Fotos teile. Gerade versuche ich, die achte Klasse zu überstehen und die Matura zu machen, habe auch eine Fachbereichsarbeit geschrieben, über die Künstlergruppe Brücke. Weiters gebe ich Nachhilfe in diversen Fächern. Ich versuche die Zeitung täglich zu lesen und mich fortzubilden, was ich leider momentan ein wenig vernachlässige. Ich möchte mich engagieren und vielleicht irgendwann irgendwie irgendwem zu helfen.

Und genau da kommen wir wieder hier her. Meine Phase hat mich wahnsinnig angespornt, etwas zu unternehmen, wenn man das so ausdrücken kann. Ich würde am liebsten Gruppen ins Leben rufen, Vorträge halten und der ganzen Welt erzählen, wie schrecklich Essen werden kann. Jetzt fang ich einmal klein an und schreibe einen Blog - momentan wohl nur für mich.

Zufrieden war ich nie mit meiner Figur. Aber das alleine war nicht ausschlaggebend, natürlich aber oberflächlich der Grund Nummer eins, abzunehmen. Wie schon einmal erwähnt, macht(e) mich die ganze Essens-Produktion irrsinnig fertig - wieso kann man denn nicht einfach nachhaltig produzieren? Wieso muss ich so etwas industriell Gefertigtes zu mir nehmen?
Außerdem habe ich ein wenig Angst vor der Zukunft, vorm Erwachsenwerden und vor dem Zeitpunkt, ab dem ich den sicheren Hafen meiner Kindheit endgültig verlassen muss.
Was wohl aber am meisten mitgespielt hat, war, dass ich nicht sonderlich viel von mir selbst halte. Eigentlich mag ich mich nicht besonders. Ich mach so viel und kann so wenig und könnte viel mehr tun und überhaupt freundlicher sein und mehr Zeit in wichtige Dinge investieren.
Und dann wollte ich Gewicht verlieren und begann, Sport zu machen und versuchte, Süßigkeiten wegzulassen, was anfänglich schrecklich schwer war für mich. Allerdings ist es dann irgendwann von alleine gekommen, die Waage zeigte immer weniger an und ich wurde auch dementsprechend weniger.


Ich wollte schön sein und akzeptiert und was weiß ich, was noch. Jetzt denke ich mir immer wieder, wenn ich mir Bilder von damals ansehe, wie furchtbar das nicht alles war und wieso ich auf so einen Blödsinn reingefallen bin. Und ich hoffe täglich, dass die grauslichen Gedanken, die sich irgendwie alle immer über Essen, mein Gewicht, meine Figur und dergleichen, drehen, verschwinden und ich wieder unbeschwert in den Alltag hinein leben kann.

Vor einem Jahr begann das ganze Drama also. Bis ich dann - wars im April? oder Mai? - sehr rasant abgenommen habe und irgendwie in eine Spirale reingeraten bin. Bis irgendwann eine Freundin zu mir gekommen ist und wir lange geredet und geweint haben. Ich hab mir das ja alles nicht eingestanden und konnte es mir auch wirklich nicht vorstellen, weil ich mich irgendwie immer noch dick fühlte. Doch meine liebe Freundin hat mich dann überredet, sie hat Fotos von mir gemacht und dann hab ich gemerkt, dass das nicht so weiter gehen kann. Ich bin dann in ein interdisziplinäres Institut gekommen, wo ich einmal körperlich durchgecheckt worden bin. Das war vielleicht ein Schock. Meine Haare waren mir in Büscheln ausgefallen und ich habe locker die Hälfte meiner Locken verloren, was mir sehr zu schaffen macht(e). Doch als mir eine Ärztin dann erzählt hat, dass mein Herz nur noch halb so schnell schlägt und dass ich unter der dritten Altersperzentile bin und jeden Moment an Herzstillstand sterben könnte, musste ich erst mal schlucken. Kann das wirklich sein?

So. Und jetzt bin ich hier. Ich sitze auf meinem Bett, habe mir meine langen Haare abgeschnitten und versuche, meine Situation auf Papier - gut, auf einen elektronischen Weg mit irgendeiner Kombination von 0 und 1 - zu bringen. Ob es verständlich ist, ist eine andere Frage und ob ich jemanden damit erreichen kann, noch eine. Aber ich merke, dass das ein neues Hobby werden könnte...

Donnerstag, 20. Februar 2014

Mein erster Eintrag oder: Warum ich momentan nur weite Sachen anziehen kann

So. Jetzt ist die Frage, wie man denn beginnt. Wie beginnt man mit einem neuen Blog-Eintrag? Wie beginnt man mit dem ersten Blog-Eintrag? Ich bin ganz neu hier. Soll ich es wie ein Tagebuch aufziehen? Oder eher wie eine Erörterung aus dem Deutschunterricht?

Ich mach einfach einmal.

Eigentlich habe ich schon ziemlich lange überlegt, nicht doch ein eigenes Internettagebuch anzufangen. Aber die Angst, dass niemand vorbei schauen wird, dass ich niemanden mit meinem Gefasel erreichen kann, dass ich Zurückweisung erfahren könnte, hat mich gut davon abgehalten. Meine Begeisterung für Blogs besteht schon lange und das war natürlich einer der Gründe, warum ich denn auch gerne zu den Bloggerinnen gehören wollte, die etwas posten, das Leute lesen und es toll finden. Die wertvolle, sinnvolle und wichtige Dinge schreiben und informieren und unterhalten und sarkastisch sind und sich etwas trauen. Gut. Das sind hohe Erwartungen - das ist übrigens eine Eigenschaft, die meine Erwartungen häufig haben - ich weiß. Und ich bin mir auch sicher, dass ich sie nicht erfüllen werde oder überhaupt kann. Aber, naja, ich kanns probieren. Und es wäre mir ein Anliegen, über, eben, wichtige Dinge zu schreiben. Na gut, wichtige Dinge aus meinem Leben. Ob die für die weitere Menschheit sonderlich relevant sind, sei einmal dahin gestellt. Aber ich habe doch einige Themen, die mich unglaublich faszinieren und beschäftigen, aber auch fertig machen können.

Ich möchte über Vieles schreiben - über Sachen und Geschehnisse, die mich interessieren und die mich teilweise auch betreffen. Aber vor allem möchte ich eine Art Erfahrungsbericht einrichten. Jetzt kommt natürlich die nächste Frage: Wie formuliere ich das jetzt, ohne, dass es komisch klingt? Weil, natürlich haben alle Mädchen und Jungen und auch alle anderen, die sich nicht so einfach in solche Sparten einteilen können, Probleme. Manche tiefgreifendere und manche vielleicht auch nicht so viele, aber sie sind, traue ich mich jetzt einmal zu sagen, omnipräsent im Leben aller Leute. Warum sollte ausgerechnet ich jetzt anfangen, weitere Daten-Volumina für meine zu verbrauchen?
Ich würde wahnsinnig gerne meine Erfahrungen mit psychosomatischen Krankheiten (Oh Hilfe, wie sich das anhört!) teilen und vielleicht den ein oder anderen Menschen damit erreichen und eventuell auch ein wenig unterstützen. Wäre ich auf so eine gewisse Unterstützung gestoßen, als das alles bei mir angefangen hatte, wäre ich vielleicht jetzt schon weiter, als ich es bin.

Ich habe nämlich ein Problem mit Essen.

In unserer heutigen Konsumgesellschaft mag das wohl nichts Besonderes mehr sein. Aber ich würde ganz gerne meine Geschichte (ah! noch schlimmer!) mit der Welt, oder meiner Mutter, die wahrscheinlich meine einzige Leserin bleiben wird, teilen. Und wer weiß, denn ich dachte mir, ein Blog wäre das optimale Medium, Leute zu erreichen. Aber auf der anderen Seite schreibe ich einfach unglaublich gerne, zwar lassen meine Formulierungen häufig zu wünschen über, aber das ist wieder ein Ansporn für mich gewesen - und schätzungsweise spielt ein gewisses an-sich-selbst-Denken ebenfalls mit, weil ich mir ziemlich gut vorstellen kann, dass mir das auch hilft. Mit wem kann man denn über so eine Thematik reden, vor allem, wenn sie eine selbst betrifft, außer mit der Therapeutin? Das ist eben ein bisschen schwierig.
Aber um auf das Schreiben zurück zu kommen. Im Internet zu schreiben ist wieder eine neue Art, sonst fasse ich meine Gedanken und Gefühle auf meiner wundervollen Schreibmaschine oder in meinem Tagebuch mit Aufschrift "Morgen wird ein besserer Tag" zusammen.

Es ist für mich ziemlich komisch, meine Situation als Krankheit zu benennen. Dass ich krank sein könnte, kann ich mir nicht ganz vorstellen. Naja, in Behandlung bin ich zumindest, das könnte vielleicht ein Indikator sein, wer weiß. Auf alle Fälle geht es bei mir momentan ziemlich bergauf mit der Überwindung derselben. Zugenommen habe ich schon wieder, unglaublich viel. Das ist dann natürlich das nächste Problem, denn ich fühle mich sehr unwohl, ich fühle mich dick und habe Probleme, enge Hosen oder T-Shirts anzuziehen. Aber eigentlich weiß ich ja, dass es gar nicht sein kann, dass ich dick wäre - meine Wahrnehmung zeigt mir allerdings ein Bild von mir als irrsinnig feist. Trotzdem geht es mir schon besser mit diesem Umstand und ich lerne, damit umzugehen und ich esse.
Genau das möchte ich behandeln. Ich würde gerne einen Einblick geben, in mein Leben und in dieser verzwickten Lage. Aber natürlich beschäftigt mich nicht nur das, über andere Themen - wie Politik, Feminismus, Umwelt, Ernährung (wer hätte das gedacht?), Nachhaltigkeit, Musik, Bücher, weiße Wände, meine diesjährige Matura, Leute in meiner Umgebung, Fotografie - will ich auch schreiben. Mal schaun, wo ich damit hinkomme.

Und jetzt einmal zur Namenwahl meines Blogs. Persönliche Revolution fand ich irgendwie für angebracht. Ich habe in kurzer Zeit ziemlich viel Gewicht verloren. Da haben dann natürlich einige Faktoren mitgespielt. Prinzipiell gesehen, habe ich mich dick gefühlt, aber nicht nur ein wenig molliger, sondern wirklich fett und wollte an dieser Situation etwas ändern. Aber warum habe ich mich so gefühlt? Berechne ich jetzt meinen Body-Mass-Index von dieser Zeit, kommt als Ergebnis 21,8 raus. Normalgewicht.
Aber, egal wo man hinkommt, man wird überall, vor allem als Frau, mit Diäten konfrontiert. Es gibt von jedem Produkt eine "light"-Version, alles fettreduziert, kalorienarm und low carb. Von jeder Zeitschrift lächelt dir ein unglaublich dünnes Model entgegen und von den Medien wird einen förmlich eingetrichtert, dass man dünn sein muss, um schön zu sein.
Das ist die eine Seite. Was mich aber auch fertig gemacht hat, war und ist, dass das ganze Essen so schlecht und menschenverachtend und mit Tierversuchen erzeugt wird und man wirklich genau schauen muss, ob man nicht irgendeinen grausamen Konzern unterstützt, wenn man sich das Produkt jetzt kauft. Irgendwann war mir das alles zu viel, ich hab mich nur noch schlecht gefühlt, bei allen Dingen, die in meinen Einkaufswagen gewandert sind, und hab dann einfach aufgehört. Ich wollte nicht mehr und hab schlussendlich dann viel zu wenig zu mir genommen.

Wenn ich mir das jetzt alles durchlese, komme ich mir wahnsinnig selbstmitleidig vor. Dafür möchte ich mich gleich einmal entschuldigen. Leider weiß ich nicht ganz, wie ich das sonst formulieren soll...

So, heute geht mein erster Eintrag online. Es ist der 20.2.2014, mein Name ist Lili und ich habe eine Essstörung.