Freitag, 30. Mai 2014

Die Melancholie des Vorbeifahrens

Das habe ich in letzter Zeit einige Male von mir gegeben, dass ich momentan wohl mehr Zeit im Zug als in meinem eigenen Bett verbringe. Ich fahre gerade mindestens einmal pro Woche irgendwohin.
Gerade ist meine häufigste Destination wahrscheinlich Oberösterreich und die dazu gehörige Landeshauptstadt. Von dort fahre ich aber meistens dann noch in irgendeine Richtung und schaue mir die sehr an die von Niederösterreich erinnernde Landschaft an, die am Fenster bei mir vorbei flitzt. Wenn es zu regnen beginnt, betrachte ich manchmal die Tröpfchen Wasser, die so mutig gewesen sind, um auf einen fahrenden Zug aufzuspringen.

Ich bin eigentlich immer schon gerne im Zug gesessen. Zugfahren - ich rätsle schon dauernd, was ein mögliches Synonym dafür sein könnte - ist wahrscheinlich dir produktivste Art, sich fortzubewegen. Sitze ich im Auto, dann muss ich mich im Idealfall voll und ganz auf das Straßengeschehen konzentrieren und mein Blick sollte nicht allzu oft von eben dieser abweichen. Busfahren ist, meiner Meinung nach, ziemlich unkomfortabel - vor allem im Vergleich mit dem in den meisten Fällen relativ weichen Zugplätzen, und es ist außerdem einfach wesentlich weniger Platz vorhanden. Na gut, ich gehe ja wirklich gerne zu Fuß, aber das ist meistens keine Option, speziell am Land ist das dann doch eine sehr zeitintensive Weise, von A nach B zu kommen. Mit dem Radfahren ist es doch sehr ähnlich, man ist wohl um einiges schneller, doch wirkliche Strecken zurück zu legen, kann ans Unmögliche grenzen, das kommt immer sehr darauf an, wo man sich mit dem Drahtesel fortgebewegen will.
Im Zug hingegen kann man aus dem Fenster schauen und nachdenken, man kann schreiben und ein Buch lesen, die neue Missy-Ausgabe durchblättern, schlafen und ich treffe wirklich sehr, sehr oft Menschen, die ich kenne und mit denen ich ein Stückchen gemeinsam zurücklege. Auch fürs Lernen und Matheaufgabe - wie froh ich nicht bin, nie wieder so etwas machen zu müssen! - Fertigstellen ist diese Fortbewegungsart ideal, auch, wenn ich es meistens immer schaffe, mich mit meinem mitgebrachten Lesestoff davon abzuhalten.

Das viele Zugfahren ist aber gar nicht mal so unwillkommen momentan. Schließlich habe ich mich ja mittlerweile schon daran gewöhnt, in die Hauptstadt mit diesem Verkehrsmittel zu düsen und das im wöchentlichen Rhythmus.
Ich höre auch schrecklich gerne Menschen zu. Das kommt jetzt höchstwahrscheinlich schrecklich neugierig und voyeuristisch rüber, aber es ist doch unglaublich faszinierend, was manche Menschen einerseits von sich geben und andererseits, was sie so bewegt, oder? Gerade sitze ich - wer hätte das erwartet? - ebenfalls in einem solchen Transportmittel und eben erst ist eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern ausgestiegen, die bis jetzt lautstark "Fürstenfeld" durch das Abteil geträllert haben. Gut, das mag vielleicht nicht mein allerliebstes Lieblingslied sein, aber dennoch fand ich das ziemlich unterhaltsam.

Aber vor allem genieße ich das im Zug Sitzen deswegen, weil ich dadurch zu geliebten Menschen, Museumsbesuchen, gutem Fortgehen und noch mehr tollen Persönlichkeiten befördert werde. Dort, wo ich wohne, fällt es mir von Zeit zu Zeit, und gerade ist wieder so eine Zeit, schwierig, Anschluss zu haben und mich gut mit den Menschen dort zu verstehen. Manchmal kommt es mir so vor, als lebe ich in einem ganz anderen Weltbild, als die Leute aus meiner Klasse zum Beispiel. Ich habe andere Vorstellungen und Einstellungen und denke vielleicht auch nicht ganz in derselber Art und Weise, wie es für mich als achtzehnjährige Landbewohnerin irgendwie üblich wäre und ich habe so ein großes Talent dafür, anzuecken.

Das macht mir natürlich auch sehr zu schaffen. Das dann alles hinter mir zu lassen ist ein wundervolles Gefühl und mit der Voraussicht, liebe Menschen sehen zu dürfen, verfeinert das ganze dann doch noch enorm.
Ich merke richtig, wie sich meine Stimmung ändert. Fahre ich Richtung weg, beginnt es warm zu werden und mein Herz klopft ein bisschen schöner. Fahre ich Richtung heim, kann es vorkommen, dass ich nicht ganz so euphorisch rüber komme, was dann meine armen, von mir geplagten Eltern zu spüren bekommen.

Eine Zeit lang war es für mich doch sehr schwierig, mich immer auf die Zukunft zu vertrösten. Mein Leben in der Hauptstadt war so surreal und irrsinnig weit weg, dass ich zwar große Vorfreude verspürte, trotzdem die richtige Begeisterung aus blieb. Aber mit jedem Tag, mit jedem Tag, der verstreicht, mit jedem Kreuz, das ich über die Tage in meinem Jahreskalender malen kann, mit jedem Aufwachen, komme ich dem ein wenig näher.

Außerdem, und das möchte ich unbedingt noch erwähnen, war das ewige in die Hauptstadt Fahren eine wirklich gute Übung und das Zugfahren hilft mir immer noch. Ich muss einfach selbst Sorge tragen für mich. Ich muss mir irgendwo etwas zu Essen kaufen oder mir eine Jause mitnehmen. Ich komme erst spät am Abend heim und habe einfach die Verpflichtung, meinen Körper mit der notwendigen Energie zu versorgen.
Ich bin mir sicher, dass mir das viel geholfen hat. Auch, dass ich einfach einen Freiraum zum Nachdenken hatte und mich am Reflektieren üben konnte.

Jetzt fahre ich gerade mit dem Inter City quer durch Österreich - so sehr ich der ÖBB auch dankbar bin und schätze, so sehr verfluche ich unsere Anbindungen. Hoffentlich erwische ich meinen Anschlusszug noch, irgendwelche technischen Schwierigkeiten haben eine Umleitung veranlasst und meinen Orientierungssinn komplett zerstört.

War da gerade ein Straßenschild mit einem 14. vorne? Na, vielleicht geht es sich doch aus.

Das Leben ist gut momentan.

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