Montag, 31. März 2014

Untersuchungen

Es ist ganz komisch (wie oft ich wohl schon einen Blogpost mit diesen Worten begonnen habe?). Morgen muss ich mich einmal wieder von einer Ärztin untersuchen lassen. Und ich weiß auch gar nicht, warum, aber es macht mich unglaublich fertig.
Ich wiege mich ja eh jeden Tag ab und weiß daher, dass ich zugenommen habe. Das möchte ich dann nicht noch von einer Ärztin bestätigt bekommen. Und überhaupt. Irgendwie möchte ich auch gar nicht, dass jemand anderes eine Ahnung von meinem Gewicht hat. Keine Ahnung, weshalb das so ist, aber das ist ja sowieso ein Schwachpunkt von mir, das würde ich am Liebsten mit so wenigen Leuten, wie möglich, teilen. Und wenn ich es jemanden verraten würde, dann möchte ich doch entscheiden können, wem. Das ist allerdings Pflicht. Ich muss mich, wenn ich an diesem lustigen Institut bin, einmal im Quartal untersuchen lassen. Und jedes Mal bekomme ich schon eine Woche vorher ein ungutes Gefühl.

Früher wars ja schon fast noch schlimmer. Als ich noch besonders wenig gewogen habe, musste ich jede zweite Woche meiner Schulärztin einen Besuch abstatten. Sie hat mich dann immer auf die Waage gestellt und mein Gewicht dann weiter geleitet. Das war aber nicht ganz so komisch. Ich mag meine Schulärztin nämlich so, so gerne und irgendwie kommt es mir so vor, als ob ich ihr das anvertrauen könnte - auch, wenn das jetzt gerade ein wenig komisch klingt.
Auf jeden Fall war das auch noch relativ früh. Das Abwiegen meine ich. Ich musste nicht bis zum späteren Nachmittag warten, sondern konnte schon meistens ab der zweiten Stunde hin gehen. Da hatte ich dann noch nicht so viel gegessen oder getrunken. Ich meine, die ganze Nahrung, die ich dann um vier Uhr Nachmittags in mir trage, verfälscht doch mein Gewicht ungemein. Noch dazu verlangt diese Ärztin, zu der ich morgen geschickt werde, nicht einmal, dass man sich auszieht.

Das bedeutet, dass ich dann in voller Montur mit vollem Bauch gewogen werden.
Super.

Und ich glaube, dass mir das ein wenig zu schaffen macht. Dass ich dann als schwerer eingeschätzt werde, als ich eigentlich bin.
Vor einiger Zeit, eben, als meine Schulärztin das Wiegen noch übernommen hatte, habe ich vorher einfach nichts zu mir genommen und auch keinen Schluck Wasser getrunken. Mit genau diesen Gedanken spiele ich im Moment auch...
Und das will ich eigentlich nicht. Ich möchte doch einfach wieder ein ganz normales Essverhalten erlangen und mir nicht unnötig den Kopf zerbrechen müssen, ob und wann und wie viel ich jetzt esse. Vielleicht kann ich das anbringen und fragen, ob ich diese Untersuchungen nicht einfach nicht machen kann.
Ich habe ja jetzt eh (fast) kein Untergewicht mehr, das muss doch reichen.

An und für sich finde ich es ja wirklich toll, dass das Institut interdisziplinär geführt wird. Ohne die ärztliche Bestätigung, dass ich jetzt echt aufpassen muss, hätte ich einfach nicht geglaubt, dass es wirklich schon so schlimm um mich steht. Selbst, wenn die Psychologin mich mit Anorexia nervosa diagnostiziert hätte, hätte ich einfach angenommen, sie spinnt ein wenig.
Und überhaupt, es gibt doch so einiges, was ich gerne eine Ärztin fragen würde, zum Beispiel über meine Monatsblutung und über bleibende Schäden und prinzipiell gibt es so viel Biologisches und Medizinisches, was mich doch sehr interessieren würde. Aber da fehlen mir dann doch irgendwo die Formulierungen. Wie frage ich das am besten?

Ach, ich weiß einfach nicht. Warum macht mir das überhaupt so zu schaffen?


Übrigens, das würde ich auch noch gerne erwähnen:
Montags gehe ich immer in Zumba. Und die Zumbalehrerin hat wirklich eine unglaublich tolle Figur, sie ist überhaupt nicht abgemagert oder so, im Gegenteil. Und das macht es so schön, ihr beim Bewegen zuzusehen; sie hats nämlich wirklich drauf.
Genau, und ab und zu nimmt auch eine Frau teil, die wirklich sehr, sehr schlank ist. Also, dünner als ich momentan. Und manchmal sucht sich die Zumbalehrerin immer eine Teilnehmerin heraus, die dann mit ihr vorne den Tanz vorzeigen muss. Als dann eben diese Frau vorne gestanden ist und ich die beiden im direkten Vergleich gesehen habe, ist mir einfach bewusst geworden, dass ich tausend Mal lieber so aussehen würde, wie die Zumbalehrerin selbst. Nicht, dass die andere schirch oder sonst was war, aber ihre Figur hat mir einfach überhaupt nicht gefallen. Sie hat sich auch dementsprechend hölzern bewegt - wie soll man denn auch "runde" Bewegungen machen, wenn man selbst nirgends Rundungen hat?

Donnerstag, 27. März 2014

100 Tage

Irgendwie habe ich das Bedürfnis, mich für den letzten Eintrag zu entschuldigen. Eigentlich möchte ich diesen Freiraum nicht für so etwas verwenden, aber ich habe momentan ein irrsinniges Mitteilungsbedürfnis - ganz so, wie ein Mädchen aus meiner Klasse, die immer mal wieder gerne von ihrem Frühstücksmüsli erzählt. Und das einen ganzen Tag lang. Sie nimmt nämlich das Basismüsli von DM, das ist sogar bio, aber das ist ihr eigentlich egal, sie isst es nur, weils ja so gut schmeckt. Und dann schneidet sie sich immer Äpfel rein und tut Joghurt dazu, und das Basismüsli ist von DM und das kauft sie immer beim DM und ist bio und dann gibt sie noch einen aufgeschnittenen Apfel hinein. Genau, und da schneidet sie sich immer einen Apfel auf.

Ganz in Kontrast zum gestrigen Post möchte ich heute mein neues "Projekt", wie auch immer man das halt nennen möchte, vorstellen:

Uh, ich komm mir so richtig vor, wie einer dieser coolen DIY-Blogs :)


 Ich habe von einer ganz Lieben (danke übrigens nochmal ♥) ein wunderschönes Büchlein mit schillernden Schmetterlingen zum Geburtstag bekommen. Und sie hat mir rein geschrieben, dass ich es für schöne Momente, Gedanken und so weiter verwenden soll. Da ist mir eben das eingefallen, ich glaube, ich habe so etwas Ähnliches einmal auf einem anderen Blog gelesen.
100 Frohe Tage steht in großen Lettern auf der ersten freien Seite. Und das möchte ich gerne umsetzen. Ich weiß, dass ich es sicher nicht schaffen werde, dass es mir hundert Tage durch super gehen wird, aber zumindest irgendeine positive Kleinigkeit lässt sich doch immer und überall finden, nicht? Das ist auch gleichzeitig eine Motivation, an jedem Tag eine schöne Sache zu entdecken.

Bis jetzt sind zwei Eintragungen drinnen. Von Dienstag und sogar von gestern. Weil, obwohl ich eher ein Tief hatte, gab es auch feine Momente, wie eben, dass ich es geschafft habe, sehr schnell laufen zu gehen. Und genau das möchte ich festhalten. Ich möchte mir das ansehen können und feststellen, dass doch immer und überall etwas Positives abzugewinnen ist - weil das ist ja schließlich der Fall, sei es ein nettes Gespräch, eine Umarmung, ein Sonnenstrahl, eine Begegnung, eine gute Note oder auch ein schöner Spaziergang; es kann ja nicht sein, dass der gesamte Tag furchtbar war.

Außerdem ist das eine gute Möglichkeit, den ganzen Tag Revue passieren zu lassen und zu reflektieren. Warum ist es mir eigentlich so schlecht gegangen? Was kann ich anders machen und was hat mir gut getan? Auch, wenn das jetzt ziemlich altklug rüber kommt, finde ich die Idee, auch wenn ich sie ja von irgendwo gestohlen habe, haha, wirklich schön. Man kommt so ins Nachdenken. Und vor allem ist mir aufgefallen, dass es meistens passiert, dass ich immer nur die schlechten Seiten an allem in Erinnerung behalte. Mein Tagebuch kann ein Lied davon singen. Denn, wenn es mir gut geht, dann schreibe ich das meistens nicht explizit auf, dann geht es mir ja gut und ich brauche es mir nicht von der sprichwörtlichen Seele schreiben. Und so, so kommt es mir zumindest vor, vergisst man so viel, was eigentlich so wunderbar war, und auch, wenn es nur eine Kleinigkeit ist. Dass ich von einem lieben Menschen ein Lächeln bekommen habe, was mich in diesem Moment wahnsinnig freuen könnte, ist bald wieder vergessen und von negativen Gedanken überschattet. Und ich möchte mich doch auf die guten Dinge konzentrieren - auch, wenn sich das gerade ein wenig schwierig gestalten mag.

Vielleicht hilft dieses Büchlein mir dabei. Mal schaun, ob ich es wirklich durchziehen werde und wirklich ganze hundert Tage lang einen feinen Moment des Tages aufschreiben werde. Möglicherweise poste ich ab und an ein Bild von den dann schon vollgeschriebenen Seiten. Uvidíme, wie die Tschechinnen sagen würden, wir werden sehen.


Mittwoch, 26. März 2014

unter der Dusche weinen

Heute war kein guter Tag. Nein, wirklich nicht. Also mach dich auf einen Post gefasst, der nur so von Selbstmitleid und Verzweiflung trieft.

Der Tag hat schon einmal nicht gut angefangen. Ich wiege mich ja jeden Tag ab und ich versuche mich immer darauf gefasst zu machen, dass ich wahnsinnig zugenommen habe und dass auch ein Gewicht jenseits der fünfzig nicht schlimm ist. Aber heute hat das Selbstüberreden nicht funktioniert und ich war einfach nur fertig, als ich die Zahl an unserer Waage gesehen habe. Und ich weiß einfach nicht, wie ich das stoppen kann. Wieso höre ich nicht langsam einmal auf, zuzunehmen? Ich kann doch nicht ewig weiter mein Gewicht erhöhen, oder?
Und irgendwo finde ich das so unfair. Ich esse ja wirklich nichts Süßes mehr, lasse die Finger von Zucker so weit es nur möglich ist, vermeide Weißmehl sowie Fettiges. Ich mache ja auch Sport - gut, mein Sportpensum werde ich jetzt versuchen auszubauen. Und trotzdem gelingt es mir nicht, ein Gewicht beizubehalten.
Esse ich wirklich so viel zu viel? Wie machen das denn die anderen, die sich einfach so zwischendurch eine Pizza teilen oder Schokolade oder Kuchen essen? Nicht einmal zu meinem Geburtstag hab ich auch nur ein Stück von so etwas angerührt. Wie funktioniert das dann also, dass so viele einfach, wenn sie die Lust danach verspüren, Süßigkeiten und Junkfood in sich rein stopfen? Hab ich denn so einen schlechten Stoffwechsel? Ich hab nämlich das Gefühl, dass ich allein beim Anblick von Solchem schon zunehme...

Und ich möchte doch auch so gerne einmal wieder so etwas essen können. Einfach ein Stück Torte mit Creme und Füllung und ... das wäre doch so schön. Oder Schokolade. Wie lange hab ich jetzt schon keine normale Schokolade angerührt? Und langsam geht mir der Sport auch schon auf die Nerven. Ich will doch einfach nur essen können, was ich möchte, ohne dauernd trainieren zu müssen. Aber anscheinend funktioniert das bei mir einfach nicht, mein Körper vertragt das wohl nicht.


Ich habe einen vollgestopften Kasten. Und kein Kleidungsstück darin schaut auch nur irgendwie gut aus an mir. Das ist so schrecklich - so gerne würde ich mich schön anziehen, aber alles ist so unvorteilhaft. Mir gehen langsam die Ideen aus; es passt ja sowieso nichts. Ich brauch mich nur von der Seite anschauen und könnte einen Heulkrampf bekommen. Warum kann mein verdammter Bauch nicht einfach dünn sein? Warum können meine Oberschenkel nicht einfach schön ausschauen in irgendeiner Hose? Und was ist das eigentlich für ein Zustand mit meinen Haaren momentan? Warum können die nicht wenigstens halbwegs in Ordnung ausschauen? Jetzt sind sie auch noch so kurz, dass ich nicht wirklich einen Knödel machen kann und ein Zopf schaut einfach nur lächerlich aus...

Nachdem ich mich dann einige Male umgezogen habe in der Früh, ist sich dann auch kein Frühstück ausgegangen und ich hab noch schnell eine Jause richten müssen. Das macht mich so fertig, wenn ich lange Schule habe. Wie viel nehme ich mir denn da mit? Was ist zu viel? Wirklich, das ist schrecklich für mich. Zu Hause geht das sogar schon einigermaßen gut, aber das mit dem Mitnehmen ist immer noch sehr schwierig für mich.

Gut, und dann musste ich in die Schule fahren. Und das ist das Schlimmste. Jeden Tag muss ich wo hin, wo mich eh niemand so wirklich leiden kann beziehungsweise wo sich sowieso niemand wirklich für mich interessiert. Ich sitze in den meisten Pausen blöd da und hoffe darauf, die Klingel zu hören, damit die nächste Unterrichtsstunde beginnt und ich nicht mehr allein sein muss. Ich schaff' es auch nicht wirklich, mit jemandem zu kommunizieren. Es ist wohl einfach so schwer, mit mir zu reden.
Und dort fühle ich mich sowas von unwohl. Nicht nur äußerlich, sondern einfach unakzeptiert und es tut mir wirklich weh, immer so da zu sitzen und zu merken, wie alle anderen wunderbare Freundschaften ausleben und miteinander Nachrichten schreiben, sich gemeinsam am Nachmittag zum Laufen verabreden oder beieinander übernachten während ich die ganze Zeit meinen immer gleich bleibenden facebook-feed betrachte.
Was kann ich denn nur tun? Ich meine, es war ja wirklich unglaublich lieb, dass einige zu meinem Geburtstag gekommen sind, aber jetzt habe ich schon wieder das Gefühl, es ist eh allen egal, was los ist. Es hat mich auch sehr gefreut, dass eben ein paar dort waren, aber wieso ist es dann so schwer, mir eine wirkliche Antwort zu geben oder vielleicht auch einmal daran zu denken, mich ansprechen zu können? 

Und es freut mich einfach nicht mehr, gut drauf zu sein. Es hat ja sowieso keinen Sinn. Niemand ist sonst gut drauf und meine gute Laune prallt irgendwie immer ab wie ein Stein.
Ich werde die paar Wochen noch hinter mich bringen und ich hoffe so sehr, dass ich in der Hauptstadt Anschluss finden kann. Das wäre so schön.

Montag, 24. März 2014

riots not diets!

Diesen wunderbaren Spruch habe ich zu allererst in diesem Eintrag auf dem Blog Tea-riffic gelesen. Dieser Blog hat übrigens nicht nur einen unglaublich tollen Namen und einen extrem originellen Untertitel - da kann "mein Versuch, den Alltag zu überstehen" wirklich nicht mithalten, haha - mit "Tassen gehören auf den Tisch, nicht in den Schrank.", sondern behandelt auch wirklich wertvolle, spannende aber auch lustige Themen. Ein kurzer Blick auf ihn würde auf alle Fälle nicht schaden :)
 
 Ich musste mir diesen Spruch einfach an die Wand hängen - Empowerment pur!

Als ich den Post gelesen habe, wurde mir einmal wieder klar, wie wahnsinnig unfeministisch dieser Magerwahn nicht ist. Dieser Umstand war mir eigentlich und an und für sich auch schon früher bewusst; ich konnte oder wollte ihn nur nicht auf mich selbst auslegen, wie so viele Dinge. Aber eigentlich liegt es doch auf der Hand, dass das Bedürfnis, möglichst dünn zu sein, um in ein Schönheitsideal gepresst werden zu können, nicht im Entferntesten etwas damit zu tun hat, selbstbestimmt, reflektiert und unabhängig zu leben. Man verstellt sich und den eigenen Weg damit, bloß so sein zu wollen, wie es andere Menschen gerne hätten. 
 
Und eigentlich, ja, eigentlich hat das alles überhaupt keinen Sinn.

Wer entscheidet überhaupt, dass genau dünn das Schönheitsideal schlecht hin ist? Wieso wird eine etwas korpulentere Frau* als nicht schön oder unansehlich angesehen - sie* hat doch genauso ihre* Vorzüge, wie jede* andere auch.
Das versuche ich mir momentan klar zu machen. Also, ich weiß es ja prinzipiell und ich finde Frauen*, die nicht nur aus Haut und Knochen bestehen, wunderschön, nur mich selbst finde ich furchtbar so. Aber ich will gar nicht so sein. Ich will doch so leben, wie ich an und für sich denke und ich will selbst bestimmen können, ob ich jetzt Konfektionsgröße 34 oder 38 habe und mich trotzdem schön finden dürfen. Apropos, wieso darf man sich heutzutage eigentlich nicht mehr als hübsch empfinden? Wieso ist das was schlechtes? Wieso muss man sich selbst immer nieder machen und sich am besten verstecken? Wieso können wir nicht einfach stolz darauf sein, einen weiblichen Körper zu haben, wieso ist es nicht schön, wenn man sieht, dass wir nicht verhungern müssen? Das sind alles Fragen, die eigentlich keine sein sollten; sie sollten selbstverständlich sein und ohne irgendwelche Überlegungen in die Tat umsetzbar. 
 
Aber trotzdem haben schon fast alle Mädchen*, die noch nicht einmal in das sogenannte Teenager-Alter gekommen sind, schon eine Diät hinter sich. Natürlich gibt es dieses Phänomen auch bei den männlichen* Gegenspielern, dort allerdings prozentuell noch sehr gering und es handelt sich vor allem, wenn es um Essstörungen geht, um eine Art Sportzwang oder -sucht - viele Männer* fühlen sich gezwungen, besonders stark zu sein und auszusehen. Das hat doch auch wieder etwas mit Rollenbildern zu tun, oder etwa nicht? 
Der Mann muss stark sein. Die Frau am besten zerbrechlich. Und was ist mit all denen, die irgendwo dazwischen sind? 
Unsere gesamte Gesellschaft ist dermaßen auf diese Clicheé-Bildung ausgelegt, dass ein vorurteilsfreies Denken schon fast nicht mehr möglich ist. Alles ist in irgendeiner Hinsicht mit diesen behaftet und man findet sich schneller als geglaubt beim Versuch, sich selbst in eben diese Rollen hineinzuwinden. Das ist auch - oberflächlich gesehen - einfacher. Wieso die eigene Persönlichkeit ausleben und nicht einfach so sein, wie all die anderen? 

Aber um noch einmal auf die Parole riots not diets! zurückzukommen, finde ich sie auch wahnsinnig...berührend, weil sie aussagt, dass die eigentlich so kostbare Zeit nicht mit Entsagungen und Diäten vergeudet werden soll, anstatt aber Aufstände, Aufruhr und Krawall initiiert werden könnten. Und das finde ich so besonders, denn allein die Gedanken, die ich mir hätte machen, und die Meinungen, die ich mir hätte bilden können, während ich stur Kalorienanzahl auswendig gelernt habe und versucht habe, das gesündeste Nahrungsmittel herauszufinden, hätten mich prägen können, mir einen Weg zeigen oder einfach helfen können, mit meiner Umwelt umzugehen und mir Denkanstöße bringen können, dieselbe zu verbessern. Alles vergeudete Zeit. Und das ist so schade. Denke ich bloß daran, wie viele Empörungen und Meutereien ich anzetteln hätte können, kommen mir beinahe die Tränen. Das war wirklich verschenkte Zeit. 
Und daweil würde ich mich so gerne engagieren - vielleicht noch nicht hier, aber sehr bald, sobald ich eben in der Hauptstadt angelangt bin.

Wieso lassen wir zu, dass eine so unfeministische Haltung das Denken von so vielen von uns beeinflusst? Wie kann das bitte sein, dass wir so sehr an unseren Rollen festhalten, dass wir übersehen, dass es bald nicht mehr nur ums Aussehen sondern auch ums Überleben geht? Und vor allem, wann hören wir wieder auf damit? Wann ist der Druck, genauso zu sein, wie die anderen, aufgelöst? Wann kann ich aus all diesen Rollenbildern ausbrechen und anstatt von unzähligen und ungesunden Abmagerungskuren, Anstöße für Aufruhr machen? 
Ich glaube, wenn ich wirklich darauf warten würde, würde mir das alles viel zu lange dauern. Ich beschließe das jetzt einfach. 


Samstag, 22. März 2014

ein blauer und ein roter Rock und Obstsalat

Nach dem ziemlich demotivierten Eintrag von Donnerstag, einem Tag vor meinem Geburtstag, würde ich nun gerne eine Art Zusammenfassung desselben schreiben...

Gestern bin ich achtzehn geworden. Ganz ehrlich, ich glaubs nicht wirklich. Ich kann es einfach nicht so ganz begreifen, dass ich nicht mehr erst fünfzehn, vielleicht sechzehn bin. Das ist wirklich schrecklich komisch und irgendwo auch absurd für mich. Ich fühle mich einerseits noch so unreif, andererseits so, naja, nennen wir es altklug. Auf jeden Fall nicht so, wie ich mir vorstelle, wie man sich mit genau diesem Alter fühlen sollte.

Mein Geburtstag war aber eigentlich sehr schön.

Ich bin wie gewohnt früh aufgestanden und habe mir gedacht, da ich sicher untertags nicht dazu kommen werde, dass es sicher nett wäre, noch vor dem Unterricht eine kleine Runde gelaufen zu sein. Das war also das zweite Mal, dass ich noch bevor ich die Schule betretet habe, meine Laufschuhe angehabt hatte. Das war wirklich ziemlich fein, weil gerade die Sonne am Aufgehen war und sie mir groß und orange in den Nacken geschienen hat. Außerdem war alles so ruhig und irgendwie frisch - auch wenn sich diese Beschreibung ein wenig komisch anhört, so hat es sich in etwa angefühlt. Die Schornsteine der Fabrik haben gequalmt und ein Junge aus meinem Dorf ist mir auf dem Moped mit rauchendem Auspuff mit hoher Lautstärke entgegen gekommen.
Dann gab es Sektfrühstück. Das hab ich mir gewunschen und es war wirklich unglaublich komisch.

Und dann wollte ich mich anziehen.

Ich hatte irgendwie das Verlangen, besonders schön zu sein. Also für meine Verhältnisse. Ich hätte mich ungeheuer gerne rausgeputzt. Eigentlich wollte ich einen blauen Rock anziehen, der an und für sich recht vorteilhaft ist, dachte ich zumindest. Aber das ging einfach nicht. Ich weiß auch nicht, aber ich glaube, ich habe zwanzig Minuten nur damit verbracht, mir (hysterisch) neues Gewand zu suchen und kurz vorm Verzweifeln dann doch irgendetwas eher Langweiliges angezogen; das trug wenigstens nicht so sehr auf. Und das macht mich momentan wirklich fertig. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich anziehen soll. Ich finde, dass alles schrecklich aussieht und wenn ich jemanden frage, bekomme ich natürlicherweise nur eine nicht sonderlich konstruktive Antwort. Also von engen Oberteilen lasse ich auf alle Fälle schon einmal die Finger und das beste wäre außerdem, wenn ich nur noch weite(re) Hosen tragen würde, oder eben Röcke.

Und dann gings in die Schule. Dazu möchte ich am Liebsten nicht allzu viele Worte verlieren. Meine Schule und ich werden uns in diesem Leben schätzungsweise nicht mehr anfreunden. Ich glaube, ich habe es schon einmal geschrieben, aber es ist wirklich schwer, die gute, motivierte Stimmung beizubehalten, wenn alle um mich herum schlecht drauf sind. Außerdem fühl ich mich irgendwie immer mehr fehl am Platz dort. Aber es war schon ganz okay am Freitag - ich wurde relativ häufig umarmt, was mich wirklich sehr gefreut hat, und die Stunden sind verhältnismäßig schnell vergangen, internetfähiges Mobiltelefon sei dank.

Zum Geburtstag hatte ich mir dieses Jahr gewunschen, keinen Kuchen gebacken zu bekommen. Stattdessen wollte ich einen Obstsalat und Mohnnudeln und davor noch einen gemischten Salat. Und ich habe es wirklich geschafft, mich mit Salat so zu überessen, dass ich ewig nicht aufrecht habe gehen können, obwohl sogar ich jetzt nicht das Gefühl gehabt habe, so unglaublich viel gegessen zu haben. Aber mein Bauch war aufgebläht, puh, als wäre ich schwanger.

Heuer wollte ich auch feiern. An und für sich war eine Art "Vorglüh-Party" vorgesehen, in die ich mich, um ganz ehrlich zu sein, ein wenig habe rein reden lassen, denn ich hätte gerne ganz offiziell eine Home-Party gemacht. Aber egal. Ich bin dann auch nicht in die Disco gefahren, die meisten haben es mir gleich getan und die, die doch in die "evebar" weiter sind, sind ziemlich lange geblieben.
Das alles wurde bei meiner Schwester und ihrem Freund daheim veranstaltet. Meine liebe Schwester hat sich auch um die Musik gekümmert und eine wundervolle Playlist zusammengestellt. Während wir noch ein wenig aufgeräumt haben, wurde plötzlich von Cat Stevens Wild World abgespielt und wir beide haben nur noch geheult. Das Lied passt einfach so gut zu uns. Es ist schwer zu beschreiben, aber irgendwie...ja, irgendwie fühlen wir uns ein wenig angesprochen davon. Meine Schwester ist einfach einige Jahre älter als ich und jetzt habe ich es ebenfalls geschafft, volljährig zu sein und ziehe bald aus und muss meine eigenen Erfahrungen machen. Ach...
Überhaupt, das war auch ein Grund, warum ich nicht mehr in die Disco gehen wollte, weil wir durchgehend so schöne Musik gehört haben und ich die Songauswahl dort kenne und das einfach so ein schrecklich unaushaltbarer Kontrast gewesen wäre.
Wie dem auch sei, meine Schwester muss aber wirklich gute Nerven gehabt haben gestern. Ich habe nämlich die ganze Zeit herumgeflippt und hatte unglaubliche Bedenken, dass niemand kommen und es irrsinnig langweilig werden würde.
Oh, genau! Sie hat es auch geschafft, auszuhalten, dass mich das Essen so sehr überfordert hatte. Das war mir nämlich auch ein wenig zu viel. Vor allem, weil meine Mutter immer das Bedürfnis verspürt, dreimal zu viel einzukaufen und zu kochen, so hatten wir ein wirklich großes Sackerl Chips und Hirsepops und Nüsse, zusätzlich zu einem fetten Topf veganem Chili und Cakepops, die allerdings von der Schwester gemacht worden sind. Es ist vom allem noch reichlich da, allerdings ist der Obstsalat gut weggegangen.
Eingekleidet war ich gestern dann ganz von ihr. Das war leider ein wenig ungut, weil mein Bauch eben so schrecklich war.

Und dann sind immer mehr Leute gekommen. Das war wirklich schön. Es war auch ein wirklich feiner Abend, ich habe viel mit allen getratscht und gelacht und es ist mir gut gegangen.

Ja, und jetzt, jetzt sitze ich hier, eigentlich ist es sogar schon Sonntag - am Samstag hab ich so wenig gemacht, das ist ein Wahnsinn gewesen! - und ich bin einfach schon zwei Tage lang volljährig. Ich versuche, wieder ein normales Verhältnis zum Essen zu bekommen, mein schlechtes Gewissen aufgrund des Weißbrotes, von dem ich heute zum Frühstück ein Stück gegessen habe, zu unterdrücken und es zu schaffen, einen dünnen Bauch zu bekommen. Ich bewundere momentan so ziemlich alle Leute - wie geht das, dass man sich nicht dauernd Gedanken darüber macht, was man isst? Wie geht das, dass man einfach so drei Cakepops auf einmal essen kann? Wie geht das, dass man sich nicht dauernd überisst? Wie geht das, dass man keine Angst vor der nächsten Mahlzeit hat? Und wie geht das, dass man dem ganzen nicht so eine Wichtigkeit zuspricht, einfach das isst, auf was man gerade Lust hat und die Figur als untergeordnet ansieht? Bitte, wie geht das?

Donnerstag, 20. März 2014

erwachsen sein

Was bedeutet das eigentlich, erwachsen zu sein? Volljährig. Warum ist man mit achtzehn Jahren denn schon volljährig? Wäre eine runde, durch fünf teilbare Zahl nicht viel sinnvoller? Eine wie zwanzig? Oder vielleicht sogar dreißig. Warum muss es denn unbedingt achtzehn sein?

Heute ist der aller, allerletzte Tag, an dem ich noch als Jugendliche, als Kind gelte. Ab morgen bin ich dann erwachsen. Von einem auf den anderen Tag. Dann kann ich mich als Bundespräsidentin aufstellen lassen, die volle Strafe abkassieren und kann meine Meldezettel selbst unterschreiben, ohne Erziehungsberechtigte. Ich bin dann einfach erwachsen. So. Ohne auch nur irgendetwas dafür getan zu haben. Es ist dann halt so. Und ich muss alles machen, was man von Erwachsenen so erwartet.

Und das macht mich fertig. Irgendwie.

Es kann doch nicht sein, dass ich jetzt schon, wo ich mich doch noch eher wie sechzehn fühle, einfach volljährig bin. Es kann doch gar nicht stimmen, dass ich in nur wenigen Wochen meine schriftliche Reifeprüfung abgelegt habe. Es kann doch bitte nicht sein, dass ich bald alleine lebe, ohne meiner Mutter, die für mich kocht und die auf mich schaut und Acht gibt.

Dann muss ich mich selbst versorgen. Ich muss selbst darauf schauen, dass ich genügend zu essen zu Hause habe und ich muss mit dem Gröbsten selbst fertig werden. Ich kann mich nicht mehr bei meinen Eltern daheim verstecken und warten, bis der Tag vorbei ist. Ich muss dann auf die Universität gehen, einen Abschluss machen, arbeiten, Geld verdienen, einen Haushalt schmeißen, kochen, putzen, lernen, leben. Und das alles selbstständig. Ohne Anweisungen, ohne Rezept. Dann muss ich mein Geschirr wahrscheinlich mit der Hand abspühlen und lernen, wie es ist, in einer Wohngemeinschaft zu leben. Ich muss dann wohl daran denken, dass ich mir nicht mehr nur biologisch Produziertes und Nachhaltiges leisten kann und wirtschaftlich mit meinem Geld umgehen. Ich muss dann erwachsen sein.

Irgendwie habe ich dennoch das Gefühl, ich sei erst so um die fünfzehn. Siebzehn war schon so surreal für mich. Ich und siebzehn?
Gibts da nicht so etwas wie freud'sche Versprecher? Mir ist das dauernd passiert. Es ist sehr häufig vorgekommen, dass ich mit "Sechzehn" geantwortet habe, als ich nach meinem Alter gefragt worden bin.
Und jetzt soll es schon so weit sein, dass ich beinhart und unwiderruflich erneut ein Jahr älter, und somit 18 werde?

Wie soll ich das machen? Wie kann ich denn auf mich selbst schauen? Wie kann ich Sachen essen, die schlecht produziert worden sind, wenn ich doch jetzt schon ein flaues Gefühl im Magen bekomme, wenn ich auch nur in einem Spar, einem Billa, einem Hofer oder sonst wo einkaufen gehe? Ich möchte diese schrecklichen Konzerne doch nicht unterstützen und werde mich wohl oder übel trotzdem damit anfreunden müssen. Okay, vielleicht kann ich vermehrt auf Bauernmärkte schauen und mein Brot bei der besten Bäckerei in Wien, eine Türkische, in der Nähe vom Yppenplatz, besorgen, obwohl das mit Weißmehl gemacht wird. Hoffentlich finde ich irgendwelche Substituenten für die großen Supermärkte, die auch für Studentinnen leistbar sind.

Ich muss dann immer selbst kochen. Das braucht so viel Zeit und so viel Mühe und trotzdem muss es gemacht werden. Ich kann einfach nicht nichts essen, das ist keine Option mehr. Und trotzdem stresst mich das so sehr. Mich stresst ja mein eigener Geburtstag schon ungemein. Ich habe das Gefühl, dass meine Mutter angefressen - oder eher traurig - ist auf mich, dass ich mir ausdrücklich keinen Kuchen gewunschen habe und stattdessen Obstsalat wollte. Und sie macht so viel für meine "Party" morgen, die eigentlich ein Vorglühen hätte sein sollen, ich aber überhaupt keine Lust auf die schreckliche Disco habe und eigentlich am Liebsten daheim bleiben würde.

Und sowieso. Mich macht das gerade schrecklich fertig.

Ich werde morgen erwachsen sein.

Momentan freue ich mich keineswegs darauf.

Dienstag, 18. März 2014

meine Unfähigkeit oder: wie mir meine Geldbörse abhanden gekommen ist

Ich weiß nicht, manchmal habe ich so das Gefühl, dass es einfach nicht sein kann, dass es mir nur gut geht. Es muss einfach irgendetwas passieren, das die halbwegs-Idylle zerstört. Es muss zu regnen anfangen. Es müssen sich Auseinandersetzungen mit Freundinnen herauskristallisieren. Es muss eine dreistündige Physikschularbeit angesetzt werden. Oder ich muss mich selbst wieder einmal daran erinnern, wie unglaublich dumm ich nicht immer bin.

Heute war kein guter Tag. Nein, wirklich nicht.

Angefangen hat er eigentlich gar nicht einmal so schlecht. Ich bin sogar früher als sonst aufgestanden und hatte unendlich viel Zeit und hätte eigentlich wirklich viel machen können, aber lili ist ja faul. Aber ich war trotzdem gut gelaunt. Und dann war mein erster Fehler, den Fuß in meine Schule zu setzen. Ich frage mich manchmal wirklich, wie ich den Alltag irgendwie überstehen soll, wenn ich doch den meisten Teil desselben dort verbringen muss. Von einer inkompetenten Lehrkraft auf der einen Seite über engstirnige, unsensible Mitschüler, schlecht gelaunte Sitznachbarinnen (nicht böse gemeint!) und eigentlich-Freundinnen, die eigentlich kein Wort mit mir reden ist alles vertreten. Das zerstört mir meine Motivation beziehungsweise gute Laune schon meistens. Ich versuche allerdings wirklich, dass ich es irgendwie schaffe, da drüber zu stehen und mich bloß auf meine Zeit in Wien - in einer anderen Umgebung, mit anderen Leuten - freue. Ich überbrücke jeden Tag mit Gedanken an meine Zukunft.

Jetzt wieder zurück zur Schule: Heute hatte ich meine letzte (wuhu) Physikschularbeit für... naja, für immer eigentlich. Ich werde zwar auf der Uni ebenfalls Vorlesungen und Tests in dieser Wissenschaft absolvieren müssen, diese werden dann allerdings nicht im Rahmen unseres eher schrecklichen Schulsystems gehalten und von hoffentlich fähigeren Professor*innen.
Für diese Schularbeit hatte ich echt gelernt. Ich muss auch zugeben, dass mich die Thematik schon recht fasziniert, aber es war trotzdem furchtbar mühsam, sich alles selbst irgendwie zusammen zu reimen; von dem Unterricht konnte ich leider nicht sonderlich viel mitnehmen. Und dann sitze ich mit einem eigentlich sicheren Gefühl im Physik-Saal, bekomme den Angabezettel ausgeteilt, schreibe das erste Beispiel und stocke - bitte, was soll der Blödsinn? Da habe ich mir auch nur gedacht, für was ich mir überhaupt irgendwas angeschaut habe...
Und dann sind die Schultage wirklich alles andere als sinnvoll momentan. In den meisten Fächern wird sowieso nichts Produktives mehr angestellt und ich sitze die meiste Zeit mit meinem Handy da und schaue nach, ob es auf facebook oder neuerdings auch twitter etwas Neues gibt. Das finde ich auch irgendwie schrecklich, weil ich eigentlich nicht die ganze Zeit auf meinem Smartphone herumdrücken möchte und mich wirklich gerne mit Sinnvollem beschäftigen würde. Oft habe ich einfach nur das Gefühl, meine Zeit zu verschwenden. Ich bin doch in der Schule, um zu lernen, nicht um virtuelle Zeitung zu lesen.

Heute ist ja Dienstag. Dienstag ist immer Wientag bei mir, da fahre ich gleich nach der Schule zum nächsten Bahnhof und von dort weiter in die Hauptstadt zu meiner Therapie-Gruppe. Tja. Und ich unglaublich unfähiger Mensch wollte heute im Anschluss an die Sitzung gerne einen Sport-BH einkaufen gehen. Ich hab mir sogar extra rausgesucht, wo es fair und umwelttechnisch nachhaltig Produzierte gibt, mir eine Karte rausgesucht und mich schon irrsinnig darauf gefreut. Natürlich hatte ich auch dementsprechend viel Geld mit. Wirklich viel Geld. So viel Geld habe ich normalerweise überhaupt nicht (gerne) bei mir; ich habe nämlich immer Angst, es könne mir gestohlen werden. Am liebsten hab ich überhaupt Keines einstecken. Und ich passe mir auf meine Brieftasche auch recht gut auf, nehme sie immer mit, wenn ich irgendein Zimmer verlasse und lasse sie prinzipiell nur sehr ungern aus den Augen.
Wie dem auch sei, war ich heute bestückt mit unzähligen Euros im Zug eingeschlafen. Ich schlafe wirklich oft im Zug und meine Hemmschwelle ist dementsprechend immer weiter geschrumpft, sodass ich eigentlich keine Bedenken mehr habe beziehungsweise hatte, dass irgendetwas abhanden kommen könnte. Jetzt frage ich mich gerade, wie unheimlich dumm man nur sein kann. Was ist passiert? Als ich aufgewacht bin und auf die Toilette gehen wollte, hätte ich gerne ironischerweise mein Handy samt Geldtasche mitgenommen, damit es mir nicht gestohlen wird. Nur was mein Portemonnaie nicht da. Ich habe alles, wirklich alles, durch sucht, bin herum gesprungen, habe beinahe hysterisch meinen Vater angerufen und so laut geheult, dass das ganze Abteil wohl etwas von meiner verloren gegangenen Geldbörse mitbekommen hat.
Es war einfach so viel Geld da drinnen... Und all meine Ausweise, samt Führerschein, VOR-Ticket, Fitnesscenter-Karte und am eigentlich wichtigsten für mich ganz liebe Fotos. Ich pack es jetzt noch nicht, dass mir so etwas passieren konnte.

Wieso kann ich nicht besser aufpassen auf meine Sachen? Solche Dinge stoßen irgendwie immer nur mir zu, habe ich langsam das Gefühl.

Danke, Karma.
Aber bitte sag mir doch wenigstens, was ich schon wieder falsch oder schlecht gemacht habe?

Ja, und anstatt einen tollen Sport-BH zu kaufen, durfte ich mir eine Polizeidienststelle suchen und dort eineinhalb Stunden mit einem uniformierten Beamten reden, der mich irrsinnig an Klaus Kinsky als Woyceck erinnerte.
Danach war ich, was wirklich sehr nett war, noch mit meiner Mutter, die ebenfalls einen schrecklichen Tag in Wien hinter sich hatte, und ihrer Arbeitskollegin und gleichzeitig besten Freundin, in einem meiner Lieblingsrestaurants essen. Ja, und das war irgendwie das Schlimmste heute. Die Krönung sozusagen. Ich habe einfach nur so unglaublich viel gegessen, das war wirklich nicht mehr normal. Richtig schlecht war mir dann - körperlich sowie psychisch. Fast gänzlich ohne Sport, Radfahren konnte ich heute ja nicht, weil ich keine Bankomatkarte mehr hatte, so viel zu essen ist schon nicht schlecht. Und dann waren es noch dazu so ungesunde Sachen - ich fühle mich momentan so schlecht deswegen, dass ich weinen könnte. Ach, was schreib ich da, dass ich weinen muss. Wieso muss ich immer so viel in mich reinstopfen? Das halt ich gerade überhaupt nicht aus...
Ich kann es halt einfach nicht leiden, wenn Essen übrig gelassen und im Endeffekt weggeschmissen wird. Das halt ich gar nicht aus. Dafür muss dann halt mein ohnehin schon rausstehender Bauch leiden...

Ich hoffe einfach, dass irgendetwas halbwegs Gutes mit meinem Geld geschieht. Vielleicht wird ja Essen darum gekauft, das man sich sonst nicht hätte leisten können. Ja, Das wäre schön.
Gerade muss ich auch so viel daran denken, wie es einem Menschen gehen muss, damit er*sie anfängt, fremde Mädchen zu bestehlen. Das muss auch nicht gerade schön sein. In welcher Lage muss man sich befinden, dass man nach den Dingen anderer Leute greift und sich diese einfach so mitnimmt? Es muss wirklich schrecklich sein, und in gewisser Weise tut mir die Person, die jetzt im Besitz meines Geldbörserl ist, wirklich leid - was muss da bitte vorgefallen sein, damit diese anfängt, zu stehlen?
 
Allerdings darf ich eines nicht vergessen: Während ich im Zug noch mit meinem Vater telefoniert und so bitterlich aufgeheult habe, ist eine Frau, sie wird wohl so alt wie meine Eltern gewesen sein, zu mir gekommen. Sie hat gesagt, sie kann zwar nicht alles lösen, aber die Lage vielleicht ein wenig verbessern. Daraufhin hat sie mir ihren Fahrschein für die Wiener Linien, ich hätte ja nicht einmal mehr U-Bahn fahren dürfen, und einen 10-Euro-Schein in die Hand gedrückt. Sie hat auch nicht locker gelassen, als ich ihr wiederholt gesagt habe, dass ich das einfach nicht annehmen kann. So unglaublich nett einfach. Das ist ein Wahnsinn!
An solche Leute glaubt man fast gar nicht mehr. Es sollte mehr von ihnen geben. Hoffentlich schaffe ich es einmal, ein bisschen so wie sie zu werden.