Sonntag, 9. März 2014

ausdrücklich

Eines der Dinge, die mir unglaublich wichtig sind und mir wahnsinnig am Herzen liegen, ist die Möglichkeit, mir selbst und meinem Gedachten und Gefühlten Ausdruck zu verleihen. Es ist mir ein ungeheures Anliegen, das, was für mich essenziell erscheint, in irgendeiner Form widerzugeben oder darzustellen. Auch möchte ich immer gerne erfahren, was andere Menschen denn so bewegt und was sie sich denken; vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass ich so unheimlich gerne lese und mir Bilder und Fotografien ansehe oder ins Museum gehe. Das bereitet mir eine so große Freude, zu sehen, dass sich andere Menschen etwas denken oder etwas sagen möchten und jede Chance nutzen, das auch dann zu tun und in die Tat umzusetzen.

Ich versuche mich auch auf so vielen Ebenen wie möglich auszudrücken. Es gibt nämlich so viele Inhalte, die mir bedeutend erscheinen, dass nur ein Medium für mich nicht ausreicht. Deswegen schreibe und zeichne und fotografiere ich so gerne und deshalb reizt mich das Musik machen.
Warum auch immer.
Irgendwie finde ich es... ich weiß nicht, bedeutend vielleicht?, dass ich nicht auf meinen Gedanken sitzen bleibe und sie in irgendeiner Weise losbekomme. Nicht, dass ich jetzt finde, dass meine Aussagen oder Gedankengehalte unbedingt gehört oder gesehen werden müssen. Nein, ganz im Gegenteil, meistens frage ich mich sogar, wieso ich mir manchmal einbilde, dass es auch nur irgendjemanden interessieren könnte, was ich so von mir gebe. Das brauche ich ein wenig. Ich brauche das, dass ich nicht auf dem sitzen bleibe und, wenn ich jetzt schreibe, dass es irgendwie befreiend wirkt, hört es sich ganz komisch an, aber naja, andere Worte fallen mir momentan dafür nicht ein.

Was ich allerdings sehr schade finde, ist, dass es in unserer Gesellschaft viel zu wenig Freiraum für das Sich-Selbst-Ausdrücken gibt. Überhaupt, wieso sparen wir so schrecklich an Freiräumen, wir haben so viel Platz zur Verfügung, wieso schränken wir uns immer derart ein, dass wir ihn nur zu einem minimalen Prozentsatz nutzen dürfen? Es wird auch einfach kein Wert darauf gelegt, ob und was sich jemand denkt. So habe ich es zumindest im Gefühl, so kommt es mir vor. Und das ist meiner Meinung nach traurig. Denn ich bin mir sehr sicher, dass es sehr Viele geben würden, die ein ausgeprägtes Talent hätten im Ausdrücken, denen wir das aber von vorneweg absprechen und ihnen so nicht einmal die Gelegenheit geben, diese Fähigkeiten zu entwickeln. Und auch die Personen, die irgendwie gegen den Strom der Gleichgültigkeit schwimmend versuchen, etwas zu sagen, werden meist gebremst und nicht ernst genommen oder einfach nicht wertgeschätzt. Wie viele wirklich wunderbare Schreibende gibt es, die nie wirklich positive Rückmeldung bekommen und so nicht an sich selbst weiterarbeiten, damit sie irgendwann vielleicht die Gedanken noch klarer zum Ausdruck bringen können? Aber was eventuell noch schlimmer ist, ist, dass man meistens gar keine Rückmeldung bekommt. Es ist den meisten einfach gleichgültig. Jede zweite Person an meiner Schule hat eine sündhaft teure Spiegelreflexkamera zu Hause aber ist nicht in der Lage, ein Urteil oder Kritik, sei es konstruktive oder sonstige, über ein neu erschienenes Buch abzugeben.

Aber jetzt wieder zu meinen Ausdrucksformen.
Offensichtlich schreibe ich. Ich schreibe schon sehr lange Tagebuch, was aber momentan viel zu selten angefasst wird, daran könnte der Blog eventuell auch Schuld tragen, klimpere auf meiner Schreibmaschine zweit- oder drittklassige poetryslamartige Geflechte daher und führe eben die persönliche Revolution. Schreiben ist irgendwie das Direkteste. Natürlich benutzt man Metaphern, Vergleiche und sonstige Umschreibungen, aber dennoch bleiben es klar definierbare Wörter und so gut kann ich noch nicht verstricken, dass man den Sinn hinter meinen aneinandergereihten Sätzen nicht mitbekommt. Man kann sich alles von der Seele schreiben und danach geht es viel besser, weil man einerseits die Probleme oder die Dinge, die momentan beschäftigen, wirklich formulieren musste und es kann einer während des Schreibprozesses vielleicht sogar einiges klar werden. Schreiben ist ein bisschen wie Konversation führen, bei dem man sich aber entscheiden kann, ob man nachdenkt oder nicht.
Und das ist auch das Schöne an Büchern oder an Gedichten, die von anderen Personen geschrieben wurden. Ich überlege immer ganz gerne, was sich die Autorin oder der Autor gedacht hat oder in welcher Lebenssituation sier während des Aufschreibens gerade war. Denn diese machen auch nichts anderes, als die Gedanken zum Ausdruck zu bringen und über das zu schreiben, was eben gerade eingefallen ist.
Denn zu Beginn ist das Blatt weiß, unberührt. Die Gedanken füllen das Stück Papier erst mit Farben aus.

 
 

Reiht man die möglichen Ausdrucksformen nach der Direktheit, würde unmittelbar nach dem Verfassen von Texten die Fotografie kommen. Mit der Fotografie ist es möglich gemacht, Momente und Emotionen ganz einfach einzufangen. Man drückt auf einen Knopf und schon hat man das Szenario festgehalten und kann es immer wieder Revue passieren lassen, einfach, in dem man das Foto betrachtet.
Aber dem entgegen kann man auch gezielt etwas positionieren, um ein bestimmtes Gefühl hervor zu rufen. Man kann sich selbst so inszenieren, um so etwas zu sagen, oder auch mit der Sonneneinstrahlung und Helligkeit spielen. Motive kann man auswählen, die mit Bestimmtem assoziiert werden und somit ebenfalls etwas ausdrücken. Ich, die ich die Kamera in der Hand halte, kann entscheiden, was zentral für mich in diesem Moment ist, was im verschwommenem Hintergrund ist und was überhaupt nicht auf das Foto kommt. Somit habe ich die volle Freiheit, zu bestimmen, was ich ausdrücken möchte. Und genau deswegen habe ich mir auch einen Flickr-Account angelegt und liebe es, überall meine Kamera mitzuschleppen. Vor allem das analoge Fotografieren hat es mir angetan - man beginnt, einfach alles mit anderen Augen zu betrachten, hat man einen Film eingelegt, weil man nicht mehr jede Kleinigkeit wahllos dokumentieren kann, man ist ja schließlich limitiert. Man gibt sich automatisch mehr Mühe, um das einzufangen, was man möchte und nimmt sich mehr Zeit. Einfach so abknipsen funktioniert nicht. Aber trotzdem liebe ich meine, leider schon am immer mehr an Qualität verlierende digitale Bridge-Kamera. Weil mit ihr kann ich alles festhalten, ohne mir groß Gedanken zu machen. Und wenn ich mir Gedanken machen möchte, geht das genauso, man muss sie sich halt bestimmt machen. 
Ich finde, mit Bildern kann man so gut, wie sonst nie, Gefühle einfangen und widergeben. Es ist möglich, durch eine simple Landschaft ein Lächeln ins Gesicht zu Zaubern oder eben auch einen kalten Schauer auf den Rücken.



Oh, und auf das Musik machen darf ich nicht vergessen! 
Seit ich ganz klein bin, schlage ich regelmäßig auf Trommeln und projiziere so in gewisser Weise meine Wut und meinen Ärger in die Bewegungen. Aber auch meine Freude kann ich zum Ausdruck bringen. 
Ich spiele in einem Band-Projekt namens Schapka, in dem es vorwiegend um die Texte geht. Natürlich hat das jetzt wieder etwas mit dem Geschriebenen zu tun, doch verleiht die richtige Musik allem noch ein bisschen mehr Magie. Das ist wie im Film, Hintergrundtöne machen so viel aus, können so Vieles bewirken und jeden gewünschten Effekt hervorrufen. Du kannst mit Melodien und Intervallen aus ein und derselben Szene so viele Facetten herausholen, du kannst Dramatik aufbauen, sie aber auch ins Lächerliche oder Skurrile ziehen. 
Ich höre mir auch sehr gerne Musik an. Gerade in dem Moment zum Beispiel höre ich Dancas Ocultas, eine Band, die aus vier Akkordeons besteht und nur mit Klängen und Geräuschen ganz Verschiedenes ausdrückt. Man braucht also keinen Text, doch kann es sehr schön sein, etwas Gesungenes oder Gesagtes oder Gerapptes zu hören. 
Musik ist mir ganz besonders wichtig und ohne diese Ausdrucksform wäre ich schätzungsweise ein wenig verloren. Denn sie ist alles andere als direkt. Sie ist unterschwellig und codiert. Sie gibt nicht gleich auf den ersten Blick alles Preis und man kann die wildesten Gefühle äußern, einfach in dem man eine gewisse Saite zupft und darauf eine andere. 



Leider habe ich das Zeichnen und Malen in letzter Zeit sehr vernachlässigt, obwohl es eine andere wunderbare Art ist, sich selbst auszudrücken. Aber in Museen gehe ich trotzdem noch gerne und ich liebe es, durch meine Kunstbücher zu blättern. Ich habe ja sogar eine Arbeit über die Künstlergruppe Brücke, eine der beiden bedeutenden Künstlervereinigungen des Expressionismus (!), geschrieben. Diese wollten auch nichts anderes, als ihre innersten Gefühle und ihre äußerste Wahrnehmung zum Ausdruck zu bringen. Denn mit Farbe kann man so einiges anstellen, man kann sie weg lassen und Konturen schaffen und Schatten rosa machen und jeder Strich hat seine eigene Wirkung.


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