Freitag, 28. Februar 2014

Intimität

Für mich ist Essen etwas unheimlich Persönliches.

Wenn man so darüber nachdenkt, dann ist der Akt des Nahrung zu sich Nehmens die privateste Tätigkeit, die so während des Tages gemacht werden kann. Zuerst stehen persönlichste Empfindungen im Vordergrund; was schmeckt mir und was schmeckt mir besonders gut? Dann ist die Frage, ob man Zeit für die Zubereitung hat beziehungsweise sich diese Zeit nimmt oder nehmen kann. Wenn mein Tag stressig ist, habe ich meistens keine Möglichkeit, mir sonderlich groß aufzukochen und mir genau das zuzubereiten, auf was ich momentan am meisten Lust hätte. Oder ob man es sich leisten möchte. Leisten kann man jetzt auf mehrere Bedeutungen auslegen - im Zusammenhang mit Geld ist es setzbar, mit Kalorienzufuhr, könnte ich mir diesen zusätzlichen Brennwert noch leisten?, und Ähnliches.
Und dann, natürlich, isst man Essen. Du steckst, wie unappetitlich das jetzt klingen mag, wortwörlich Dinge in deinen Mund, die dann in deinem Körper weiterverarbeitet werden.
Heutzutage wird aber immer und überall gegessen. Man bekommt an jeder Ecke das ungesündeste Zeug verkauft und denkt schon gar nicht mehr wirklich darüber nach, was man so in den eigenen Körper bringt. Essen ist eine Nebentätigkeit für die meisten unter uns geworden, das allem anderen untergeordnet werden kann. Man muss sich nicht mehr wirklich Gedanken darüber machen, ob man etwas zu Essen bekommt, wenn man den ganzen Tag außer Haus ist, Geld haben wir sowieso alle genug, um uns überall versorgen zu können. Der Aspekt des Gesunden bleibt dann meistens auch auf der Strecke. Wie gesagt, niemand interessiert sich mehr, welche Inhaltsstoffe ein Produkt hat.

Irgendwie glaube ich außerdem auch, dass, hat man feine Gedanke während der Nahrungszunahme, dann das Essen wesentlich gesünder ist, als wenn man dauernd nur ein schlechtes Gewissen hat. Und wie kann ich in einer Umgebung, in der ich mich nicht hundertprozentig wohl fühle, eine gute Einstellung meinem Essen gegenüber entwickeln? Das kann ja eigentlich gar nicht gehen...

Deswegen ist es für mich momentan ein wenig schwer, vor manchen Personen zu essen. Den Gedanken an Intimität bekomme ich leider nicht weg und so mache ich mir es selbst sehr schwer, zu essen, wenn ich Hunger habe, sofern ich unter Menschen bin.
Am Allerschlimmsten ist es in meiner Klasse. Ich fühle mich schon beinahe schlecht, packe ich meine Jause während der großen Pause aus, wenn meine Klassenkamerad*innen noch im gleichen Raum sind wie ich. Irgendwie überlege ich dann, was die jetzt von mir denken, was sie über mich denken, wenn ich da jetzt ein riesen Weckerl verspeise. Warum kann ich nicht einfach so sein, wie das eine Mädchen, das unter der Schulzeit beinhart nichts zu sich nimmt? Ich bekomme doch Hunger und bin dann meistens in einer verzwickten Situation.
Ich habe jetzt angefangen, einfach zu warten, bis niemand mehr in der Klasse anzutreffen ist, wenn wir beispielsweise in einem anderen Raum Unterricht haben. Oder ich gehe zum Fenster am Gang. Unsere Klasse ist die ganz Hinterste und bei den Fenstern, wo momentan sogar meistens Sonnenstrahlen anzutreffen sind, stehen Pflanzen. Da ist  man dann doch ein wenig abgeschottet und unbeobachtet.

Das ist wirklich ungut. Ich verstehe auch gar nicht, wie das gekommen ist. Früher hatte ich wirklich keine Probleme, vor anderen Menschen zu essen. Und jetzt ist es mir sogar manchmal überhaupt nicht möglich. Ich fühle mich auch unheimlich verfressen, wenn ich unter Leuten bin und esse, während diese kein Essen in der Hand haben. Das kann ich auch gar nicht leiden.

Was aber irgendwie lustig ist, ist, dass ich es teilweise wirklich sehr genieße, in den öffentlichen Verkehrsmitteln der Hauptstadt zu speisen. Ich sitze dann in einer U-Bahn, die gerade oberhalb der Erde herum kurvt, beobachte wildfremde Menschen und stopfe Nahrung in mich hinein. Ich weiß auch nicht warum, aber das finde ich fast schön. Im Zug ist es dasselbe.
Und ich glaube, dass das daran liegt, dass ich mich wohlfühle in solchen Fahrzeugen. Irgendwie haben diese Vehikel etwas Vertrauliches an sich, wie ich finde.

Das war jetzt ein relativ kurzer Post. Mehr habe ich dann doch nicht zu sagen über die von mir empfundene Intimität des Essens. Ich hoffe aber, dass ich bald wieder ganz normal überall essen kann. Aber alleine essen ist für mich einfach nicht schön.

2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Lili,

    ich bin gestern Abend auf deinen Blog gestoßen, durch Masha Sedgwicks Beitrag zum Thema Schönheitsideal etc. Habe nun alle Posts gelesen und finde deine Herangehensweise super! Ich mag deinen Schreibstil und mir gefällt, wie du zwischen persönlichen Details und Anonymität balancierst. Mich "fasziniert" (wobei das irgendwie selbst schon fast krankhaft klingt..) seit geraumer Zeit das Thema Essstörungen, ins besondere Anoxeria Nervosa. Deshalb freue ich mich immer, wenn ich auf verschiedenen Wegen neue Perspektiven dazu einnehmen kann. Ich habe selbst keine Krankheit o.ä., aber mich interessiert Nahrung einfach ungemein, und mich ekelt diese Massenabfertigung von quasi ALLEM auch an.

    Ich werde nun immer mal hier reinschauen, um zu sehen, wie du dich schlägst :) Ich wünsche dir nur das Beste! Achso, und ich finde es toll, dass nicht nur "Krankheits-Posts" kommen werden. Klar, ist es interessant, aber der Rest genau so :) Ausgewogen sollte es sein - wie alles andere auch.

    Ganz liebe Grüße,
    Vanessa

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    1. Liebe Vanessa,

      es freut mich wirklich sehr, dass du auf meinen kleinen Blog gestoßen bist. Es ist extrem schön, lesen zu können, dass es Menschen gibt, die sich vielleicht ein bisschen dafür interessieren können. Und danke für die netten Sachen, die du geschrieben hast.
      Hoffentlich bleibt mein Geschriebenes für dich ein wenig interessant.
      Und ja, es ist ein Wahnsinn, was mit der Nahrung, die wir zu uns nehmen, geschieht. Das Thema Ernährung ist einfach unglaublich interessant und von so vielen Aspekten aus belichtbar.

      Beste Grüße und nochmal vielen Dank,
      Lili

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