Sonntag, 7. Dezember 2014

Über unerwartete Absagen

Gerade jetzt sitze ich - wie sooft - in der Ubahn und tippe mit ein bisschen eingefrorenen Fingern auf meinem Handy herum. Hätte mich wohl besser noch ein bisschen wärmer anziehen müssen. Das war jetzt einmal geplant. Dass ich heute morgen in der Früh Richtung Hütteldorf düse, nicht, dass mir kalt ist.

Dieses Wochenende war allerdings ganz anders als ursprünglich vorgesehen. Eigentlich waren ganz andere Punkte auf meiner To-Do-Liste und ganz andere Termine in meinem Kalender vermerkt. Aber dann, dann ist so ziemlich alles nicht eingetroffen, was ich mir vorgenommen hatte, auf was ich mich gefreut habe. Ich wollte nach Tirol fahren, wollte Moderatorin spielen, auf einem skandinavischen Weihnachtsmarkt herumstöbern, Improvisationstheater spielen, wollte lange Zugfahrten durchlernen und saugen. Viel daheim sein und alleine. Aber auch die Großeltern am Berg besuchen.

Und was hab ich gemacht?

Ich war tanzen, zu Hip Hop einmal zur Abwechslung, mit lieben Freunden, war Schokomus in der Vorhalle der Nationalbibliothek essen, hab Schlagzeug auf einem richtigen Schlagzeug gespielt und auch Bass ausprobiert, hab Menschen zu mir eingeladen, hab gelernt. Hab Bilder ausgeschnitten und Zitate an die Wände geklebt. Ich war in Wien und sonst nirgends. Und ich musste immer wieder dran denken, wie sehr ich mich allein in der Zeit, die ich jetzt in der Hauptstadt lebe, verändert und gewandelt habe. Nicht nur meine Haare sind jetzt kurz. Auch hat meine Spontaneität zugenommen. Und obwohl es gerade ein wenig schwer war für mich, mit all den Absagen, die ich die letzten Tage bekommen habe, ich tu mir nicht mehr so viel an, wenn die Termine, die rot und grün im Kalender markiert sind, nicht mehr eingehalten werden, wenn ich einen Anruf bekomme, und eine Freundin einfach mal so an meiner Haustür klopft. Vor ein paar Monaten war noch alles ganz genau geregelt. Allein mit meinen Schulzeiten. Fixer Stundenplan, der so ziemlich jeden Tag gleich ausgesehen hat. Zumindest beinahe dieselben Anfangs- und Endzeiten. Jetzt hab ich mal um zwei Unibeginn, am nächsten Tag überhaupt nur eine Übung ab halb sechs. Dann um acht in der Früh physikalische Chemie. Da ist wenig Regelmäßigkeit drin. Und immer steht was anderes am Programm. Natürlich, ich sitze immer noch meistens am Abend da und stelle mir eine mehr oder weniger kleine schlaue Liste, mit allen Erledigungen, die ich im Laufe des nächsten Tages abgehakt haben möchte, zusammen. Aber oft schaff ich nicht alles. Es kommt was dazwischen. Oder mir wird auf facebook ein für mich schon wichtig gewordener Termin abgesagt. Und dann ärgere ich mich schon. Aber ich bin nicht nur spontaner, sondern auch gelassener geworden. Entspannter mit mir. Mit meinen Pflichten. Meinen Bauchübungen. Meinen Mitmenschen. Meinem Aussehen. Und meiner Einhaltung diverser vorgenommener Dinge.

Und trotzdem wirft mich ab und zu so manches aus der Bahn. Da sitze ich dann in der Mathematik-Vorlesung und weiß sowieso nicht, was da vorne gesprochen wird, und bekomme eine Nachricht. Kurz scheint alles zu wackeln und meine Stimmung fällt schlagartig. Das halt ich gar nicht aus. Ich kann mich so gar nicht leiden, wenn ich nicht motiviert, nicht gut gelaunt bin. Dann verhalte ich mich noch komischer und noch anstrengender als sonst. Und dann auf einmal kann ichs nicht mehr steuern. Da wird mein kompletter Wochenendplan umgekrempelt. Ich bin zwar schon einige Schritte voran gegangen, aber manchmal holen mich die alten Muster, die alten Wege doch wieder ein und ich verfalle in gewohnte Abläufe.

Eigentlich hätte ich einen Poetry Slam, eben in der Tiroler Hauptstadt, moderieren sollen. Die Moderationskärtchen, ich hab gelbe gebastelt, waren schon bereit gelegt und die meisten Punkte meiner Liste ausformuliert. Ich wollte noch packen und vielleicht ein Bild zeichnen, für das Mädchen, bei dem ich hätte schlafen können. Und dann macht das Mobiltelefon einen kurzen Pfeifton und ich werde nicht mehr gebraucht.
Und genau in dieses Denken bin ich dann wieder hineingerutscht. Weil besser sind meine darauffolgenden Stunden nicht so ganz geworden. Zumindest, wenn man meine Laune betrachtet. Unenergetisch. Miesepetrisch. Schwer auszuhalten. Und ich weiß auch nicht, ich finde ganz ehrlich, dass man so nicht ganz mit anderen Menschen, mit denen man sich eigentlich schon seit mehreren Wochen bestimmte Dinge ausgemacht hat, umgehen sollte. Ich hätte samstags meine Studieneingangsphase abschließen können. Ich hätte mich dieses Wochenende nicht mit Chemie rumplagen müssen und andere Prüfungen auf spätere Semester verschieben, hätte ich gewusst, dass ich nicht so südlich von der Donau bin. Und natürlich hilft aufregen nichts. Ich bin irgendwo auch ganz froh, dass alles so gekommen ist, wie es halt ist. Das versuche ich eigentlich prinzipiell zu sein. Weil alles ist Erfahrung. Alles führt zu irgendwas anderem. Hat auch einen Grund, hat auch einen Zweck, den man vielleicht auch erst irgendwann finden kann. So habe ich eben andere Prioritäten setzen können, andere Abenteuer erleben. Und vor allem, was ich am meisten an solchen Momentan schätze, ist, dass man dann so viel nachdenkt. Okay, man wird meist durch Nachdenken unglücklich, aber wenn das grau schon mal passiert ist, dann macht das den Puffer nicht noch basischer. Und man vergleicht.

Also ich vergleiche. Ja, das hab ich auch noch nicht ablegen können. Schrecklich. Ich sehe Menschen und beziehe bestimmte Dinge auf mich, mein Können, mein Aussehen, meinen Charakter. Und so vergleiche ich dann halt auch Zeiten. Das kann auch ganz schön sein. Gerade bin ich eben drauf gekommen, dass sich die paar Wochen schon bemerkbar gemacht haben. Und nicht nur auf meinem Bauch. Das ist nämlich das nächste, aber das kann noch warten. Oder mit dem Tagebuch geteilt werden. Allein mein Spontan-Sein, und die Entdeckung desselben zahlen sich aus. Ich kann außerdem weiter feilen. An meiner Gelassenheit. An meiner Toleranz und meiner Menschenfreundlichkeit. Dass ich nicht einen Groll entwickle, nicht allzu nachtragend bin.

Ich bin heute anders als vor zwei Tagen. Habe meine Bedürfnisse geändert und meine Einstellung. Bin gewachsen, leider nicht äußerlich und lerne immer dazu. Bei jedem Rückschlag gleich ein klein wenig mehr. Kommt mir zumindest manchmal so vor. Eigentlich sollte ich schon so prall gefüllt sein mit diesem Wissen. Und ich weiß jetzt, noch mehr als vor ein paar Tagen, dass ich jetzt ein bisschen sparsamer umgehe, was Hilfsbereitschaft in diesem Kontext angeht. Vielleicht hört das Finger-Zeichnen jetzt auch auf. Vielleicht ändert sich die Einstellung zu gewissen Themen ein wenig, vielleicht hab ich in drei Tagen sowieso schon wieder alles vergeben. Und ich bin froh über die Gespräche, die ich führen durfte, weil ich da war, über die Stunden, die ich Zeit hatte, um mit einer Freundin zu lernen und zu musizieren. Wie hätte Tirol dagegen anhalten können?

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