Montag, 26. Mai 2014

Gestern war ich wählen, heute bin ich traurig.

...das war übrigens auch mein heutiger Facebook-Status.

Die ganze Sache mit der Europa-Wahl lässt mir heute wirklich keine Ruhe. Es gäbe eine ganze Menge an Begegnungen, Gedanken und Gefühle, denen ich außerdem Raum verschaffen möchte, und ich habe mir auch überlegt einen sozusagen kollektiven Eintrag über all die Dinge, die mich momentan beschäftigen, die gerade vor sich gehen und eben erst passiert sind, zu verfassen. Das wäre dieser wirklich problematischen Thematik allerdings nicht gerecht geworden und ich möchte mich einfach einmal darauf fokussieren.

Achja, das könnte jetzt sehr emotional werden.

Ich bin nämlich wirklich geschockt. Schockiert von dem Ergebnis; ich kann nämlich wirklich nicht nachvollziehen, wie es passieren konnte, dass ausgerechnet bei einer Wahl der Europäischen Union eine Partei wie die Front National Frankreichs Wahlsiegerin wurde. Außerdem ist es doch schon sehr komisch, dass bei jeder Nationalratswahl die Roten - wenn auch nur knapp - in Österreich von der Mehrheit gewählt werden, bei der Wahl fürs EU-Parlament aber plötzlich die ÖVP die meisten Stimmen abkassiert.
Das sagt doch einiges aus, oder? An und für sich wäre der österreichische Mensch ja eh offen und (mehr oder weniger) sozialdemokratisch eingestimmt, Rechte für alle Gruppierungen sind auch was Nettes und sowieso, ein bisserl Umweltschutz ist doch cool und den Neoliberalismus wurde schon in der Schule beim Durchnehmen im Geographie- und Wirtschaftskunde Unterricht als viel zu kompliziert und anstrengend eingestuft.
Ja, soweit so gut.
Aber wenn es dann um etwas Größeres als vielleicht die eigenen vier Wände oder gleich ganz Österreich geht, dann bleibt man aber bitteschön konservativ.
Es kristallisiert sich so schön der Nationalismus, der anscheinend in so vielen von uns steckt, heraus und wird durch eben solche Wahlen aufgezeigt. Dass dann auch noch die lustigen Freiheitlichen so viele Wähler*innen gewinnen konnten, unterstreicht mein Denken einfach nur noch dreimal rot.

Die Konservativen haben also die Mehrheit.

Ich möchte ja jetzt nicht den sprichwörtlichen Teufel an die Wand malen, es hätte ja schließlich wesentlich schlimmer kommen können. Wären beispielsweise Parteien in Richtung EU-Stopp oder Rekos, aber auch FPÖ, noch stärker, dann wäre mein Unmut auch wirklich ein ganz anderer.
Aber trotzdem.
Traditionsbewusstsein wird gerade wieder unglaublich modern, wie ich feststellen muss. Und wenn sich das auch auf die Politik ausweitet, kann von Fortschritt bald keine Rede mehr sein. Wenn man sich immer nur auf das Alte, auf das Eingesessene, immer schon da Gewesene verlässt, wie soll man dann neue, moderne, zeitgerechte Gesetze verabschieden können? Wie soll es funktionieren, dass wir wachsen? - und das nicht einzig und allein im wirtschaftlichen Sinne; wachsen im Zusammenhang mit Gesellschaft und Gemeinschaft, mit Vertrauen und Toleranz und mit Neuerungen. Das wird durch Traditionen halt einfach leider sehr eingedämmt, da kann man nichts dagegen sagen. Und deswegen bin ich auch so enttäuscht, dass ausgerechnet bei der EU die Europäische Volkspartei die meisten Wähler*innen überzeugen konnte. 

Die Europäische Union ist doch ein Projekt, ein Zusammenschluss, der etwas bewirken, der für alle Beteiligten Möglichkeiten schaffen soll. Es geht um Frieden und Miteinander und ums ohne-Grenzen-Leben. Es geht um viel mehr als um einzelne Staaten.
Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
So genau kenne ich mich nämlich auch nicht aus. In Geschichte und Politische Bildung (!) haben wir das nicht so genau durch besprochen, maximal ein wenig gestreift. Alles, was ich über die Parteien, über Europa weiß, habe ich mir in den letzten Monaten mühsam aus diversen Zeitungsartikel, Homepages und Parteiprogrammen zusammengereimt. Und während ich das alles gelesen habe, habe ich immer versucht, diese Informationen so reflektiert wie nur möglich aufzunehmen, Falschaussagen rauszufiltern und mir meine eigene Meinung bezüglich dieser Thematik zu bilden.
Aber, wer weiß?, vielleicht habe ich auch alles falsch interpretiert und eigentlich geht es nur um Wirtschaft, um billigere Preise, um Geld-machen.

Das möchte ich aber nicht glauben.

Die EU hat ja auch den Friedensnobelpreis bekommen. Das bedeutet doch auch etwas - zumindest ein wenig. So ganz ernst nehmen kann man das wahrscheinlich auch nicht, weil einen Friedensnobelpreis dafür zu verleihen, dass "bloß" kein Krieg ausgebrochen ist, finde ich dann doch ein wenig... naja, spartanisch. Natürlich ging es im Grunde genommen um nichts anderes, als sich dieses Bündnis schloss, die EU aus der Vereinigung für Kohle und Stahl entstand und es ist auch wirklich toll, weil, naja, Krieg ist jetzt nicht so lustig und sollte schließlich auch vermieden werden. Aber, zumindest in meinem Denken, sollte das irgendwann selbstverständlich werden. So, wie es selbstverständlich sein sollte, dass ein Mann seine Frau nicht schlägt. Trotzdem höre ich immer wieder von aggressiven Menschen, die "aber noch nie zugeschlagen haben", als wäre das eine besonders tolle Leistung.

Ich frage mich auch weiters, wer alles nicht zu den Wahlkabinen spaziert ist. Und überhaupt, warum sind genau diese Wahlen so unbeliebt und -populär? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das auch mit dem starken Nationalismus zusammenhängt.
Was tangiert mich bitte Europa? Die entscheiden ja sowieso alles in Brüssel, das ist voll weit weg von hier!
Ja, eh klar. Aber trotzdem sind wir, als Wahlberechtigte, dafür verantwortlich, welche Menschen in dem ach-so-entfernten Brüssel die Entscheidungen treffen.
In dem Kontext habe ich auch letztens einen sehr guten Spruch gehört: "Wählen ist wie Zähneputzen. Macht man es nicht, wirds braun". Leider ist an dieser witzig gemeinten Aussage so viel Wahren dran. Und leider sieht man das auch an den vorläufigen Prognosen...
Ich meine, ernsthaft? UK Independence Party und Front National?

Irgendwie verstehen so viele nicht, wie wichtig dieser Zusammenschluss nicht ist. Ohne ihn hätten wir einzelne Länder, denen einmal sofort riesigen wirtschaftlichen Problemen bevorstehen würden, würde die EU von heute auf morgen einfach aufgelöst werden. Andererseits wären dann so viele Möglichkeiten nicht mehr gegeben. Ich wohne ja an der tschechischen Grenze, ich könnte dann nicht einfach mal so, weil ich gerade Lust dazu habe, in dieses Land radeln; ich müsste ewig lange Grenzkontrollen über mich ergehen lassen. Aber natürlich leidet nicht nur der Freizeitbereich unter Grenzen. Der ganze Arbeitsmarkt zum Beispiel wäre durcheinander gewürfelt.

Ich hoffe ja immer noch, dass durch die Briefwahlen wenigstens die FPÖ unter die 20%-Grenze gedrückt werden. Wäre ja nicht das erste Mal, dass genau diese für Parteien, die sich bewusst von allem Rechten, und allem Ungerechten distanzieren, wichtige Prozentpunkte bringen würden. Man muss sich nur noch einmal den oben erwähnten Spruch durch den Kopf gehen lassen und sich überlegen, wer denn Briefwahlen beanspruchen könnte. Na eben genau Menschen, die sich zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause aufhalten, aber trotzdem von ihrem wirklich wichtigen demokratischen Recht Anspruch erheben möchten.

Wir können es vielleicht nicht so direkt merken, aber wir verlassen uns auf so vielen Ebenen auf unsere vier Freiheiten.
Es wäre doch wirklich zu schade, wenn es diese nicht geben würden.

Und auch, wenn dieser Post jetzt nicht wirklich etwas mit der sonstigen Thematik meines Blogs zu tun hat, war es mir ein Anliegen, meine Gedanken darüber zu teilen. Das betrifft mich nämlich auch persönlich, selbst, wenn das viele Menschen nicht wahrhaben wollen. Ich wohne hier und ich will auch bitte mitgestalten und eine Stimme haben dürfen. Deswegen bin ich auch so froh, den Freiraum zu haben, meine Worte für alle abrufbar zu stellen.
Ich habe nämlich wirklich den Wunsch, aktiv zu sein, vielleicht etwas bewegen, da ist so ein kleiner Blog, auch, wenn ich momentan wahrscheinlich noch nicht so viele Menschen erreiche, echt hilfreich.
Ich versuche hier nämlich mit meinem Alltag umzugehen. Und mein Alltag beinhaltet halt auch, dass ich wütend bin aufgrund dieser Ereignisse.

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